„100 Jahre Kapp-Putsch – 100 Jahre Generalstreik!“ Am 9. März sollte zu diesem Thema eine Veranstaltung in der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin stattfinden. Angekündigt war in diesem Zusammenhang ein Referat des marxistischen Historikers Reiner Zilkenat. Reiner hatte die Einladung zu dieser Veranstaltung am 24. Februar an Freunde und Kollegen verschickt. Drei Tage später erreichte uns die Nachricht von seinem Tod. Er wurde 69 Jahre alt.
Von 1970 bis 1976 studierte Reiner Zilkenat an der FU und an der TU Berlin Geschichte und Politikwissenschaft. Er war in der Folgezeit nicht nur als Historiker aktiv – so zur Geschichte Preußens –, sondern immer auch politisch engagiert: als Mitglied der SEW, der Sozialistischen Einheitspartei West-Berlins. Er arbeitete in deren Theoriezeitschrift „Konsequent“, in der von ihm in den 1980er Jahren viele Artikel über die Geschichte der Arbeiterbewegung, insbesondere der KPD, und des Kampfes gegen Faschismus und Krieg, zum deutschen Faschismus, zur Gründung der SED und der Geschichte der SEW erschienen. Im Mai 1989 promovierte er an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Berlin (DDR) mit einer Arbeit zum Berliner Metallarbeiterstreik 1930 und der Gründung des Einheitsverbandes der Metallarbeiter Berlins (EVMB).
Auch Reiner war von den Umbrüchen 1989/90 betroffen. Die SEW wurde auf einem außerordentlichen Parteitag am 29. April 1990 in „Sozialistische Initiative“ umbenannt. Diese löste sich im Juni 1991 auf. Einige Mitglieder kamen damals in die DKP, andere gingen in die PDS. Bereits Anfang 1990 waren alle hauptamtlichen Mitarbeiter entlassen worden. Das bedeutete auch für Reiner Zilkenat, dass er sich beruflich neu orientieren musste. Er engagierte sich in der Erwachsenenbildung. Ab 2005 lehrte Reiner Zilkenat an einer privaten Berufsfachschule in Berlin-Prenzlauer Berg.
Immer aber blieb er nicht nur der Geschichtswissenschaft treu, sondern auch politisch engagiert. Als wir uns kennenlernten, arbeitete Reiner aktiv in der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Rechtsextremismus/Antifaschismus beim Parteivorstand der Partei „Die Linke“ und im „Förderkreis Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung“ mit. Er hatte kein Problem, sein Wissen und seine Fähigkeiten auch der UZ, der Zeitung der DKP – wie auch der „jungen Welt“ und anderen linken Zeitungen –, zur Verfügung zu stellen. Und so erschienen bei uns einige Jahre lang zuvor geplante Artikel zur Geschichte der Arbeiterbewegung und zur Nachkriegsgeschichte. So 2017/2018 Beiträge zur Nachkriegsgeschichte – unter anderem sein Artikel „Atomkrieg inbegriffen: Sommer 1948: US-Kriegsplanungen gegen die Sowjetunion“. 2018 erschien sein Beitrag „Konterrevolution und ‚Antibolschewismus‘ – Eduard Stadtler“ im Sammelband des Neuen Impulse Verlags zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution, den Reiner auf einer Veranstaltung des „Marxistischen Arbeitskreises zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ bei der Partei „Die Linke“ gehalten hatte. Noch im November 2019 trat er mit einem Beitrag auf dem Seminar der Marx-Engels-Stiftung „Die DDR … nicht nur eine Fußnote der Geschichte“ in Essen auf. Sein Arbeitspensum wie seine historischen Kenntnisse waren bewundernswert.
Mit ihm verliert die marxistische Linke einen wichtigen Mitstreiter und viele zugleich einen guten Freund. Reiner wird – und das nicht nur als Historiker – fehlen.