Albrecht Dürer wurde vor 550 Jahren, am 21. Mai 1471, in die Renaissance hineingeboren, eine Zeit des Umbruchs, die die frühe Neuzeit einläutete. Verbesserte Produktionsmethoden ließen Industrie und Handel rasant anwachsen, was mehr Geld und das Erstarken einer neuen Mittelschicht mit sich brachte. Die moderne Wissenschaft entwickelte sich, alte Wahrheiten wurden in Frage gestellt. Das Volk begann, seinen festgelegten Platz in den sozialen, politischen und religiösen Hierarchien anzufechten. Bauern erhoben sich gegen den Adel.
Ausdruck dieser gesellschaftlichen Veränderungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts war die Reformation in Deutschland. Das aufstrebende Bürgertum in den Ländern nördlich der Alpen erkannte die Notwendigkeit, mit dem Papsttum zu brechen. Das traf besonders auch auf Deutschland zu. Doch verfügten die oppositionellen Schichten noch nicht über genügend wirtschaftliche und politische Stärke, das Papsttum den eigenen Bedürfnissen zu unterstellen. Die Reformationsbewegung, die mit Wyclif in England ihren Anfang nahm, setzte sich mit Hus in Böhmen fort und erreichte ihren Höhepunkt in Deutschland. Eine breite Volksbewegung war Teil dieser Kämpfe.
In Deutschland kam es bald zu einer Aufspaltung innerhalb der Kräfte, die die Reformation ausgelöst hatten. Als die großbürgerlichen Patrizier begriffen, dass die Reformation auf den totalen Bruch mit Rom hinauslaufen könnte und dass innerhalb der Bewegung Kräfte entstanden waren, die über die bürgerliche Klassengesellschaft hinaus zielten, wandten sie sich wieder dem Papsttum zu.
Wie Engels in „Der Deutsche Bauernkrieg” beschreibt, fürchtete Luther die sozial explosive Wirkung, die seine Herausforderung der römischen Hierarchie auf die Bauern hatte, die dies als Legitimation für Bestrebungen verstanden, ihr eigenes Los zu ändern. Luthers theologische Reform rüttelte keineswegs an den weltlichen Klassengegensätzen.
Thomas Müntzer wurde zum Führer der aufständischen Bauern, des Bauernkrieges gegen die alte Feudalordnung, während Luther mit dem Bürgertum gemeinsame Sache gegen die revolutionären Bauern machte, die Vereinigung aller objektiv revolutionären Kräfte verhinderte und damit den großen gesellschaftlichen Wandel um Jahrhunderte zurückwarf. Die Bauern und ihre plebejischen Verbündeten in den Städten wurden vernichtend geschlagen und Müntzer enthauptet.
Der Einfluss der Bauernschaft auf die deutsche Kunst der Reformationszeit ist in etlichen Flugschrift-Holzschnitten aus dem frühen 16. Jahrhundert und besonders in einer Vielzahl von Drucken Dürers und seines Kreises nachvollziehbar. Die Ausstrahlung Dürers ist auch in den Werken seiner Zeitgenossen Grünewald, Riemenschneider, Jörg Ratgeb und vieler anderer Künstler erkennbar und stellt in der deutschen Kunst der Reformationszeit einen eindringlichen Bezug zum Volk her.
Dürer wurde in Nürnberg als Sohn eines Goldschmieds geboren, absolvierte eine dreijährige Lehrzeit in der Werkstatt von Michael Wolgemut, reiste in seinen vier Gesellenjahren nach Basel und Straßburg und kehrte schließlich nach Nürnberg zurück. Zwei weitere Fahrten führten ihn über die Alpen nach Italien, das erste Mal 1495, das zweite Mal 1505/06, beide Male mit einem längeren Aufenthalt in Venedig verbunden. In einer dritten Reise besuchte er 1520/21 die Niederlande.
Einem außergewöhnlichen Porträt, das Dürer von seiner Reise in die Niederlande zurückbrachte, liegt eine tatsächlichen Begegnung zugrunde. Die Darstellung der 20-jährigen Dienerin Katharina ist ein großartiges Zeugnis seines Interesses an Menschen. Der Sklavenhandel als integraler Bestandteil des sich verstärkenden internationalen Handels brachte erstmals vermehrt auch Menschen afrikanischer Herkunft nach Europa. Katharina, deren Name nahelegt, dass sie zum Christentum übergetreten war, gehörte dem Haushalt des Handelsvertreters João Brandão an, der in Antwerpen das portugiesische Gewürzmonopol innehatte. Dürer weilte bei ihm, als er 1521 nach Antwerpen reiste.
Dürer stellt hier sein klares Interesse an der Individualität eines Menschen unter Beweis. Sein profunder Humanismus durchdringt das Porträt der Katharina, der er die gleiche Achtung entgegenbringt wie den von ihm gezeichneten Bauern. Dürer war der erste deutsche Künstler, der das wachsende bäuerliche Selbstbewusstsein seiner Zeit darstellt, der erste, der Bauern als ästhetischen Gegenstand wahrnahm. Aufgrund von Dürers Darstellungen von Bauern erscheinen sie auch in Illustrationen der Flugschriften dieser revolutionären Epoche.
Ein wunderbarer Kupferstich zeigt drei bewaffnete, intelligente und würdevolle Bauern im ernsten Gespräch. Einer trägt einen Degen, ein anderer hat ein Messer in der Tasche und Sporen an den Schuhen, Hinweise auf rebellische Bauern. Der dritte greift in die Weste, aus der er ein Flugblatt hervorholen könnte.
Auch während des Bauernkrieges bezog Dürer eine revolutionäre Position, als Luther sich auf die Seite der Fürsten schlug und gegen die Bauern wandte. Während Luther den Fürsten zum Niedermetzeln der Aufständischen riet, ergriff Dürer mit seinem Bauerndenkmal Partei für sie. Im dritten Buch seiner „Unterweisung der Messung” setzt Dürer 1525 als Beispiel für die Proportionierung eines Denkmals einen Holzschnitt ein, der seine Fürsprache für die Sache der Bauern eindeutig erklärt.
Die Säule zeigt Vieh, Haus- und Ackergeräte aus einem bäuerlichen Betrieb, nun Beute der Eroberer. Anstelle des siegreichen, die Säule krönenden Eroberers ist ein Bauer zu sehen, der von einem Schwert durchbohrt ist. Gezeigt in der Haltung des Christus in der Rast, wird der erschlagene Bauer zum wahren Nachfolger Christi. Direkt nach dem Bauernkrieg war es sehr mutig, sich so offen auf die Seite der revolutionären Bauern zu stellen.
Viele Künstler wurden verfolgt. Matthias Grünewald nahm an aufrührerischen Aktivitäten teil und starb als Gejagter in Halle. Jörg Ratgebs Hauptwerk, der 1518/19 entstandene Herrenberger Altar, ist von einem leidenschaftlichen rebellischen Geist durchdrungen, dessen Kritik vor allem auf die Vertreter der Kirche gerichtet ist. Ratgeb schloss sich den Bauern an und kämpfte an ihrer Seite. Nach der endgültigen Vernichtung des Bauernheeres wurde er 1526 in Pforzheim öffentlich gevierteilt. Tilman Riemenschneider, bedeutender Bildhauer der Spätgotik, angesehener Würzburger Bürger, wurde verhaftet und gefoltert. Er konnte daraufhin seine künstlerische Arbeit nicht mehr fortsetzen. Vielen Künstlern erging es ähnlich. Auch Dürer ließ in seinen letzten Lebensjahren von der Kunst ab und wandte sich mehr der Wissenschaft zu. Er starb 57-jährig am 6. April 1528. Doch verließ er in seinem Denken und Handeln nie die Nähe zum einfachen Volk, verblieb unter Einsatz seiner Möglichkeiten ein Fürsprecher der frühbürgerlich-revolutionären Bewegung. Die größten Künstler der damaligen Zeit in Deutschland standen auf der Seite des Volkes.