Warum eigentlich hält nicht Oskar Lafontaine die Neujahrsansprache im Fernsehen? In einem ganzseitigen Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ geißelt er die SPD, erklärt den Aufstieg der AfD und ruft zur Gründung einer neuen linken Sammlungsbewegung auf. Besser kann es derzeit nur der Papst.
Das in anderen Zeitungen vielzitierte Vorhaben, Parteien, Gewerkschaften, Sozialverbände, Wissenschaftler und Kulturschaffende in einer Bewegung zusammenzuführen, hat er leider nur nebenbei erwähnt. Dabei ist jetzt ein sehr gut gewählter Zeitpunkt, um als ehemaliger Vorsitzender der SPD vor der Bildung einer asozialen Großen Koalition ein politisches Angebot an diejenigen zu machen, die vom weiteren Sozial- und Demokratieabbau betroffen sein werden. Und vielleicht werden wir in diesem Jahr erleben, wie Sahra Wagenknecht unter ihrem Namen die Gründung einer neuen „Bewegung“ verkündet.
Aber wie gesagt, die Perspektive der Linken ist im NOZ-Interview nur eine Randnotiz. Ein bisschen darf Lafontaine noch seiner SPD nachtrauern und die Frage beantworten, ob es nicht doch besser gewesen wäre, in der SPD für linke Politik zu kämpfen. Die Antwort des „Querdenkers“ (NOZ) auf diese Frage bleibt erschreckend uneindeutig.
Bei anderen Themen ist Lafontaine noch klar im Kopf: Fragen nach den Ursachen des Aufstiegs der AfD beantwortet Lafontaine mit sozialer Ungerechtigkeit, Niedriglohn und Altersarmut. Seine Haltung gegen eine schnelle Vereinnahmung der DDR verteidigt er souverän, der deutschen Politik wirft er vor, Europa deutsch statt Deutschland europäisch gemacht zu haben. So weit alles richtig. Selbst die für eine Zeitung aus dem tiefsten Westen unausweichliche Frage nach seiner Begegnung mit Honecker und ob er ihm denn auch richtig die Meinung gegeigt habe ob der Menschenrechtsverletzungen in der DDR wird nicht zur Zufriedenheit des Fragestellers beantwortet.
Begriffen wie Heimat und Leitkultur setzt er dann noch den der „sozialen Geborgenheit“ entgegen. Das alles klingt sehr nach Kümmer-Politik und das soll es auch. Entsprechend blickt der ehemalige Bürgermeister von Saarbrücken wehmütig auf die Zeit zurück, in der er die „Sanierung der Altstadt“ zu verantworten hatte und den „Aufbau einer neuen Kulturszene“. Dem Sohn eines alten Sozialdemokraten werden die Augen feucht: Wir vermissen dich, Sozialdemokratie.