„Das Militärregime in Bamako geht gegen diejenigen vor, die Mali helfen wollen“, entrüstete sich die „FAZ“ am 21. Januar. Woher nur der Undank, wo sich europäische Herrenmenschen doch so selbstlos für die Interessen der Eingeborenen einsetzen?
Auf massive Sanktionen der Westafrikanischen Staatengemeinschaft (ECOWAS) und der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) gegen Mali hatte die Übergangsregierung des Landes mit Grenzschließungen und Überflugverboten reagiert. Eine eher verzweifelte Reaktion – als Binnenland leidet Mali erheblich mehr unter den geschlossenen Grenzen als seine am Atlantik liegenden Nachbarn.
Das Überflugverbot aber traf. Am 19. Januar verweigerten malische Behörden einer A400M-Transportmaschine der Bundeswehr den Überflug über ihr Territorium. Sie wurde nach Gran Canaria umgeleitet. „Ein inakzeptabler Vorgang, ja unfreundlicher Akt, der umgehend geklärt werden muss“, keifte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des „Verteidigungsauschusses“ des Bundestags.
Die bürgerliche Presse Deutschlands und Frankreichs ist sich einig: Der „Einsatz“ ihrer Streitkräfte in Mali stehe „auf der Kippe“. „Verteidigungsministerin“ Christine Lambrecht (SPD) sieht das anders. „Wir werden nicht weichen, so einfach machen wir es den Russen nicht“, erklärte sie der „Welt am Sonntag“. Malis Übergangsregierung hatte kürzlich bestätigt, dass Ausbilder der russischen Militärfirma Wagner in Mali aktiv sind – mit dem gleichen Mandat wie EUTM, die „Ausbildungsmission“ der EU. Lambrecht weiter: „Moskau wird es nicht gelingen, über die Entsendung von Söldnern den Westen quasi automatisch überall dort zum Rückzug zu bewegen, wo Russland uns nicht sehen will.“ Wolle man die Bundeswehr im Land haben, müsse man auch dafür sorgen, dass die Bedingungen stimmten.
Nur wollen die Malier weder die Bundeswehr noch die französische Armee in ihrem Land haben. Viele werfen insbesondere der französischen Regierung vor, Terrorismus nicht zu bekämpfen, sondern ihn zu befördern.
Mehrere hunderttausend Malier folgten einem Aufruf der Übergangsregierung, gegen die Sanktionen zu demonstrieren. Fast 60.000 gingen alleine in Bamako auf die Straße, wo neben malischen auch russische Fahnen wehten. Russland und China hatten im UN-Sicherheitsrat eine französische Resolution zur Unterstützung der westafrikanischen Sanktionen blockiert.
Malis Übergangsregierung hatte die am 9. Januar verhängten Sanktionen als illegal und unmenschlich bezeichnet. Nicht nur sie vermutet, die Strafmaßnahmen gingen auf den Einfluss Frankreichs zurück. Sie umfassen Grenzschließungen, den Abbruch diplomatischer Beziehungen sowie ein Finanz- und Handelsembargo. Als einziges ECOWAS-Mitglied hatte Guinea angekündigt, die Sanktionen nicht umzusetzen.
Offizielle Begründung für die Sanktionen: Die Übergangsregierung hatte die eigentlich für Februar diesen Jahres angesetzten Neuwahlen um bis zu fünf Jahre verschoben. Weshalb, unterschlagen bürgerliche Medien zumeist. Wahlen zum jetzigen Zeitpunkt würden nur das komatöse Präsidialsystem gaullistischer Prägung am Leben halten. Der Aufschub soll dazu dienen, das Staatswesen Malis auf ein solides Fundament zu stellen. Die Idee kommt nicht von der Übergangsregierung, sondern von den von ihr beauftragten Nationalen Versammlungen zur Neugründung Malis. In ihnen sammeln Verwaltungsangestellte aller Ebenen Empfehlungen zur Restrukturierung der Politik. Im Dezember tagten solche Versammlungen in 649 der 725 Kommunen Malis.
Die Restrukturierung wird den Maliern gelingen, wenn man sie nur lässt. Als Sundiata Keïta Anfang des 13. Jahrhunderts das Königreich Mali gründete, proklamierte er die Manden-Charta. Sie gilt als älteste Verfassung und Erklärung grundlegender Menschenrechte der Welt.