Es sind schwere Zeiten für die gutverdienenden Hochglanz-Liberalen, die schwer verträumten Sozialdemokraten und die kapitalismusbegeisterte Weltrettungsfraktion. Woran haben die Parteimitglieder von FDP, SPD und Grünen in den vergangenen Monaten nicht alles glauben müssen?
Wie viele von ihnen haben den eigenen Freunden oder Arbeitskollegen das Hohe Lied einer „wertebasierten“ Politik gesungen oder von Völkerrecht geschwafelt, als es um nichts als geopolitische Interessen ging? Wie oft mussten sie die Verteuerung des Lebens verteidigen, weil der Kampf gegen „Autokratien“ eben Geld kostet? Haben sie selbst an den „Fortschritt“ geglaubt, daran, dass über Steuern und Preisaufschläge Umweltschutz vorangetrieben wird, während die Konzerne mit milliardenschweren Subventionen gefüttert wurden?
Spätestens seit der Vorlage des Bundeshaushalts 2024 dürfte es für viele an der Zeit sein, den Aufkleber mit der Sonnenblume vom Heck zu kratzen oder fortan etwas leiser mitzusummen, wenn der alte Ohrwurm „Wann wir schreiten Seit an Seit“ schemenhaft durchs Hirn klingelt. Die Regierung, deren Märchen sie bislang verteidigt haben, ist in eine Propagandakrise gerutscht. Das ist selbstverschuldet: Die aus dem neoliberal-ideologischen Kurzschluss hervorgegangene Schuldenbremse konterkariert die Kriegswirtschaft der imperialistischen Agenda. Beides zu verteidigen und dabei an den alten Erzählungen festzuhalten, wird immer schwerer.
Wer bislang daran geglaubt hatte, dass die CO2-Steuer das Klima schützt, darf nun erfahren, dass sie zur Finanzierung von Rüstungsausgaben erhöht wird. Dadurch steigen die Lebenshaltungskosten (siehe Seite 2). Vom „Klimageld“, das ursprünglich versprochen wurde, um die steigenden Belastungen für Privatpersonen auszugleichen, ist keine Rede mehr. Es sollte aus dem sogenannten „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) ausgezahlt werden. Aber gerade dieses finanzpolitische Ungetüm wird nun mit den Einnahmen aus der CO2-Steuer über Wasser gehalten.
Wie oft wurde die Elektromobilität als Kernpunkt der sogenannten „Verkehrswende“ herausgestellt? Wer darauf reingefallen ist und sich mit staatlicher Unterstützung ein E-Auto gekauft hat, guckt ab sofort in die Röhre: Die Prämie von bis zu 6.750 Euro entfällt, auch nachträglich für bereits gekaufte, aber noch nicht angemeldete Autos. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Reaktion auf den Protest einiger SPD-Abgeordneter gegen die fristlose Streichung. Wie „table.media“ berichtete, zeigte sich das Bundeswirtschaftsministerium erstaunt über diese Einmischung in den KTF, denn: „Zur Änderung der Förderrichtlinie ist eine Zustimmung des Bundestags nicht erforderlich.“
Damit ist auch der Zweck solcher Fonds und „Sondervermögen“ hinreichend umrissen. Es geht darum, öffentliche Mittel am Parlament vorbeizuschleusen. So wundert es nicht, dass die im KTF enthaltenen riesigen Subventionen für Industriestrom, Chip-Fabriken oder Wasserstoffprojekte der Industrie vollständig weitergeführt werden sollen.
Ähnlich verlässlich wie bei der E-Auto-Prämie zeigt sich die Ampel bei einem ihrer Herzensprojekte. Die versprochenen Zuschüsse für den Heizungstausch in Miethäusern wurden gestrichen. Wer am Ende dafür zahlen wird, liegt auf der Hand. Ebenfalls zulasten der Verbraucher werden die Stabilisierungsmaßnahmen für Netzentgelte gestrichen, was den Strom um voraussichtlich 2 Cent pro Kilowattstunde verteuern wird.
Die ersten größeren Proteste gab es jedoch gegen die geplante Abschaffung des „Agrardiesels“ und das Ende der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte. 900 Millionen Euro will die Bundesregierung dadurch mehr einnehmen. Rund 10.000 Menschen demonstrierten mit 3.000 Traktoren am Montag in Berlin gegen diese Vorhaben. Warum diese Kürzungen entgegen aller Behauptungen der Ampel-Koalitionäre nichts mit Umweltschutz zu tun haben, erklärte Hubert Heigl vom Bio-Verband BÖLW gegenüber „table.media“. Auch ohne den verbilligten Diesel müssten „die Landwirte (…) ja trotzdem ihre Felder bewirtschaften“. Da es keine praxistauglichen Elektro-Traktoren gebe, ändert sich nichts an den Umweltbelastungen. Die Produktion wird nur teurer.
Von allen Argumenten und Aktionen völlig unbeeindruckt zeigte sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in den „Tagesthemen“. Die Bauernproteste seien „völlig normal“. Es handele sich um die „Mechanismen der parlamentarischen Demokratie und der Zivilgesellschaft“. Ändern würde sich jedoch nichts. Schließlich habe die SPD auch Kürzungen bei Fortbildungsmaßnahmen zum Bürgergeld zugestimmt: „Das tut uns weh, aber wir tragen das im Sinne eines Gesamtkompromisses mit.“ Auch wenn der Bundestag noch beraten könne, müsse jede Änderung gegenfinanziert werden.
Mit solchen Äußerungen schließt sich der Kreis. Haushaltspolitik, das heißt für die Ampel, Bauern, Arbeiter und Bürgergeldbezieher gegeneinander auszuspielen. Begleitet von einem großen Medienzirkus dürfen sie fortan über die Verteilung der Kosten streiten. Die Aufrüstung selbst bleibt gesetzt.