In Leipzig wollen die Mieter nicht mehr

Mangelwirtschaft

In Leipzig demonstrierten am vergangenen Samstag über 3 500 Menschen gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn. Das war eine Verdreifachung der Teilnehmerzahlen gegenüber der ersten Demonstration im April 2018, das Durchschnittsalter lag geschätzt bei Ende 20. „Wir wollen das nicht mehr aushalten“, hieß es bei Teilnehmen der Demonstration.

Leipzig ist die bundesdeutsche Großstadt mit der zweithöchsten Armutsquote, 22 Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Die Einwohnerzahl ist seit 2012 um 61800 Personen auf 590337 angestiegen. Von 2001 bis 2018 ist gewissermaßen eine ganze Großstadt nach Leipzig „eingewandert“. Und wie andere Großstädte ist Leipzig eine Mieterstadt: 86 Prozent ihrer Einwohner wohnen zur Miete.

Die Renditeaussichten auf dem Leipziger Wohnungsmarkt haben die Immobilienpreise seit 2010 um 50 Prozent steigen lassen. Bis 2030 ist von einer weiteren Steigerung um wenigstens 40 Prozent auszugehen. Der Mehrbedarf an Wohnungen beträgt bis 2030 mindestens 30000 bis 60000 Wohnungen. Jährlich sind mindestens 3 000 bis 4 000 neue Wohnungen nötig, um das Defizit an Wohnungen auszugleichen.

Der Wohnungsleerstand ist durch gezielten Abriss innerhalb der letzten sieben Jahre von 12 auf 2 Prozent gesunken. Der Gesamtumsatz auf dem Leipziger Immobilienmarkt hat sich auf 2,8 Mrd. Euro erhöht, 2010 waren es 960 Mio. Euro. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen, wächst beständig. Selbst für Sozialwohnungen, deren veranschlagte Anzahl wieder reduziert wurde, werden inzwischen 10 Euro/qm prognostiziert. Bereits jetzt beträgt das Verhältnis zwischen Nettoeinkommen und aufgewendeter Miete in Leipzig 37 Prozent.

Verschiedene Netzwerke, Mieter- und Nachbarschaftsinitiativen vereinten ihre Proteste. Die Losungen waren deutlich: „Das ist unser Haus – schmeißt die Spekulanten raus“ oder „Es hilft kein Schwätzen – nur Widersetzen“. In ihren Redebeiträgen machten sich die Betroffenen Luft, auch hinsichtlich der Zerstörung der grünen Lunge Leipzigs und seiner kreativen Szene. Sie dankten für den Zusammenhalt, der Mut zum Widerstand befördert. Die wohnungspolitischen Forderungen unterschieden sich nicht grundlegend von denen in anderen Städten, Patentrezepte gibt es nicht. Die Forderung nach Enteignung und Vergesellschaftung der großen Miethaie wurde mehrfach erhoben, denn der Markt richtet nichts bei der Versorgung mit günstigem Wohnraum. In einer abschließenden Podiumsdiskussion mit Kommunalpolitikern unterstrich Erik Wolf (DGB) den Zusammenhang des gewerkschaftlichen Kampfes mit dem Kampf gegen die Unterwerfung der Wohnungsfrage unter die Profitlogik.

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"Mangelwirtschaft", UZ vom 12. April 2019



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