Der „Spiegel“ bemühte das Vaterunser und titelte am Samstag: „Sein Wille geschehe. Was Chinas Alleinherrscher Xi Jinping mit der Welt vorhat.“ Auf dem Heft war der KP-Vorsitzende abgebildet: Er hält auf einem Finger die Weltkugel wie einst Chaplins „Dictator“, also Hitler. Die sonstige „Berichterstattung“ zum 20. Parteitag der KP Chinas war gleichbleibend: „Allmachtsanspruch“ (FAZ), „Der Allmächtige“ (Spiegel), „Vergöttlichung“ (Süddeutsche Zeitung). Am Montag folgte noch das für Kommunisten reservierte verbale Erbrechen: „Bild“ ließ Franz Josef „Gossengoethe“ Wagner von „Dschingis Khan, Stalin, Hitler, Pol Pot“ und eben Xi Jinping plus Putin als „Schreckensgestalten“ halluzinieren. Der Parteitag war so auf den Bedarf des Bewusstseinskrieges gegen die eigene Bevölkerung reduziert. Einzige Ausnahme bildete wie jetzt häufiger die „Berliner Zeitung“, die mit dem Xi-Zitat „Kein Anspruch auf Hegemonie“ titelte.
Immerhin: Vor 122 Jahren wurde die „gelbe Gefahr“ noch mit Hängen, Köpfen, Verbrennen und Vergewaltigen bekämpft, bis „auf 1000 Jahre niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen“ (Wilhelm II.). Heutige Herrenmenschen kündigen den sicheren Triumph noch ohne „Expeditionskorps“ an.
Deutsche Kanonenboote kreuzen zwar wieder vor China, „Tornados“ flogen auch gerade vor dessen Küste, aber das Umbringen soll ökonomisch, sanft beginnen, zum Beispiel mit dem „Chip-Krieg“ – so das Branchenportal nextpit.de am Montag. Denn das US-Handelsministerium hat am 12. Oktober neue Sanktionen gegen die Industrie Chinas in Kraft gesetzt, durch die „nach Meinung von Experten die chinesische Halbleiterindustrie empfindlich geschädigt wird“. Am Dienstag meldete die „FAZ“: „Apple verzichtet auf chinesische Chips“, das „Bündnis“ mit Yangtze Memory Technologies sei gekündigt. Am Samstag hatte die Zeitung in einer ausführlichen Analyse dieses US-Embargos aus einer Grundsatzrede des Nationalen US-Sicherheitsberaters Jacob Sullivan zitiert. Er hatte darin in der vergangenen Woche gesagt: „Wir verfolgen eine moderne Industrie- und Innovationsstrategie, indem wir in unsere ökonomische Stärke und unsere technologische Führerschaft zu Hause investieren … Das ist die tiefste Quelle unserer Macht in der Welt.“
Eher schlicht waren da die zum Parteitag herausgekramten „Prognosen“ westlicher Korrespondenten, wonach die chinesische Bevölkerung demnächst drastisch schrumpfen wird. Tenor: Vergesst die Weltmacht. So schrieb zum Beispiel Friederike Böge (FAZ) am Sonnabend: „Eine Prognose der Schanghaier Akademie der Sozialwissenschaften geht davon aus, dass die Einwohnerzahl von derzeit 1,4 Milliarden bis zum Jahr 2100 auf 587 Millionen Menschen sinken könnte.“ Der Konjunktiv, den sie bereits im folgenden Satz zur Tatsachenaussage machte, war das schärfste Argument der Autorin. Sie leidet unter der fixen Idee: China ist am Ende – unklar ist lediglich, wann.
Der mediale Firlefanz verdeckt nicht den Ernst der Lage: Es geht wie 1900 um die „Macht in der Welt“ und da dürfen EU und BRD nicht zurückstehen. Am Dienstag gab die „Berliner Zeitung“ einen Bericht der „Financial Times“ über ein geheimes EU-Papier wieder, „in welchem China nicht mehr als Partner, sondern als Rivale gesehen wird“. Eine „Überprüfung“ der bisherigen Position zu China sei daher auch Gegenstand des Treffens der EU-Außenminister am Montag in Brüssel gewesen. Gleichzeitig äußerten sich die deutschen Geheimdienstchefs im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages zum Thema. BND-Chef Bruno Kahl nannte dort laut „dpa“ China eine „Bedrohung“, Verfassungsschützer Thomas Haldenwang folgte mit: „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel.“
Da hat einer der „gelben Gefahr“ wieder einen Namen gegeben.