Manches ist noch nicht in Sack und Tüten

Herbert Münchow, DKP Leipzig

Der Entwurf des Leitantrages des Parteivorstandes an den 22. Parteitag ist ein recht unfertiges Dokument. Diese Erkenntnis ist nicht neu, Genosse Köbele hat das selbst öffentlich gemacht und darauf hingewiesen, dass die Erarbeitung eine schwere Geburt war. Unter diesen Umständen ist immer Klärungsbedarf angesagt. Ich würde mich persönlich in vielen Fragen eher der Kritik der Genossinnen und Genossen aus Gießen anschließen. Mir scheint auch, dass der Leitantrag darunter leidet, dass nichts vergessen werden soll. Der Leitantrag ist kein Parteiprogramm. Sein Sinn für uns und andere muss erkennbar sein. Vielleicht könnte er kürzer werden, wenn wir den Mut zur Lücke aufbringen. Uns auf den Grundgedanken – das antimonopolistische Bündnis, das ein demokratisches Bündnis ist, und die Klassenpolitik im Sinne des Kommunistischen Manifestes, wozu der proletarische Internationalismus gehört –, konzentrieren. Den größten Teil sollten die gut durchdachten Aufgaben der DKP einnehmen.

Der Stil des Antrages ist an einigen Stellen stark journalistisch. Solche Begriffe wie „Standbein“, „Flaggschiff“ und „Schnittstelle“ gehören meines Erachtens nicht in einen Leitantrag der DKP. Es gibt Formulierungen – z. B. zum „schlanken Staat“ die wenig durchdacht sind. Solche Propaganda gegen den Staat macht ja die Monopolbourgeoisie nicht, weil sie ihn nicht braucht. Sie hat ihn sich ohnehin angeeignet bei der heutigen Verflechtung. Sie macht das, weil schlank werden soll, was dem Sozialen dient.

Es ist natürlich klar, man kann die bürgerliche Demokratie zur Fiktion erklären, um dann ihren Abbau zu beklagen. Aber gerade die sehr wichtige Demokratiefrage ist teilweise etwas unklar dargestellt. Da wird vom „Kampf um die Demokratie unserer Epoche“ und dem „Hauptinhalt aller Facetten des demokratischen und antifaschistischen Kampfes“ gesprochen. Und damit nichts vergessen wird, kommt die EU noch mit ins Spiel. Wer aber sagt, um welche Demokratie es sich handelt, dass wir sie als politisches System verstehen (nicht einfach nur als Regelwerk und System von Rechten und Formen), zu dem der Repressionsapparat gehört. Und dass es für uns darum geht, den Kampf um Demokratie mit dem Kampf um Sozialismus zu verbinden?

Wir sprechen von der grundlegenden Aufgabe der DKP, Klassenbewusstsein zu entwickeln. Vielleicht sollten wir hier auch sagen, dass dies die schwerste Aufgabe ist, an der wir am meisten zu knabbern haben. Hier wäre ich sogar dafür, die Ursachen der Schwierigkeiten kurz zu benennen. Wir müssen auch aufpassen, dass wir aus bestimmten Formulierungen nicht Leerformeln machen, weil sie wie ein Standard rüberkommen. Die richtige Orientierung auf die Veränderung des Kräfteverhältnisses (welches eigentlich?) ist so ein Beispiel. Das Kräfteverhältnis wirkt recht abstrakt in unserem Leitantrag. Und mit der Klassenfrage schlechthin kann man auch nichts und niemandem entgegensteuern.

Die Zeilen sind begrenzt. Deshalb noch kurz zum DDR-Teil. Es gibt da verschiedene Überschneidungen mit mehreren anderen Teilen im Antrag. Dass es einen eigenständigen DDR-Teil gibt, fanden alle Anwesenden auf der Ostberatung in Leipzig völlig richtig. Unproblematisch war die Debatte trotzdem nicht. Denn es sollte nicht die Kernfrage zerrissen werden, dass es in Ost und West nur einen Kapitalismus gibt. Und es sollte realistisch zugehen. Mich stört die Formulierung „besondere Kraft“ (die Brandenburger Genossen sprechen jetzt von einer „besonderen Rolle“, das ist etwas Anderes). Eine besondere Kraft unter der großen Überschrift: „Kräfte im Kampf um eine Wende“ (ein scheußliches Wort) „und die Aufgaben der DKP“ erfordert einiges an Homogenität. Ich teile die Auffassung von der besonderen Kraft nicht. Ich bin auch nicht so optimistisch zu behaupten, dass es im Osten der Republik, dem Territorium der ehemaligen DDR, also meinem Land, noch ein überwiegend großes Potential aktiven marxistisch-leninistischen Wissens gibt. Viele, von denen man es nicht erwartet hätte, fanden sich ganz woanders wieder – nicht zuletzt Gesellschaftswissenschaftler. Es gibt Erfahrungen, es gibt Erinnerungen, es gibt Ehrlichkeit zum Leidwesen der Regierenden, es gibt alten Zusammenhalt, Solidarität, Gemeinschaftssinn – nicht überall. Es gibt Wut, es gibt die Wiederbelebung marxistischen Wissens aus der Erfahrung mit dem Kapitalismus heraus usw. Es gibt marxistisch-leninistisches Wissen bei verschiedenen Intellektuellen. Es gibt Anpassung und Mutlosigkeit.

Man kann die Dinge schließlich nicht so darstellen, als gäbe es noch die Arbeiterklasse der DDR, nachdem vorher im Leitantrag gesagt wurde, dass es sie nicht mehr gibt. Sie war nach der Definition „machtausübend“. Es sollte auch auf Widersprüche im Sozialismus hingewiesen werden, denn hier – wie überall – gilt die Dialektik.
Ich denke, wir kriegen das hin.

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"Manches ist noch nicht in Sack und Tüten", UZ vom 6. Dezember 2019



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