Gerfried Tschinkel
Die Warenproduktion und ihr Ende – Grundlagen einer sozialistischen Wirtschaft
(Hochschulschriften 100)
PapyRossa Verlag, Köln 2017
101 Seiten, 12 Euro
Während marktkonforme Ideologieproduzenten den Untergang des Sozialismus in der DDR und andernorts auf eine prinzipielle Funktionsuntüchtigkeit einer jeden Planökonomie zurückzuführen versuchen, unternimmt es Gerfried Tschinkel, in seiner Schrift „Die Warenproduktion und ihr Ende“ darzulegen, dass die sozialistische Warenproduktion der Grund für das Scheitern der realsozialistischen Planwirtschaft war.
Nachdem der Autor die historische Entstehung der kapitalistischen Warenproduktion skizziert hat (S. 9–23), wendet er sich der Analyse dieser Produktionsweise zu, die Karl Marx vor allem in seinem Werk „Das Kapital“ entfaltet hat. Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Elementarform des kapitalistischen Produzierens – die Ware. Sie ist zunächst ein nützliches Ding, das menschliche Bedürfnisse befriedigt. Aber der Gebrauchswert der Ware ist bloß der stoffliche Träger des Tauschwerts der Ware, weil der Zweck des kapitalistischen Produzierens die unternehmerische Geldvermehrung ist. Aus investiertem Geld soll mehr Geld werden: Geld-Ware-Geld‘. Um zu klären, wie der Tauschwert zustande kommt, befasst Tschinkel sich mit den Grundzügen der Marxschen Werttheorie (S. 24 – 37). Derzufolge ist der Tauschwert der Ware die Erscheinungsform des Warenwerts, dessen Größe bestimmt ist durch die „gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“, die zur Herstellung der Ware erforderlich ist. Der Tauschwert der Ware drückt sich aus in der Geldware, so dass der Ware ein bestimmter Preis zukommt, der bei ihrem Verkauf realisiert wird. Dergestalt zeigt sich, dass der Wert keine Naturgegebenheit, sondern ein „gesellschaftliches Verhältnis“ ist, das der kapitalistischen Plusmacherei dient.
Anstatt nach der Abschaffung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln „die Negation der Negation“ ins Werk zu setzen (S. 38 – 43), indem die marktwirtschaftliche Warenproduktion mitsamt der Plusmacherei aufgehoben worden wäre, setzten die politischen Akteure laut Tschinkel im real existierenden DDR-Sozialismus aufs Imitieren der Marktwirtschaft. Installiert wurde auf der Basis volkseigener Betriebe die sozialistische Warenproduktion, in der jedoch nicht der Tauschwert, sondern der Gebrauchswert dominieren sollte. Um die eigentümliche Volkswirtschaft der sozialistischen DDR effizienter zu machen, wurde Mitte der 1960er Jahre eine neue Wirtschaftspolitik initiiert, die auf den „betrieblichen Gewinn“ und die „Eigenständigkeit der Betriebe“ orientierte (S. 47). Auf diese Weise sollte dem Wertgesetz, das im Kapitalismus den Warentausch regelt und die Profitlogik antreibt, auch im Sozialismus Geltung verschafft werden (S. 54 f.). Der sozialistische Staat wollte mittels dieser Maßnahme die Produktionsfondsabgabe (PFA), welche die Betriebe entsprechend ihrem Gewinn an ihn zu leisten hatten, erheblich erhöhen, um durch Staatsausgaben den gesellschaftlichen Wohlstand zu mehren (S. 66 ff.). Blockiert worden sei die volle Entfaltung des zerstörerischen Wertgesetzes – so führt Tschinkel aus – aber durch „Plan und Festpreis“ (S. 63). Lucas Zeise allerdings kritisiert die Methode der Festpreisbestimmung, weil sie auf dem marktwirtschaftlichen Wertgesetz basiere: Während sich im Kapitalismus die Bestimmung der Warenpreise gemäß dem Wertgesetz mittels der Konkurrenz der Unternehmen auf dem Markt hinter dem Rücken der Produzenten vollziehe, habe in der DDR eine staatliche Planbehörde die Preise der sozialistischen Waren bestimmt. Weil die Planbehörde das marktwirtschaftliche Wertgesetz absurderweise wie eine Naturgegebenheit als „objektives Gesetz“ betrachtet habe, versuchte sie, die Preise entsprechend der gesellschaftlich notwendigen Arbeit festzulegen, die zur Produktion der Waren verausgabt werde. So sei in Form der Festpreise „ein Imitat der Wirkungen des Marktes in der ungeplanten Tauschwirtschaft“ entstanden. Da es aber in der DDR keine Einzelkapitale gegeben habe, die um den größtmöglichen Profit konkurrierten, habe das sozialistische Marktimitat nicht die geldvermehrende Effizienz des kapitalistischen Originals entfalten können. (Marxistische Blätter, Heft 5, 2013, S. 43–51) Einig sind Tschinkel und Zeise sich darin, dass der Einbau marktwirtschaftlicher Elemente – vor allem der Installationsversuch des Wertgesetzes – in das Planwirtschaftssystem der DDR ein unverzeihlicher Fehler sei, der zur gehassten Mangelwirtschaft geführt habe: „Es traten Disproportionen nicht nur zwischen Zuliefer- und Finalproduzenten ein, es kam auch verstärkt zu Ausfällen bei dringend nötigen Endprodukten und Leistungen“ (S. 59). Infolgedessen verlor der real existierende Sozialismus die Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit, sodass die SED schließlich vorm kapitalistischen Marktwirtschaftssystem kapitulierte.
Dass auch der Marktsozialismus à la Joachim Bischoff (S. 39), dessen Markt vom sozialistischen Staat so reguliert werden soll, dass er dem Gemeinwohl diene, keine Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft sei, zeigt sich laut Tschinkel am Marktsozialismus in China, wo „die Arbeitskraft heute eine Ware“ sei (S. 75). Zu ergänzen ist, dass in China derzeit die sozialistische Marktwirtschaft derart umgebaut wird, dass der Markt nicht mehr lediglich die „tragende Rolle“, sondern künftig die „entscheidende Rolle“ spielen soll. Realisiert wird dergestalt die „Befreiung“ der chinesischen Marktwirtschaft von staatlichen Auflagen und Steuerungsversuchen, damit die chinesischen Lohnabhängigen als betriebswirtschaftliches „Humankapital“ effizient für die unternehmerische Geldvermehrung vernutzt werden können. Wie es dagegen in einer Gesellschaft, deren Produktionszweck nicht der Gewinn der Unternehmen, sondern das gute Leben aller Menschen ist, zugehen wird, weiß Friedrich Engels, den Gerfried Tschinkel (S. 78) so zitiert: „Die Leute machen alles sehr einfach ab ohne Dazwischenkunft des vielberühmten ‚Werts‘.“