Martin Schulz sondert manch Merkwürdiges ab, so kommt er zur Erkenntnis, dass man von Merkel lernen könne, die Nerven zu behalten, aber er sei eher der Bekennnertyp. Ohne sich damit lange aufzuhalten, kommt die Weisheit, das Kanzleramt und die CDU-Parteizentrale würden sich systematisch der Debatte um die Zukunft des Landes entziehen. Mit solchen Versatzstücken aus der Mottenkiste wahlkämpferischer Rhetorik meint der Mann allen Ernstes, die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen und ihre Stimmen bei der Bundestagswahl im September zu bekommen.
Der SPD-Wahlparteitag am letzten Sonntag in Dortmund bot das Spektakel, die Delegierten mit Kraftmeierei und Sentimentalitäten zu langanhaltendem Beifall zu bewegen, den TV-Kameras die gewünschten Bilder zu liefern und sich dabei bloß nicht eindeutig zu positionieren.
Auch diese Partei ist jetzt auf den Zug aufgesprungen, den die Partei „Die Linke“, die „Grünen“ und sogar die CDU schon nutzen, um als Adabeis mitreden zu können: Die Ehe für Alle. Ein Thema, welches nun mitten aus der Gesellschaft kommt, die Menschen in unserem Lande heftig bewegt, jedes Gespräch im Betrieb, Verein, Nachbarschaft und Familie dominiert. Wer dieses Instrument bürgerlicher Einhegung nicht in Frage stellt, dafür lieber über Modalitäten den Streit sucht, ist doch wirklich von der Rolle oder im Hamsterrad des Mainstreams.
Der Slogan, der alle Einzelpunkte begleitet, lautet: Gerechtigkeit ist die zentrale Voraussetzung für Zusammenhalt und Wohlstand. Klopft man diesem Spruch sein Marketingsprech ab, wird es arg dünn in der Argumentation. Keine Erläuterung, was denn gerecht sein müsste, ob dieses System überhaupt in der Lage sei, gerecht zu handeln, keine Vorstellung wird beschrieben, wie der Zusammenhalt (mit jedem und jeder?) aussehen und gestaltet werden soll. Nichts wird in Frage gestellt, die Bejahung des Bestehenden, die Anerkennung des Faktischen ist anscheinend die Grundbedingung für heutiges sozialdemokratisches Handeln.
Zu den wirklich wichtigen Fragen, den Problemen, die den arbeitenden Menschen tagtäglich alles abverlangen, um überhaupt zurecht zu kommen, dann nur Absichtserklärungen: Man will den Zusammenhalt gerade in Zeiten des Wandels sichern: Was soll denn zusammengehalten werden, was für ein Wandel ist gemeint? Nix, nur Genuschel. Man will sichere Renten, soll heißen, die Zwangsverrentung für Arbeitslose ab 63 bleibt, das niedrige Rentenniveau soll immerhin gesichert werden, man will bei Steuern und Abgaben die „„Normalverdiener“ entlasten, Spitzenverdiener und reiche Erben sollen hingegen mehr beitragen. Eine Vermögensteuer wird es mit dieser SPD nicht geben, diese Forderung wurde auf dem Parteitag elegant weggebügelt in eine Kommission. Die Parteispitze behauptet, sich in diesen unsicheren Zeiten für friedliche Konfliktlösung und Abrüstung einzusetzen und verschweigt, dass sie in den letzten 25 Jahren fast jeden Konflikt mit Waffengewalt und Aufrüstung unterstützt hat und sich in unseliger Tradition findet.
Bei allem verbalen Getöse, diese SPD-Führung hat die Chance nicht genutzt oder besser nicht nutzen wollen, ihre absehbare Opposition ab Herbst bereits jetzt inhaltlich zu beschreiben, lieber bastelt man sich und den Anhängern eine rosarote Wolke, auf der man bis zum Wahltermin meint, schweben zu können. Der Altkanzler Gerhard Schröder, der nicht nur mit der Agenda 2010 seine Duftmarke für eine völlig verfehlte SPD-Politik hinterlassen hat, durfte in Dortmund auch was vom Stapel lassen:
Martin Schulz sei der Richtige: „Du hast alles was du für das Amt brauchst. Und du hast eine kampferprobte Partei, die für dich da sein wird.“ Wer so gelobt wird, sollte sofort aufgeben.