Massenmord in Melilla

Mindestens 37 Menschen sind am vergangenen Freitag bei dem Versuch gestorben, die Grenzzäune zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla zu überwinden. Mindestens 70 wurden verletzt. Das berichtete die Marokkanische Vereinigung für Menschenrechte AMDH. Die marokkanische Regierung gibt die Zahl der Todesopfer mit 21 an. Sie sollen alle aus Ländern südlich der Sahara stammen.

Bis zu 2.000 Migranten hatten am 24. Juni versucht, über die drei Grenzzäune nach Melilla und damit auf spanisches Territorium zu gelangen. Marokkanische Einsatzkräfte provozierten dabei eine Massenpanik. Sie schossen mit Gummigeschossen auf die Migranten, bewarfen sie mit Steinen, setzten Tränengas ein und prügelten auf bereits auf dem Boden liegende Schwerverletzte ein. Der Fotojournalist Javier Bauluz berichtete auf Twitter: „Zuerst werden sie mit Tränengas angegriffen und fallen zehn Meter tief. Dann wird mit Gummigeschossen zwei Mal auf die Körper geschossen.“ Selbst auf der spanischen Seite der Grenze jagten marokkanische Sicherheitskräfte Fliehende und brachten sie zurück nach Marokko. Auch die spanische Guardia Civil beteiligte sich an diesen illegalen „heißen Abschiebungen“. In sozialen Netzwerken geteilte Videos zeigen neben dem oben Geschilderten, wie Polizisten Tote und Schwerverletzte zu einem Haufen türmen.

Menschenrechtsorganisationen in Marokko und Spanien fordern die vollständige Aufklärung der Vorfälle. Spanische Medien berichteten am Montag, seit Sonntag würden Massengräber auf einem Friedhof in Nador ausgehoben, einer Nachbarstadt Melillas, die auf marokkanischem Gebiet liegt. AMDH befürchtet, die Toten könnten begraben werden, ohne vorher identifiziert und obduziert zu werden. „Die Behörden wollen die Tragödie verschleiern“, äußerte sich ein Sprecher der Organisation. Journalisten seien daran gehindert worden, Verletzte in Krankenhäusern zu besuchen und den Friedhof zu betreten.

Pedro Sánchez, der sozialdemokratische Ministerpräsident Spaniens, lobte die marokkanischen Sicherheitskräfte, die einen „Angriff auf die territoriale Integrität“ seines Landes abgewehrt hätten. Als Oppositionsführer hatte er das Sterben an den Außengrenzen der EU einst selber angeprangert.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Massenmord in Melilla", UZ vom 1. Juli 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit