Die Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und IG Metall liefen lange sehr schleppend. Erst durch eine Reihe von Warnstreiks Anfang Juni lockerte sich das „Wir geben nix“-Verhalten der Kapitalisten etwas. Nach der dritten Verhandlungsrunde wurde der neue Tarifabschluss für die gerade noch 10.000 Textilarbeiterinnen und -arbeiter auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eingetütet.
„Die Arbeitgeber haben uns unterschätzt, die Warnstreiks haben richtig gesessen“, sagte Reiko Mothes. Er ist Betriebsrat bei Adient, einem Autositzhersteller in Zwickau. So recht er hat, so zweifelhaft ist die Einschätzung der IG Metall zum Tarifergebnis. IG-Metall-Verhandlungsführerin Stefanie Haberkern lobte die ausgehandelten 10 Prozent mehr Lohn als Erfolg. Nur, dass diese über 22 Monate Laufzeit des Tarifvertrags verteilt sind. Haberkern geht sogar davon aus, dass der Abschluss „einen großen Angleichungsschritt an die immer noch höheren Löhne im Westen“ bedeutet. Aber der Tarifabschluss gleicht nicht einmal die Preissteigerungen aus. Unklar ist auch, wie die Kolleginnen und Kollegen im Osten damit wesentlich näher an das Lohnniveau im Westen kommen sollen.
Zugegeben, der Abschluss beinhaltet mehr als nur die prozentualen Lohnerhöhungen: Die Jahressonderzahlung wird stufenweise auf bis zu 100 Prozent angehoben und die Zahlung einer „Inflationsausgleichsprämie“ (IAP) soll die Nullmonate bis zur ersten Lohnerhöhung im Oktober überbrücken. Die Ausbildungsvergütungen steigen zudem für das erste Ausbildungsjahr auf nun 1.000 Euro (bisher 880 Euro). Außerdem wird die Altersteilzeit verlängert und ein laut IG Metall „flexibles Ausstiegsmodell“ eingeführt. Doch das Grundproblem bleibt: 33 Jahre nach dem Ende der DDR gibt es immer noch – teilweise eklatante – Lohnunterschiede.
Die DKP-Grundeinheit Textilarbeiter schätzt dazu ein, dass eine Lohnerhöhung von 10 Prozent plus Einmalzahlung (IAP) durchaus als ein moderater Erfolg hätte bezeichnet werden können – allerdings nur bei einer Laufzeit von maximal 12 Monaten. 22 Monate sind viel zu lang. Bei der gezeigten Kampfbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen wäre ein besseres Ergebnis möglich gewesen.
Es fiel auf, dass die Warnstreiks von der bürgerlichen Presse so gut wie gänzlich verschwiegen wurden. Auch die Politik ist gefordert, zumal im September Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen anstehen. Die Situation der Industrie muss mit oberster Priorität behandelt werden. Als DKP-Kandidatin in Brandenburg stehe ich auf Seiten der Gewerkschaften und unterstütze sie öffentlich im Wahlkampf. Die Beschäftigten brauchen unsere Solidarität. Je kämpferischer sich die Gewerkschaften für die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter einsetzen, desto besser für uns alle.
Marion Baur ist Weberin und Vorsitzende der DKP-Grundeinheit Textilarbeiter. Sie kandidiert im Wahlkreis 38 als Direktkandidatin und auf der Landesliste der DKP zu den Landtagswahlen in Brandenburg.