Die DKP hat in Marburg eine lange – auch parlamentarische – Tradition. Seit 50 Jahren setzen sich Kommunistinnen und Kommunisten dort als gewählte Stadtverordnete für die Interessen der arbeitenden Menschen ein. Über viele Jahre trat unsere Partei zu den Kommunalwahlen erfolgreich mit einer eigenständigen Liste an. Seit 1997 gibt es in der Universitätsstadt an der Lahn die Bündnisliste „Marburger Linke“, der neben der DKP die Partei „Die Linke“ und unabhängige Genossinnen und Genossen angehören. Seit dem 5. Dezember vergangenen Jahres wird die siebenköpfige Fraktion wieder von einer Genossin mit DKP-Parteibuch angeführt. Die neue Vorsitzende ist Tanja Bauder-Wöhr (DKP), die Renate Bastian (Partei „Die Linke“) ablöste. Zu ihrer Stellvertreterin wurde Anja Kerstin Meier-Lercher (Partei „Die Linke“) gewählt.
Die Fraktion hat sich mit ihrer neu gewählten Spitze vorgenommen, die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre fortzusetzen. Grundlage ist und bleibt dabei das Wahlprogramm der Marburger Linken von 2021. Schwerpunkte der Arbeit werden die Bereiche Soziales, Bauen und Wohnen, Verkehr und ökologische Transformation bleiben. Angesichts der zunehmenden Armut soll als parlamentarische Opposition gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen politischer Druck auf die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Klimaliste ausgeübt werden.
Dabei ist Marburg in einer Sondersituation. Während die Hessische Landesregierung in ihrem Sozialbericht eingestehen musste, dass jeder sechste Einwohner armutsgefährdet ist, kann die Universitätsstadt dank der Gewerbesteuern der ansässigen Pharmaindustrie als reich bezeichnet werden. Trotz der „BioNTech-Millionen“ ist der Anteil der Menschen, die in Armut leben müssen, jedoch nicht geringer als im Landesdurchschnitt. Dies geht sowohl aus dem Armutsbericht der Stadt Marburg als auch durch die im Sommer veröffentlichte Milieustudie hervor. In einem Ranking vergleichbarer Städte belegt Marburg bei der Kinderarmut in der Negativtabelle in der „Spitzengruppe“ den traurigen vierten Platz. Für eine reiche Stadt wie Marburg ist dies zweifellos – nicht nur in finanzieller Hinsicht – sprichwörtlich ein Armutszeugnis.
Daher fordert die Marburger Linke, dass hier schleunigst gegengesteuert werden muss. Gemeinsam mit sozialen Initiativen aus der Gemeinwesenarbeit über politische Gruppierungen bis hin zum lokalen DGB wurden Gegenmaßnahmen formuliert und die politisch Verantwortlichen zum Handeln aufgefordert. So entstand auch die Idee, für Marburg einen Sozialfonds einzurichten. Hierfür sollen 8,5 Millionen Euro im Haushalt bereitgestellt werden. daraus könnten unbürokratisch, flexibel und schnell verschiedenste Maßnahmen wie zum Beispiel Gutscheine für energiesparende Geräte, Verhinderung von Strom-, Gas- oder Wassersperren bis hin zu Wohnraumschutz unterstützt beziehungsweise angestoßen werden.
Denn auch in einer reichen Stadt wie Marburg ächzen die Menschen unter den Teuerungen. Die Preise für das tägliche Leben von Lebensmitteln über Energiekosten bis hin zu den Mietpreisanstiegen explodieren. Die Inflationsrate hat längst die 10-Prozent-Hürde geknackt, während die Löhne dieser Entwicklung hinterherhinken. Hinzu kommt der Krieg in der Ukraine und ein 100-Milliarden-Euro-Paket für Militärausgaben. Es breiten sich Existenzängste aus. In dieser Situation könnte Marburg eine Vorbild-, ja, eine Vorreiterrolle einnehmen, indem die Stadt ihrer originären Aufgabe nachkommt und in die städtische Daseinsvorsorge und Infrastruktur investiert. Stattdessen wird von der Regierungskoalition diskutiert, wie man das viele Geld gewinnbringend am Aktienmarkt anlegt. Und – last but not least: Jeder Euro, der in der heutigen Zeit für Klimaförderungsprogramme eingesetzt wird, wäre nicht nur ein richtiges Zeichen, sondern auch dringend notwendig, um unser aller Zukunft gemeinsam zu gestalten, und zwar tatsächlich sozial, ökologisch und modern.