Es falle ihr persönlich schwer, das zu sagen, aber: „Nutzen Sie das“, sagte DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta Anfang Dezember in einem Video an die rund 31.000 Beschäftigten. Was sie meint, ist, dass die Beschäftigten die Möglichkeiten des internen DB-Arbeitsmarktes nutzen und sich bei den anderen DB-Töchtern wie Regio, Fernverkehr oder InfraGo nach neuen Stellen umschauen sollen. Zusätzlich wurde in Form eines Briefes eine „persönliche Mitteilung zum Beschäftigungswegfall“ an die Kolleginnen und Kollegen versandt. „Mach dich vom Acker“ – das sei die wahre Bedeutung dieser Ansprache, kritisierte die EVG.
Der Vorstand hat dem Unternehmen einen Sparkurs verordnet. Hintergrund sind die über Jahre anhaltend hohen Verluste im dreistelligen Millionenbereich. Bislang wurden diese durch den DB-Konzern ausgeglichen. Infolge eines EU-Verfahrens zur Sicherstellung eines „fairen Wettbewerbs“ darf die DB AG ab dem 1. Januar 2025 die Schulden von DB Cargo aber nicht mehr übernehmen. Ab 2026 muss das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben.
Der Sparkurs sieht unter anderem einen Arbeitsplatzabbau vor. Erst im Oktober hatten sich Gesamtbetriebsrat, Cargo-Vorstand und die EVG auf einen Interessenausgleich verständigt. Diese Einigung sieht einen „sozialverträglichen“ Abbau von 2.300 Stellen vor. Statt eines „geordneten Sozialplans“ herrschten aktuell aber „chaotische Zustände“, „Willkür und Chaos“, wie die EVG kritisiert: „Führungskräfte teilen Beschäftigten mit, dass ihre Stelle nach Sozialplan wegfällt, machen anschließend einen Rückzieher und kurze Zeit später die Rolle rückwärts.“
Dass nun trotz vermeintlich „geordnetem Sozialplan“ Beschäftigte offensiv aus dem Unternehmen gedrängt werden, erklärte sich einige Tage nach der Videoansprache von Nikutta. Statt der vereinbarten 2.300 Stellen müssten nun 5.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, hieß es in einer internen Mail. Dem Abbau von 2.300 Arbeitsplätzen und weiteren Rationalisierungsmaßnahmen hatten EVG und Betriebsrat im Oktober zugestimmt, um die Auslagerung von Geschäftsfeldern zu verhindern. Die EVG zeigte sich damals zuversichtlich, dass man das Schlimmste – eine Auslagerung – verhindert habe und nun nach vorne schauen könne: „Mit den vereinbarten Maßnahmen und der neuen Organisation hat der Vorstand nun alle Instrumente in der Hand, die DB Cargo wieder auf Zukunftskurs zu bringen“, teilte die EVG noch im Oktober mit. Der Gesamtbetriebsrat äußerte sich ähnlich: „Jetzt muss der Arbeitgeber zeigen, dass er mit dem Werkzeugkoffer, mit dem wir ihn ausgestattet haben, auch arbeiten kann.“ Diese Zuversicht hat sich nicht bestätigt.
„Es ist leider typisch für DB Cargo, dass man sich auf die Zusagen des Managements nicht verlassen kann“, beklagte sich denn auch die stellvertretende Vorsitzende der EVG, Cosima Ingenschay, im „Tagesspiegel“. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Martin Braun sagte auf der EVG-Bundeskonferenz mit Blick auf diese neuerlichen Abbaupläne: „Es gibt eine Zahl, die ist vereinbart und unterschrieben. Alles andere werden die Betriebsräte vehement ablehnen. Der Arbeitgeber muss genau darlegen, welche Maßnahmen dahinterstehen. Nebenabreden, die wir nur per Zufall mitbekommen, werden wir nicht akzeptieren.“
Dem Cargo-Vorstand gehen die bislang getroffenen Vereinbarungen nicht weit genug. Und selbst mit dem Abbau von 5.000 Stellen ist ein Ende der Umbauphantasien der Kaputtsparer noch nicht besiegelt. In der geplanten „Neustrukturierung“ des Unternehmens ist eine mögliche Auslagerung strukturell angelegt. DB Cargo wird intern in sechs Geschäftseinheiten aufgeteilt. Jede dieser Einheiten „ist für ihr Ergebnis selbst verantwortlich“. Durch diese Struktur „können wir künftig noch besser sehen, welches Geschäft profitabel ist und an welcher Stelle optimiert werden muss“, sagte Finanzvorständin Martina Niemann.
In den Stuben derer, die eine Zerschlagung von DB Cargo befürworten, wird dieses Szenario schon durchgespielt. In der „Wirtschaftswoche“ heißt es beispielsweise: „Am Ende könnte es deshalb möglicherweise so kommen wie in Frankreich: Eine Zerschlagung des Konzerns. In einen per Definition unrentablen, aber politisch geförderten Teil (den Einzelwagenverkehr); und einen zweiten, marktfähigen – der sich dann aber auch am Markt beweisen muss.“
Neben der EVG spricht sich auch die GDL gegen eine Auslagerung von profitablen Geschäftsfeldern aus. „Wenn man den einzigen tragfähigen Ast, auf dem man sitzt, auch noch absägt, dann muss man sich langfristig vom Güterverkehr bei der DB verabschieden“, heißt es im GDL-Mitgliedermagazin „Voraus“. Eine Zusammenarbeit der konkurrierenden Gewerkschaften ist aber auch in dieser Frage nicht abzusehen.
Die Krise und der damit verbundene Arbeitsplatzabbau bei DB Cargo ist keine Krise der gesamten Branche, wie etwa in der Autoindustrie. Der Güterverkehr nimmt stetig zu. In der im Oktober veröffentlichten „Verkehrsprognose“ des Bundesverkehrsministeriums soll die Zahl der Gütertransporte im Jahr 2040 im Vergleich zu 2019 um rund 32 Prozent ansteigen. Da die Straße diese zusätzlichen Transporte nicht allein aufnehmen kann, werde zwangsläufig auch das Transportvolumen auf der Schiene zunehmen, so die Prognose. DB Cargo profitiert von diesem wachsenden Markt aber kaum und verliert kontinuierlich Anteile an die Wettbewerbsbahnen.