Es gibt kaum etwas Vernünftigeres als den Vorschlag einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. Der Stand der Produktivkräfte gibt dieses Modell einer 32-Stunden-Woche schon länger her. Viele ältere Kollegen bei VW schwärmen noch heute von der Viertagewoche, die – wenn auch ohne Lohnausgleich – in den 90er Jahren geholfen hatte, VW aus der damaligen Absatzkrise herauszuholen.
Angesichts der rabiaten Offensive, die das VW-Management zurzeit gegen die Belegschaft des größten deutschen Konzerns losgetreten hat, dürfen die Chancen auf eine Wiederholung, gar mit Lohnausgleich, gering sein. Der Vorstand arbeitet mit infamen Argumenten gegen die deutsche Kernbelegschaft von VW – etwa wenn er auf die besseren Gewinne bei europäischen Nachbarfabriken angesichts der dortigen Löhne verweist, aber unterschlägt, dass zum Beispiel Skoda natürlich profitiert von den kostenintensiven Entwicklungen in Wolfsburg, die dann in Tschechien günstig adaptiert werden können. Die am 25. September beginnenden Tarifgespräche stehen unter keinem guten Stern. Alle Verträge aus der Zeit der sogenannten Sozialpartnerschaft sind zerrissen. Die Dividenden – zu 70 Prozent fließen sie in die Taschen des Porsche-Familienclans oder nach Katar – stehen nicht zur Disposition, dafür aber Zehntausende von Arbeitsplätzen und sogar die Schließung ganzer Werke.
Eine vernünftige Lösung – wie etwa eine Viertagewoche für alle statt Entlassungswellen für einige – wird nur zu haben sein durch eine geschlossene Kampffront nicht nur bei VW. Wenn das Management dort mit dem neuen Rabiatkurs Erfolg hat, wird das Ausstrahlung auf die gesamte Branche und darüber hinaus haben und zu einer Lose-lose-Situation nicht nur für VW-Arbeiter, sondern für die ganze Arbeiterklasse hierzulande führen. Nützlich wäre es, die politische Dimension der Probleme bei VW in den Blick zu nehmen: Sie sind auch auf den Konfrontationskurs der Bundesregierung zurückzuführen, der alle energieintensiven Betriebe von billigem Gas und Öl aus Russland und fast gleichzeitig von den Märkten in China abgeschnitten hat. Wenn alle in Leverkusen, Hamburg und Duisburg, die dieses Szenarium kennen, jetzt an der Seite von VW kämpfen, könnte das auch eine Win-win-Situation für die Lohnabhängigen werden.