Zum Bundesparteitag der SPD – Delegierte feiern die „Zeitenwende“

Mehr Geld für Krieg und Energie

Die von den jeweiligen engsten Führungszirkeln vereinbarten Regieanweisungen für die Parteitage etablierter bürgerlicher Parlamentsparteien ähneln sich. Vor allem kommt es auf Geschlossenheit an. Die Elemente kollektiver Selbstsuggestion – vor allem minutenlanges stehendes Applaudieren – nehmen immer mehr Raum ein. Sowohl auf dem Parteitag der „Grünen“ als auch jetzt bei der SPD wurde als Ventil, um Dampf aus dem Kessel der Unzufriedenheit zu lassen, das Migrationsthema gewählt. Zu hören waren wuchtige Reden, die an dem Kurs der militärischen Grenzabschottung bei Auswahl von Geflüchteten entsprechend ihrer Profitabilität für deutsche Unternehmen nichts ändern werden. Zu erwarten waren bei der SPD auch einige Beschlüsse, die vor allem große Mehrheiten fanden, weil jeder weiß, dass sie niemals Wirklichkeit werden: Wiedereinführung der Vermögensteuer, Abschaffung der Schuldenbremse, höhere Besteuerung der Reichen, Reform der Erbschaftsteuer.

Der emotionale Höhepunkt des Parteitags war die fast einstündige freie Rede des Bundeskanzlers – begrüßt mit einer Minute Applaus am Anfang und gefeiert mit fünf Minuten im Stehen am Schluss. Auch sie erhielt einiges zu Erwartendes wie etwa das Beschwören der SPD-Geschichte als Partei der Geringverdienenden oder die markige Formulierung, es werde „keinen Abbau des Sozialstaats in Deutschland geben“. Rede und Parteitagsregie waren erkennbar auf Seelentrost für die 15-Prozent-Kanzlerpartei zugeschnitten. Dazu gehörte, dass gleich zu Beginn von Sicherheitskräften ein Transparent vom Podium abgeräumt wurde, bevor es überhaupt lesbar war. Pervertiert angesprochen wurden alte sozialdemokratische Traditionen, als der Kanzler zum Durchhalten gegen den „Imperialismus“ aufrief. Gemeint war der russische. Der beherrschte – unter Beifall fast aller Delegierten – das erste Drittel der Rede.

Die Rede enthielt zwei Aussagen, die erhebliche Folgewirkung haben werden. Nach gut 14 Minuten bekräftigte der Kanzler, die Unterstützung für die Kriegsherren in der Ukraine müsse mit langem Atem gewährt werden. Er fügte wohl mit Blick auf die USA hinzu, „wir“ müssten – wenn andere schwächeln – in der Lage sein, „unseren Beitrag möglicherweise noch größer leisten“ zu können. Diese Ankündigung schwerer Zeiten wurde von ihm im hinteren Redeteil ergänzt, als er angesichts der Weltklimakonferenz weitere Preisanstiege bei Energiekosten ankündigte. Das Zukunftsversprechen dieser SPD lautet: Noch mehr Krieg und höhere Energiepreise.

Bei so viel düsterer Aussicht braucht es emotionalen Kitt. Stolz erwähnte Scholz, dass „kein Land Europas so viel Flüchtlinge aus der Ukraine“ aufgenommen hätte wie Deutschland. Entweder er leugnet schlicht den Fakt, dass ein Mehrfaches der einen Million Menschen aus der Ukraine, die hier angekommen sind, nach Russland geflohen ist, oder in seinem Denken ist Russland inzwischen nicht mehr Teil Europas.

Zur Einstimmung auf die später aufflammende Migrationsdebatte gestand er den „Fehler“ ein, in den 60er Jahren die einwandernden Arbeitskräften als „Gäste“ betrachten zu haben, die ja bald wieder gehen würden. Besser wäre es, sie – wie in den USA – als künftige Mitbürger zu sehen und ihnen zu helfen, sich hier zu integrieren. Am Schluss einer solchen Integration empfahl er den Familien der Neubürgerinnen und Neubürger, ein großes Fest „mit den besten Klamotten“ zu feiern und es mit dem Singen der Nationalhymne abzuschließen.

Das allerdings wäre noch ein Gedanke für die Regieanweisung künftiger Parteitage der SPD.

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"Mehr Geld für Krieg und Energie", UZ vom 15. Dezember 2023



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