Asghar Farhadis „A Hero“ jetzt im Kino

Lug und Trug im Medienzeitalter

Mit dem Silbernen Bären der Berlinale für „Alles über Elly“ trat der Iraner Asghar Farhadi 2009 erstmals ins Blickfeld der internationalen Filmwelt, 2011 gewann er mit seinem Meisterwerk „Nader und Simin – Eine Trennung“ Gold in Berlin und im Jahr darauf den „Auslands-Oscar“. Seit 2013, wo er mit „Le passé“ seinen ersten im Ausland produzierten Film in Cannes präsentierte, war er dort regelmäßig mit seinen weiteren Filmen im Wettbewerb erfolgreich. So auch mit „A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani“, der seit gestern auch in deutschen Kinos zu sehen ist.

In den Titeln klingt oft ein Unterton moralischer Wertungen mit, und das ist kein Zufall. „Alles über Elly“ handelte von einer Gruppe Teheraner Yuppies bei einem Strandurlaub, die die Titelfigur Elly, eine begleitende Kinderbetreuerin, heimlich verkuppeln wollen. Erst nachdem diese sich dem arroganten Spiel entzogen hat, wird der eitle Selbstbetrug ihrer „Gastgeber“ offensichtlich. Das moralische Dilemma zwischen Nader und Simin ist deren Entscheidung zwischen der Gesundheit ihres Kindes und der ihres alzheimerkranken Verwandten, zwischen Bleiben oder Emigrieren. Herr Rahim Soltani nun, der wegen großer unbeglichener Schulden in Haft ist, will mit einem zweitägigen Hafturlaub seine Ehre und seine Freiheit wieder herstellen, was auf fatale Weise scheitert.

Dabei scheint ihm zunächst der Zufall zu helfen: Seine heimliche Geliebte Nazanin (von Farhadis Tochter Sarina gespielt) hat gerade einen Beutel mit 17 Goldmünzen gefunden, aber die würden nur für die Hälfte seiner Schuld reichen, und sein Gläubiger Bahram, der auch sein Schwiegervater ist, besteht auf der vollen Summe. So versuchen die beiden es mit Ehrlichkeit: Mit einer Klebezettelaktion ermitteln sie die Eigentümerin der Münzen, um sie ihr zurückzugeben – was Rahims Gefängnisdirektor gleich auf den Plan ruft: Er holt das Fernsehen ins Boot, um den „geläuterten“ Rahim als Beweis für die eigene gute Haftpolitik zu präsentieren. Dazu schlüpft Nazanin kurzerhand in die Rolle der Eigentümerin, andere Tricks und Täuschungen müssen her, und mit jeder kleinen Schummelei und Lüge gerät alles unaufhaltsam ins Verderben. Unrecht Gut gedeiht eben nicht …

In der iranischen Gesellschaft ist, anders als in unseren Breiten, Schuldenmachen nicht nur verpönt, sondern eine Frage der Ehre und sogar strafbar. Für den Moralisten Farhadi also ein ideales Konfliktthema, das er nun in aller Ausführlichkeit weiter durchführt. Sein „Held“ Rahim ist angewiesen auf die Gnade von gerade dem, dessen Tochter er mit Nazanin betrügt. Seinem Sohn hat der Streit in der Familie die Sprache verschlagen und sein „Heldentum“ ist bloß ein Konstrukt eines ehrgeizigen Justizbeamten. Lug und Trug, wohin man schaut. Dabei deutet Farhadi auch diesmal viele der sich auftürmenden Konflikte nur an, wirft Fragen auf, ohne sie zu beantworten, und umschifft so die Klippen der Zensur, die seinen Kollegen wie Jafar Panahi oder Mohamad Rassoulof wegen klarer Bezüge zur iranischen Realität Arbeitsverbote und andere Strafen eingetragen haben.

Eine leicht konsumierbare Geschichte lässt sich so kaum erzählen. Farhadis Anspruch, möglichst alle Aspekte anzudeuten, gibt seinem Film „das unbefriedigende Durcheinander wie im realen Leben“ (Peter Brad­shaw), hätte daraus aber auch ein leicht überlanges moralisches Traktat machen können. Aber davor bewahren ihn die einfühlsame Bildregie (Ali Ghazi) und sein Ensemble aus glänzenden Darstellern, an dessen Spitze Amir Jadidi als der unfreiwillige Titelheld und Mohsen Tanabandeh als sein Gläubiger Bahram. Nach den weniger gelungenen Filmen („Le passé“ und „Offenes Geheimnis“), die Farhadi in Frankreich beziehungsweise in Spanien mit internationalen Stars drehte, hat er aus dem „Heimvorteil“ immerhin wieder Gewinn gezogen.

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani
Regie: Asghar Farhadi
Unter anderem mit: Amir ­Jadidi, Mohsen Tanabandeh, Sahar ­Goldust, Fereshteh Sadre Orafaiy
Im Kino

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"Lug und Trug im Medienzeitalter", UZ vom 1. April 2022



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