Linke Gruppen fordern Konsequenzen aus der V-Mann-Affäre in Göttingen

Mehr als eine Panne

Von Christoph Hentschel

„Die Enttarnung des V-Mannes Gerrit Greimann mag man von Seiten des Verfassungsschutzes und von Teilen der Berichterstattung vorrangig als peinliche Panne des Verfassungsschutzes betrachten. Es müssen aber andere Fragen in den Vordergrund gerückt werden“, sagte Gerd Nier, Vorsitzender der Ratsfraktion „Göttinger Linke“.

Am 13. November konnte die Gruppe „Basisdemokratische Linke“ den Studenten in den eigenen Reihen enttarnen. Dies wurde möglich, weil in einem Verfahren am Verwaltungsgericht Hannover Textstellen, die eine Identifizierung des Mannes ermöglichten, nicht geschwärzt worden waren. Seitdem schwirren der komplette Name, Geburtsdatum, -ort und  -adresse, aktuelle Adresse, Matrikelnummer, Kontonummer, Facebook-Account und vieles mehr durch das Internet. Demnach war Greimann nicht nur bei der „Basisdemokraktischen Linken“, sondern auch bei „solid“, dem Jugendverband der Partei „Die Linke“, aktiv. Er kandidierte zu den Wahlen des Studentenparlaments und hatte Funktionen in einer Fakultät der Georg-August-Universität in Göttingen übernommen. Er habe „zwei Jahre lang linke Aktivistinnen und Aktivisten ausgeforscht“, heißt es in einer Presseerklärung der „Basisdemokratische Linke Göttingen“. Zudem habe er „zwei Jahre lang in unseren privatesten und persönlichsten Bereichen herumgeschnüffelt“.

„Welche Feindbilder und Denkstrukturen existieren anscheinend in praktisch allen Gliederungen des Verfassungsschutzes, beginnend mit Herrn Maaßen und weitergeführt bis zur Chefin des niedersächsischen Verfassungsschutzes Frau Brandenburg? Die Verbrechen neonazistischer Gruppen wie des NSU werden über ein ganzes Jahrzehnt nicht aufgedeckt, V-Leute z. T. als ‚agent provocateur‘ in Nazi-Organisationen eingesetzt und Hetzjagden von Rechten auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürgern bagatellisiert. Gleichzeitig werden Spitzel auf Mitglieder linker Organisationen bis hin zu studentischen Gremien eingesetzt, bei denen anscheinend allein schon der Begriff links als Verdacht genügt, als staatsgefährdend eingestuft zu werden“, fragt die Wählergemeinschaft „Göttinger Linke“, in der auch die DKP mitarbeitet. Die Wählergemeinschaft folgert daraus: „Nach den bekannt gewordenen Vorfällen über das Wirken von Staats- und Verfassungsschutz allein in der Region Göttingen in letzter Zeit, aber auch nach der Affäre Maaßen, ist es für uns längst überfällig, nicht nur die Arbeitsweise und die vorhandenen Denkstrukturen des Verfassungsschutzes infrage zu stellen, sondern seine Existenzberechtigung grundsätzlich anzuzweifeln.“

Die Leitung der Georg-August-Universität stellt zu den Umtrieben ihres Studierenden fest, dass sie „allgemein davon ausgeht, dass der Verfassungsschutz in dem ihm vorgegebenen rechtlichen Rahmen handelt“.

Währenddessen musste sich die Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger (SPD), vor dem Landtag rechtfertigen. „Ich sehe keine systematischen Fehler und deshalb ist es nicht erforderlich, dass sie zurücktritt“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ulrich Watermann, gegenüber dem „Norddeutschen Rundfunk“. Brandenburger trage keine direkte Verantwortung. Dem gegenüber forderten FDP und AfD den Rücktritt der Verfassungsschutzpräsidentin. Gleichzeitig forderte die FDP gemeinsam mit „Bündnis 90/Die Grünen“ die Einsetzung eines unabhängigen Gutachters. Die CDU, die mit der SPD in Niedersachsen die Regierung stellt, hatte laut „Hannoverscher Allgemeiner Zeitung“ signalisiert, man habe „Respekt vor dieser Forderung der beiden Oppositionsfraktionen“. Am Montag stimmte die CDU-Fraktion einem Gutachter zu.

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"Mehr als eine Panne", UZ vom 23. November 2018



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