Als Hartz IV im Rahmen der Agenda-Politik eingeführt wurde, war dies Armut per Gesetz. Daran haben auch die in homöopathischen Dosen erfolgten Erhöhungen der Regelsätze in den letzten Jahren nichts geändert. Durch die vom Bundeskabinett am 15. September beschlossenen Anpassungen der Hartz-IV-Sätze ab Januar 2022 wird sich die Situation der Betroffenen trotz formaler Erhöhung sogar verschlechtern: Maximal 3 Euro mehr pro Monat sind für die Bezieher der Grundsicherung laut Kabinettsbeschluss vorgesehen.
Alleinstehende Erwachsene erhalten dann statt 446 Euro im kommenden Jahr 449 Euro monatlich. Der Regelsatz für Jugendliche ab 14 Jahren steigt ebenfalls um 3 Euro auf 376 Euro. Ehepartner erhalten künftig 404 Euro, Erwachsene unter 25 Jahren ohne eigenen Haushalt 360 Euro. Auch hier liegt das Plus bei jeweils 3 Euro im Monat. Zudem beträgt der Regelsatz für Kinder bis fünf Jahre statt bisher 283 Euro im neuen Jahr 285 Euro pro Monat. Für die 6- bis 13-Jährigen erhöht sich der Satz um ebenfalls zwei Euro auf 311 Euro. Damit liegen die beschlossenen „Erhöhungen“ deutlich unterhalb der Preisentwicklung und stoßen völlig zu Recht auf heftige Kritik des DGB und der Sozialverbände.
Die Regierung beruft sich bei der diesjährigen Anpassung der Hartz-IV-Regelsätze auf ein standardisiertes Verfahren. Die jährlichen Anpassungen richteten sich nach der Lohn- und Preisentwicklung des jeweils vergangenen Jahres. Hierbei werden die Lohnentwicklung zu 30 Prozent und die Preisentwicklung zu 70 Prozent berücksichtigt. Zur Bestimmung des Letzteren stützt sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf einen fiktiven Korb von Waren und Dienstleistungen, die aus dessen Sicht für das Existenzminimum notwendig sind.
Nicht berücksichtigt in der aktuellen Berechnung ist, dass das Jahr 2020 ganz im Zeichen der Corona-Pandemie stand.
Laut Statistischem Bundesamt sind die Reallöhne allein im zweiten Quartal 2020 – mitten im ersten Lockdown – um satte 4,7 Prozent gesunken. Millionen Menschen waren von Kurzarbeit betroffen und hatten so geringere Einkommen oder aufgrund von Jobverlust gar nichts mehr verdient. Gleichzeitig senkte die Bundesregierung für das zweite Halbjahr 2020 die Mehrwertsteuer auf 16 Prozent. In Folge dessen waren die Preise in diesem Zeitraum faktisch kurzfristig gesunken. Diese vorübergehende Steuersenkung, die als Entlastung gedacht war, wird nun durch die Einbeziehung in die Berechnung der Hartz-IV-Sätze für die Betroffenen zum großen finanziellen Verlust.
Auch die aktuelle Inflationsrate von fast 4 Prozent findet in der Berechnung der Regelsätze keinen Niederschlag. Das BMAS begründet dies damit, dass man nicht einmalig die Berechnungsgrundlage ändern und die niedrigere Mehrwertsteuer einmalig nicht einrechnen könne. Wenn, dann hätte die gesamte Berechnung per Gesetz neu aufgestellt werden müssen.
Es wäre den politisch Handelnden trotzdem möglich gewesen – wie schon im Mai 2020 –, noch einmal eine Sonderzahlung für Hartz-IV-Haushalte zu leisten. Seinerzeit gab es eine Einmalzahlung von 150 Euro. Zusätzlich wurden 2020 und 2021 für alle Familien 300 Euro Kinderbonus ausgezahlt – auch für Hartz-IV-Haushalte. Sie wurden auf Hartz-Leistungen ausnahmsweise nicht angerechnet. Die übliche Praxis ist, dass sonstige Zahlungen wie das Kindergeld auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden, was faktisch bedeutet, dass sie abgezogen werden.
Auf diese Maßnahmen wurde jedoch aktuell verzichtet, ebenso auf eine inflationsbereinigte Anhebung der ohnehin schon viel zu niedrigen Regelsätze. In Folge dessen müssen sich die Bezieher von Hartz IV im kommenden Jahr noch weiter einschränken. Eine gesunde Ernährung ist schon mit den aktuellen Regelsätzen nicht möglich. Von einer bedarfsgerechten Grundsicherung, die die soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, wie vom DGB und Sozialverbänden gefordert, ist man meilenweit entfernt.