Mal wieder ist es Zeit, die deutschen Qualitätsmedien auf klitzekleine Restdefizite hinzuweisen. Meist liegen sie im Bereich mangelnder Vergleichskompetenz. Im vorliegenden Fall der allgemeinen Empörung über Donald Trumps Idee, den Golf von Mexiko in „Golf von Amerika“ umzubenennen, ist es die Unfähigkeit, vor der eigenen Tür zu kehren. Was nämlich Wassernamen angeht, hieße das, sich in die Gefühle der sonstigen Anrainer des Baltischen Meeres zu versetzen. Der seit dem Mittelalter vorangetriebene Drang nach Osten, später übernommen vom deutschen Imperialismus, düpiert diese mit der Benennung „Ostsee“, die implizit andere Ansprüche auf dieses Gewässer negiert. Die baltischen Länder, aber auch Finnland, Polen und Russland nennen das Meer „baltisch“ – man stelle sich FAZ bis TAZ vor, Russland würde von nun an „Westsee“ in die Atlanten schreiben. Nur Dänen und Schweden benutzen zuweilen „Ostsee“, vorwiegend aber „Baltisches Meer“. Außer der deutschen sind alle Sprachen auf „Baltisches Meer“ festgelegt.
Wie auch immer – da bis dato das von den Guten verkabelte und von den Bösen entkabelte Brackwassergebiet zwischen Kiel und Leningrad trotz allem Sprachimperialismus immer noch nicht deutsch wurde, mag man die Unaufgeregtheit der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum verstehen. Sie überlässt es den USA, das Gewässer nach Belieben zu benennen, denn der Großteil des Golfs sei und bleibe so oder so mexikanisches Seegebiet. Das allerdings wäre noch größer, hätten sich die USA 1847/48 nicht mehr als 40 Prozent des mexikanischen Territoriums in einem Krieg – man müsste ihn gewiss „verbrecherischer Angriffskrieg“ nennen, wäre dieser Ausdruck nicht der 2022 aus der Taufe gehobenen Mutter aller irdischen Kriege vorbehalten – einverleibt.
Trotz dieser Annexion sind in der US-Geographie noch jede Menge spanische Sprachredukte verblieben, weshalb Herr Trump in seinen Pressekonferenzen noch einen beträchtlichen Vorrat an Ideen aus dem Köcher holen kann. Los Angeles könnte „The Angels“ heißen, Texas „Tiles“ (Dachziegel), El Paso wäre vielleicht „Transit“ und Las Vegas würde zu „Floodplain“ (Überschwemmungsgebiet).
Dann wäre da noch der italienische Name der USA selbst; bis Ende 2028 ist ja noch Zeit. Hierzulande mag man derweil über die Herkunft des Namens „Europa“ sinnieren.