Im Brandenburgischen, wo ich lebe, haben Friedensbündnisse und Einzelpersonen am Vorabend der Ostermärsche Geld für eine ganzseitige Anzeige gesammelt. Sie titelt wie diese Kolumne: Macht Frieden! Das Motiv der Aktion: Die lähmende Verzweiflung überwinden. Herausschreien, dass die Welt vor Abgründen steht und der Fortbestand der Menschheit nun kategorisch verlangt, den Countdown zum Weltkrieg anzuhalten. Ist doch morgen schon Altpapier, mögen die Zyniker sagen. Kriegsertüchtigung? „Nicht in meinem Namen!“ sagt hingegen den Engagierten ihr Gewissen. In Deutschland, wo 61 Prozent der Bevölkerung die Taurus-Lieferung für den Ukraine-Krieg ablehnen, sind diese vier Worte ein breiterer Konsens als es den Rüstungsfanatikern in der Ampel und im Merz‘schen Kanzlersturzverein recht sein kann. Dass sie sich darum nicht scheren, belegt ihre selbstherrliche Politikauffassung. Also: Merken! Wahlurnen bieten die Chance, die Missachtung zu ahnden.
Die Friedensbewegung wurde dieser Tage belebt, aber der Ruck reicht nicht aus. Er muss durch die ganze Gesellschaft gehen. Die Katastrophenuhr zeigt 30 Sekunden vor 12. Der Ukraine wurde ein schon für möglich erachteter Friedensschluss vom NATO-Boten Boris Johnson verweigert. Statt die Schlächtereien durch Verhandlungen zu beenden, sollen immer neue Waffen das Blatt zu einem Sieg Kiews wenden, woran kein realistischer Militär in offener oder geheimer Beurteilung glauben mag. Frankreichs Präsident Macron gibt den missverstandenen Napoleon und erwägt, Bodentruppen gegen Russland in die Ukraine zu senden. Er muss die Schmach des Korsen im Russlandfeldzug von 1812 vergessen haben. Hochrangige Bundeswehroffiziere spielten eben mal den vom Kanzler ausgeschlossenen Ukraine-Einsatz deutscher Taurus-Marschflugkörper zwecks Zerstörung der Krim-Brücke durch, wobei auch der Kreml ein erreichbares Ziel wäre. Das ertappte Establishment erregt sich darüber, dass die Zoom-Konferenz geleakt wurde, und lenkt von der staatsgefährdenden Brisanz des konspirativen Inhalts ab. Der, würde er realisiert, bedeutete in den Augen Russlands sehr wahrscheinlich eine Kriegsbeteiligung Deutschlands. Im Manöver „Steadfast Defender 2024“ trainieren über 80.000 Soldaten entlang der russischen Grenze den Krieg. Russische Angriffslust auf NATO-Gebiet zu suggerieren ist der Lieblingsgriff des hiesigen militaristisch gepolten Politikbetriebs in die Psycho-Truhe der Angst-„Argumente“, wenn Milliardenbeträge für die sich fett verdienende Rüstungsindustrie begründet werden müssen. Gerade meldet Rheinmetall eine Gewinnsteigerung zum Vorjahr von 19 Prozent und den Anstieg des Auftragsbestandes um 44 Prozent auf ein Volumen von 38,3 Milliarden Euro.
Als wäre nicht schon das europäische Pulverfass für einen Funken zum Weltkrieg weit aufgerissen, stehen auch im Nahen Osten die Zeichen auf internationale Eskalation. Den Terrorattacken der Hamas folgt noch immer die genozidale Verwüstung des Gazastreifens. Um den Preis von 100.000 toten und verletzten Palästinensern will Netanjahus Kriegsjunta ihre großisraelischen Expansionsfantasien verwirklichen und die gerechte Forderung nach einer Zweistaatenlösung begraben. In der arabischen Welt und im globalen Süden hält man die Wertebehauptungen des seit Jahrzehnten wegschauenden Westens für Makulatur und befürchtet, sein aggressives Beharren auf World-Leadership könnte zum Flächenbrand führen.
Weil diese Gefahr so entsetzlich real ist, braucht es jetzt alle Stimmen der Vernunft. Die ihrem Berufsethos folgende mahnende Publizistik muss ein starkes Echo von Wissenschaftlern und Künstlern, Arbeitern und Bauern, von Gewerkschaftern und um ihre Existenz besorgten Unternehmern, von Atheisten und Gläubigen, von den nicht bellizistisch infizierten grünen Umweltaktivisten, von Schülern, Studenten und Rentnern erhalten. Die Friedenssehnsucht der Menschen auf die Straße tragen ist die Parole der Zeit. Das Vernünftige sagen und tun, denn wo die Vernunft schweigt, hat der Irrsinn keine Widerrede.