Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat die Arbeiterklasse im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich einen Reallohnverlust von 3,6 Prozent verkraften müssen. Die Tarifgehälter seien in der ersten Jahreshälfte bei Weitem nicht so schnell angestiegen wie die Verbraucherpreise, so das WSI. Die Tariflöhne seien im Schnitt zwar um 2,9 Prozent gestiegen, die Preise aber wesentlich stärker.
Für knapp 11 Millionen Beschäftigte würden 2022 Tariferhöhungen wirksam, die bereits 2021 oder früher in Tarifverträgen mit mehrjähriger Laufzeit festgelegt seien. Hierzu gehörten auch große Tarifbranchen wie zum Beispiel der öffentliche Dienst oder der Einzelhandel. Diese älteren Abschlüsse wurden zu einem Zeitpunkt vereinbart, an dem noch von deutlich geringeren Inflationsraten ausgegangen wurde.
Bei den im ersten Halbjahr 2022 erzielten Tarifabschlüssen sei „ein Trend zu höheren Tarifzuwächsen“ erkennbar. Doch auch sie blieben mit durchschnittlich 4,5 Prozent hinter der aktuellen Preisentwicklung zurück. Für die Tariflöhne in den 2010er Jahren bilanziert das WSI erstaunlicherweise, diese hätten „relativ deutlich zugenommen“. Und es gebe auch Tarifbranchen, in denen nicht nur die Preisentwicklung ausgeglichen werde, sondern darüber hinaus auch Reallohnzuwächse zu beobachten seien. Das WSI nennt klassische Niedriglohnbranchen wie zum Beispiel das Hotel- und Gaststättengewerbe, das Gebäudereinigungshandwerk oder die Leiharbeit. Der Mindestlohn trage dazu bei, dass die Löhne in diesen Branchen teilweise zweistellig gestiegen seien. Es darf jedoch bezweifelt werden, ob das real verfügbare Einkommen wie vom WSI behauptet tatsächlich gestiegen ist. Gerade Familien mit niedrigen Einkommen sind überdurchschnittlich von den Preissteigerungen betroffen.