Wenig Inhalt, viel Akzeptanz – Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei diskutieren über Rot-Rot-Grün

Man ist sich sympathisch

Von Peter Weyland

Siehe auch den Kommentar

Tusch und kleine Gesten

Auf Einladung des „Forums Demokratischer Sozialismus“ (fds) diskutierten am vergangenen Samstag in Leipzig Spitzenvertreter von Linkspartei, SPD und Grünen zum ersten Mal öffentlich miteinander über eine mögliche rot-rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2017. Über die Frage „Dem Trübsinn ein Ende: Gibt es eine Chance auf r2g und für einen Politikwechsel nach der Wahl?“ sprachen der Linkspartei-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley und der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter.

Rund 200 Zuschauer waren zur Veranstaltung in die Leipziger Konsumzentrale gekommen, Angela Marquardt und Juliane Witt moderierten. Um es vorwegzunehmen: Neues zu Positionen, Annäherungen und Streitpunkten gab es an diesem Abend nicht.

Die Diskutanten waren sich über weite Strecken einig, dass Merkels Politik für die Krise Europas und der Demokratie verantwortlich sei und ein „weiter so … das Land und Europa zum Scheitern bringen“ werde (Bartsch). Allerdings sei es nicht ausreichend, „Merkel muss weg“ zu fordern. Vielmehr sei die gesellschaftliche Hegemonie alternativer Ideen notwendig, um Europa zu retten. Denn dieses Europa gelte es zu bewahren. Und hier sind wir beim eigentlichen Problem der Annäherung der drei Parteien. Die SPD sieht sich als „das geringste Problem in dieser Geschichte“ (Barley), obwohl sie keine Probleme mit großen Koalitionen hat. Auch die Grünen sind nebenbei offen für Koalitionen mit der CDU. Dass das Erringen der Hegemonie für emanzipatorische Positionen Ergebnis eines Kampfes ist, ist hier kein Thema. Klassenpositionen werden aber von der einzigen Kraft, die sie vertreten könnte, der Linkspartei, außen vor gelassen. Das Fehlen gewerkschaftlicher Unterstützung für „r2g“ wurde zwar beklagt, der potentielle sozialdemokratische Partner an diesem Punkt aber nicht in die Verantwortung genommen. Allein Hofreiter benannte auch inhaltliche Punkte, die er auf der Tagesordnung sehe: Abkehr von der Austeritätspolitik, Überwindung der Spaltung der Gesellschaft, die ökologische Transformation. Allerdings tat er dies eher als Mahner, konkrete Forderungen und Konzepte kamen auch bei ihm nicht zur Sprache. Ansonsten erging man sich in Allgemeinplätzen und Ratlosigkeit zur Rechtsentwicklung in Europa und der Welt. Als habe diese nichts mit den kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen und Verwertungsbedingungen zu tun, sondern sei schlicht ein Hereinfallen auf Parolen von Parteien, die anderes wollten, als sie vorgeben. Und für Hofreiter haben viele Wähler der AfD die Geduld verloren, auf andere Regierungskonstellationen zu warten. Katarina Barley erinnerte daran, dass die Politik nicht von jetzt auf gleich Gerechtigkeit herstellen könne. Insgesamt konnte man den Eindruck gewinnen, als sei eine andere Politik, eine Politik im Sinne der Mehrheit der Menschen, nur eine Frage des Willens der regierenden Parteien. Dietmar Bartsch vermisste den Machtwillen bei der SPD, maß dem neuen Berliner Senat eine herausragende Bedeutung zu und mahnte die Akzeptanz des Anderen als Voraussetzung von Koalitionsüberlegungen an. Ob dies auch die Unterschiedlichen Auffassungen z. B. zu Kriegseinsätzen und Privatisierung öffentlichen Eigentums angeht, sagte er allerdings nicht. Man war sich dann auch darin einig, dass es vor der Wahl keine Koalitionsaussagen geben dürfe, um einen Lagerwahlkampf zu verhindern, denn dieser sei „unmöglich“(Bartsch).

Wie dieses vorsichtige Geplänkel in der Linkspartei aufgenommen wird ist noch offen. Eine starke Position linker Politik war bei Bartsch nicht zu erkennen. Die Zuschauer jedenfalls applaudierten begeistert. Offensichtlich ist die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung wichtiger als die Inhalte der zukünftigen Politik.

Einige Bonmots rutschten den Diskutanten dann doch noch heraus. Die RentnerInnen in unserem Land seien keinesfalls von Armut bedroht, denn „viele haben weitere Einkommensquellen“(Barley), „in den letzten 10 Jahren ist nicht nur alles besser geworden“ (Hofreiter), und „die Kampagne ‚Kohl muss weg‘ war sehr erfolgreich“ (Bartsch) – ob er damit auch Hartz IV und den Jugoslawienkrieg meinte, sagte er nicht.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Man ist sich sympathisch", UZ vom 2. Dezember 2016



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit