Mehr Geld für Konfrontation

Klaus Wagener zur Debatte über den Bundeshaushalt 2019

Wenn es etwas gibt, was AfD-Frontfrau Alice Weidel beherrscht, dann eine Disziplin, die sich neudeutsch Aufmerksamkeitsökonomie nennt. Mit Formulierungen wie „Burka, Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“, beherrschte die arrogant-demagogische „Nazi-Schlampe“ (Christian Ehring, Extra3) wieder prominent die Schlagzeilen.

Dabei ging es um viel. Eigentlich. Immerhin debattiert der Bundestag über den Haushalt 2019. Nach der gezielten Staatsverarmungsstrategie aus den Schröder-Jahren haben sich die Finanzen des Bundes nach 15 Jahren wieder etwas berappelt. Natürlich steht Steuervermeidung für Reiche und Großkonzerne nach wie vor oben auf der Agenda, das reichste „1 Prozent“ verfügt über unantastbare Vermögenswerte in Höhe von 9 Billionen Euro. Aber die gezielte Schröpfung unterer und mittlerer Einkommen, die Absenkung des Sozialstaatsniveaus hat dennoch ein deutliches Plus für den Budgetsaldo erbracht. Die schwarze Null ändert aber nichts daran, dass die Bundesrepublik laut Statistischem Bundesamt jährlich 83 Mrd. Euro investieren müsste, nur um den fortschreitenden Verfall zu stoppen. Müsste. Schwarz-Rosa hat es nicht einmal debattiert.

Die Kanzlerin erging sich denn auch lieber in der bekannten Schönfärberei. Es seien „sehr gute Daten“, man benötige „keine neuen Schulden“, die Staatsverschuldung liege nun „unterhalb von 60 Prozent“, dies sei „Generationengerechtigkeit pur“. Die alte Story: Egal wie marode die Infrastruktur, wie unterfinanziert das Bildungssystem, wie unterbesetzt die Pflege, wie katastrophal überlastet die Verkehrssysteme, wie überteuert der leergefegte Wohnungsmarkt – wir haben die Schwarze Null und Deutschland geht es gut. Die neue SPD-Chefin Andrea Nahles erreichte eine bemerkenswerte Meisterschaft in der Disziplin, die Probleme, welche die SPD in Verein mit CDU und Grünen selbst geschaffen hat, zu skandalisieren und so tun, als seien sie vom Himmel gefallen; sich selbst als entschlossener Macher und Krisenmanager zu stilisieren und das Placebo, zu dem es gerade noch reicht, als Wunderwaffe anzupreisen. Natürlich verpasste die SPD-Frontfrau auch nicht die Chance, sich wie Kassenwart Olaf Scholz als Barrikadenkämpferin gegen eine ungehemmte Aufrüstung zu präsentieren. Mit wenig überzeugenden Argumenten. Was davon bleibt, wenn es zum Schwur kommt, wird man sehen. Die bisherigen Erfahrungen sind wenig ermutigend.

Nein, es ist durchaus nicht so, als habe die GroKo nichts vor. Deutschland muss aufrüsten – ausrüsten, wie Merkel schönfärbte. Giftgasangriffe in Syrien, Kündigung des Atomabkommens mit Iran, Bombardierung von israelischen Stellungen auf dem Golan durch Iran, Handelsstreit zwischen USA und EU, tägliche Waffenstillstandsverletzungen in der Ukraine. Die Kanzlerin wiederholt die gängigen Fake-News und ihre Botschaft heißt: Wir brauchen mehr Geld fürs Militär. Nicht nur im Nahen, Mittleren Osten und in Afrika, sondern auch zur „Landesverteidigung“ im Baltikum, in Polen, in der Slowakei, in Rumänien und Bulgarien. Die deutsche Infrastruktur muss „panzerfit“ werden. Straßen, Brücken, Tunnel in Richtung Osten. Damit die Räder rollen können für den Sieg. Diesmal, mit den „Amis“ im Rücken, könnte es ja klappen (träumt nicht nur Kanonen-Uschi in ihren feuchten Träumen).

Ach ja, fast jeder vierte arbeitet im „besten Niedriglohnsektor Europas“ (Schröder). Die Hungerlöhne und die Absenkung des Rentenniveaus werden mittelfristig für weit mehr als ein Drittel der Bevölkerung eine Rente unterhalb der Grundsicherung bedeuten. In die Rentenkasse einzuzahlen wird für diese Menschen sinnlos. Atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse, sachgrundlose Befristung, Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit, Werkverträge, Minijobs, Scheinpraktika bedeuten nicht nur ausgrenzende, erniedrigende Einkommen, sondern weisen den programmierten Weg in die Altersarmut. Die Antwort der GroKo auf diese kolossale gesellschaftliche Herausforderung: Schweigen im Walde. Kanonen statt Butter. Beides gibt es nicht.

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"Mehr Geld für Konfrontation", UZ vom 25. Mai 2018



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