Eine Comic-Biografie über Hedy Lamarr

Mehr als ein hübsches Gesicht

Der Name sagt mir irgendwas, aber wer war das nochmal? Wahrscheinlich reagieren einige Menschen so, wenn sie den bei Bahoe Books neu erschienenen Band „Hedy Lamarr“ in der Buchhandlung liegen sehen. Und hat Johnny Depp nicht über die ein Lied gemacht?

Hat er, so von einem gefallenen Hollywoodstar zum anderen, aber darum soll es heute nicht gehen. Der Untertitel des Comics von Sylvain Dorange und William Roy „Wienerin, Hollywoodstar, Erfinderin“ gibt mehr Hinweise als der Song, der vor allem bemängelt, dass Hedy Lamarr von Hollywood fallengelassen wurde wie eine heiße Kartoffel.

Der Comic hat mehr zu bieten. In fast naiv anmutenden Bildern zeigen die Autoren die Träume des kleinen jüdischen Mädchens Hedwig, die unbedingt Schauspielerin werden will, was ihr gelingt. Doch heiratet sie – mit Zustimmung ihres Vaters – einen machtbesessenen Waffenfabrikanten, eine gute Partie für eine Jüdin im Wien der Zwischenkriegsjahre, obwohl er dem Austrofaschismus mehr als nah steht. Doch der kauft die Kopien ihres ersten Films „Ekstase“ auf und verbrennt sie – Erotik, wie kann man nur.

Doch nicht nur über Hedwigs Privatleben hängen dunkele Wolken. Die Nazis werden auch in Österreich stärker, der Krieg rückt näher. Hedwig flieht, vor dem Ehegefängnis und den Nazis, erst nach London, dann in die USA. Nach Hollywood. Als „schönste Frau der Welt“ vermarktet, macht Hedy Karriere in der Traumfabrik.

Doch Hedy ist mehr als ein schönes Gesicht. Seit ihrer jüngsten Kindheit erfindet sie Dinge, als erklärte Gegnerin der Nazis will sie dazu beitragen, den Krieg zu gewinnen. 1940 meldet sie eine Funkfernsteuerung für Torpedos zum Patent an – durch selbstständig wechselnde Frequenzen schwer anzupeilen und so weitgehend zerstörungssicher. Das Militär hatte kein Interesse.

Das wird mit zunehmendem Alter der „schönsten Frau der Welt“ auch in Hollywood geringer, Charakterrollen in guten Filmen spielte sie selten, für andere wurde sie nicht mehr gebraucht. Nach ihrem Karriereende zog sie sich Anfang der 1950er Jahre aus der Öffentlichkeit zurück.

Dorange und Roy beschreiben das Leben Hedy Lamarrs in Schlaglichtern und konzentrieren sich dabei immer wieder auf den Sexismus, der alle Facetten von Lamarrs Leben prägte. Produzenten bemängeln die Größe ihrer Brüste, die Öffentlichkeit ihr Privatleben, in ihrem Namen erscheint eine erotische Autobiografie, die sie nie geschrieben hat (sie klagt gegen den Ko-Autor) – und ihre Erfindungen werden als die Ideen eines dummen Mädchens abgetan. Soll sie sich doch ihr hübsches Köpfchen nicht über so was zerbrechen.

Doch auch in der Comic-Biografie bleibt Lamarr seltsam blass. Eine eigene Meinung trauen ihr die Autoren auch nur teilweise zu, teilweise lassen sie Zeitungsartikel über sie berichten anstatt die Protagonistin selbst in die Auseinandersetzung gehen zu lassen. Und ihr Engagement gegen das Nazi-Regime bleibt bei Dorange und Roy darauf beschränkt, dass sie ihre Mutter aus Österreich rettet, Erfindungen macht (die nicht genutzt wurden) und ihre Werbung für die US-Kriegskredite.

Doch auch sie lassen das stehen, was Lamarr (und ihr Sohn, der für ihre Anerkennung als Erfinderin kämpfte) in den Mittelpunkt der Erinnerung an sie stellen wollten: Den Erfindergeist der Schauspielerin. Der Comic endet mit einem Bild ihres Grabes auf dem Wiener Zentralfriedhof. Unter einer technischen Skulptur und einer an Code erinnernden Darstellung ihres Gesichts steht dort: „Films have a certain place in a certain time period. Technology is forever“ (Filme haben einen bestimmten Platz in einer bestimmten Zeit. Technologie ist für immer).

Wer gleich nach der Zeitungslektüre wieder sein Smartphone in die Hand nimmt, kann noch einen Gedanken verschwenden an die „schönste Frau der Welt“. Ihre Erfindung zur Funkfrequenzsteuerung hat eine der Grundlagen für moderne Telekommunikation gelegt.

Sylvain Dorange, William Roy
Hedy Lamarr
Wienerin, Hollywoodstar, Erfinderin
Bahoe Books, 176 Seiten, 28 Euro
Erhältlich unter uzshop.de

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"Mehr als ein hübsches Gesicht", UZ vom 4. Oktober 2024



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