Nach 81 Jahren wieder deutsche Panzer in Russland. Der Vorsitzende des deutschen Verteidigungsausschusses findet das „legitim“

Marder in Kursk

Die russischen Grenztruppen und die Armee wurden am 6. August vom Vorstoß von Kiewer Truppen in den Oblast Kursk überrumpelt. Verwendet wurden dabei auch deutsche Schützenpanzer vom Typ „Marder“. 81 Jahre nach der Schlacht am Kursker Bogen und der gescheiterten Offensive der Wehrmacht in derselben Region erklärte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP), der Einsatz der „Marder“ und eventuell von „Leoparden“ durch die Ukraine sei erstens legitim und zweitens gehörten diese Waffen seit der Übergabe an die Ukraine faktisch dieser.

Zwar verlangsamte sich die Militäraktion bis Dienstag dieser Woche deutlich, aber noch immer rückten die ukrainischen Truppen punktuell vor. Russische Kriegsbeobachter, die in ihren Blogs die „Spezialoperation“ unterstützen, forderten wie vor einem Jahr nach der Meuterei der „Wagner“-Privatarmee im Besitz Jewgeni Prigoschins erneut die Ablösung von Generalstabschef Waleri Gerassimow. Er hatte am 7. August Präsident Wladimir Putin vor laufenden Kameras berichtet, die Kiewer Einheiten seien gestoppt. Laut NZZ war am 12. August „eine ukrainische Militärpräsenz … auf rund 500 Quadratkilometern russischen Territoriums nachweisbar“. Das sei nicht gleichbedeutend mit einer völligen Kontrolle, weil die Lage vielerorts unübersichtlich bleibe, aber in manchen Dörfern hätten die Kiewer Truppen „seelenruhig ihre Fahnen an öffentlichen Gebäuden“ gehisst. Kiew selbst behauptete, es habe ein Gebiet von ungefähr 1.000 Quadratkilometern erobert. Nicht gelungen ist nach übereinstimmenden Berichten die Eroberung des Hauptortes Sudscha und auch nicht der Einmarsch in den westlich angrenzenden Bezirk Korenewo. Allerdings meldeten Kriegsblogger am Dienstag heftige Kämpfe nördlich von Sudscha.

Die Kiewer Führung äußerte sich bis zum Wochenende faktisch nicht zu der Aktion. Präsident Wladimir Selenski nahm erstmals am Samstag Stellung und erklärte in seiner abendlichen Videoansprache, Armeechef Alexander Sirski habe ihm über „die Vorverlagerung des Krieges in das Gebiet des Aggressors“ berichtet. Am selben Tage berichtete die Londoner „Times“, Selenski habe die Entscheidung zum Angriff auf Kursk persönlich und gegen den Rat seiner Generäle getroffen, um den weltweit Raum gewinnenden Eindruck zu entkräften, die Ukraine sei dabei, den Krieg gegen Russland zu verlieren. Deshalb habe der Präsident einige der kampfkräftigsten Brigaden von der unter Druck stehenden Front im Donbass abgezogen. Die „Times“ bezeichnete diesen Entschluss als den „riskantesten“, den Selenski bisher getroffen habe. Die Bundesregierung sprach am Montag ebenfalls über eine „offenbar sehr geheim und ohne Rückkoppelung vorbereitete Operation“. Der russische Auslandsgeheimdienst warf am Dienstag Selenski „wahnsinnige“ Maßnahmen vor. Er riskiere eine Eskalation weit über die Ukraine hinaus.

Dieser hatte am Montag den Angriff als „eine reine Sicherheitsfrage für die Ukraine, um die Grenze vom russischen Militär zu befreien“, bezeichnet. Zugleich verlangte er vom Westen erneut die Erlaubnis, weitreichende Raketen gegen Russland einsetzen zu dürfen.

Russland startete eine Antiterroroperation gegen den ukrainischen Angriff. Nach Angaben der örtlichen Behörden vom Dienstag hatten in Kursk 121.000 Menschen ihre Wohnungen und Häuser verlassen, 59.000 weitere sollten folgen, im Nachbar-Oblast Belgorod 11.000. Der Oblast Kursk hat etwa 1,1 Millionen Einwohner. Auf einer Sitzung in Moskau erklärte Putin am Montag: „Die Hauptaufgabe des Verteidigungsministeriums besteht nun darin, den Feind aus unseren Gebieten zu vertreiben und eine zuverlässige Grenzsicherung zu gewährleisten.“

Am Dienstag teilte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) nach einer Inspektion des beschädigten Kühlturms im von Russland kontrollierten Atomkraftwerk Saporoschje mit, sie könne die Ursache des Brandes vom Wochenende nicht sofort feststellen: „Das Team kann auf Basis der bisherigen Erkenntnisse und Beobachtungen keine endgültigen Schlüsse über die Brandursache ziehen.“ Es seien keine direkten Anzeichen für Drohnenreste gefunden worden, gleichzeitig sei es unwahrscheinlich, dass das Feuer zunächst am Fuß des Kühlturms ausgebrochen sei.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Marder in Kursk", UZ vom 16. August 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit