Tarifrunde IG Metall: Forderungsdiskussion begonnen

Lohnfrage zweitrangig?

Die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie mit ihren über 4 Millionen Beschäftigten kommt ins Laufen. Bevor die Diskussion in den Betrieben und Tarifkommissionen überhaupt richtig begonnen hat, meldet sich schon mal Südwestmetallchef Stefan Wolf zu Wort. „Wir müssen den Anstieg der dauerhaft wirkenden Kosten stoppen“, mahnte er in Stuttgart. Diese seien seit 2010 um 30 Prozent gestiegen. „Es kann nicht angehen, dass wir in der Lohntabelle immer wieder dauerhafte prozentuale Erhöhungen haben – da müssen wir für einen längeren Zeitraum einfach mal anhalten.“ Auch die Beschäftigten müssten „einen Beitrag zur Transformation leisten“. Von einer Nullrunde wollte der Verbandschef nicht sprechen. „Wir haben keinen Ansatz für Tabellenerhöhungen“, sagte er. „Über Einmalzahlungen bei einer konjunkturellen Erholung, die wir noch nicht sehen, können wir reden.“ In jedem Fall müsse der Abschluss der unterschiedlichen Struktur der Unternehmen mit geringen bis hohen Personalkostenquoten gerecht werden. Konkreter wollte er nicht werden, um nicht „unnötigen Widerstand“ auf der Gegenseite zu erzeugen, so die „Stuttgarter Zeitung“. So versucht der Klassengegner gleich mal zu Beginn der Forderungsdiskussion die Erwartungen kräftig zu beeinflussen und entsprechend zu bremsen.

Leider geht die Debatte in der IG Metall selbst auch mit angezogener Handbremse los. Beim Gewerkschaftstag im Oktober letzten Jahres hieß es noch, dass deutliche Entgeltsteigerungen notwendig sind. Jetzt stuft der IG-Metall-Bezirksleiter von Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, die Lohnfrage als zweitrangig ein. Würde er angesichts der vielen angekündigten Personalabbauprogramme und der vielen Anträge auf Kurzarbeit die Verkürzung der Arbeitszeit als erstrangig bezeichnen, wäre ja diese Einordnung der Lohnfrage noch nachzuvollziehen. Aber bisher spielt das Thema Arbeitszeitverkürzungen leider gar keine Rolle. Zitzelsberger sagte bei der großen Tarifkommissionssitzung für Baden-Württemberg am 16. Januar, dass das Thema Beschäftigungssicherung bei der Tarifrunde eine prominente Rolle spielen wird. „Aus vielen Belegschaften höre ich, dass sichere und gute Arbeitsplätze beim überwiegenden Teil der Beschäftigten hohe Priorität haben. Beschäftigungssicherung sowie Qualifizierung und Weiterbildung für neue Aufgaben stehen deshalb weit oben auf unserer Agenda.“ Wie eine solche Forderung aussehen könnte und inwieweit dabei auch Überlegungen zum Klimaschutz eine Rolle spielen können, wird Thema der weiteren Debatten sein. Zudem strebt die IG Metall Baden-Württemberg in der Tarifrunde 2020 Verbesserungen beim Manteltarifvertrag für Auszubildende sowie die Tarifbindung für dual Studierende an.

Auch der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann meint: „Wir werden auch über die Sicherung von Arbeitsplätzen reden müssen. Unabdingbar ist, dass die Realeinkommen gesichert werden.“ Laut Hofmann soll sich die Konjunktur bereits im 2. Halbjahr 2020 wieder beleben, weshalb kurze Laufzeiten angestrebt werden, um zeitnah Korrekturen vornehmen zu können.

Angesichts der Lage insbesondere in der Automobilindustrie ist es wichtig, die kollektive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich in die Forderungsdiskussion einzubringen. Für Lohnverzicht gibt es keinen Grund. Die Gewinne sind gut und das Leben für die Werktätigen ist nicht billiger, sondern teurer geworden. Insbesondere die Mieten steigen nach wie vor extrem.

Der Zeitplan der Tarifrunde ist dieses Jahr sehr eng getaktet. Bewusst wurde die Forderungsdiskussion nach hinten verschoben. Erst langsam laufen nach den Pausen zum Jahreswechsel die Diskussionen in den Betrieben um die Forderungen an. Im Moment ist in vielen Betrieben der Hauptfokus auf betriebliche Probleme wie Personalabbau, Entlassungen, Werksschließungen, Verlagerungen gerichtet. Mitte Januar fanden in den Bezirken die Sitzungen der Tarifkommissionen statt, in denen die Forderungsdebatte offiziell eröffnet wurde. Schwerpunkt der Beratungen waren neben der Entgeltentwicklung vor allem die Themen Beschäftigungssicherung und Qualifizierung als Teil eines Forderungspakets für die Tarifrunde 2020. Aber schon am 4. Februar fasst der Vorstand der IGM die Diskussionen zusammen und empfiehlt eine Forderung. Am 20. Februar beschließen die Tarifkommissionen das Forderungspaket und der IGM-Vorstand legt am 26. Februar die endgültige Forderung fest. Die Tarifverhandlungen starten – regional unterschiedlich – Mitte März. Der zweite Verhandlungstermin könnte noch vor den Osterferien Ende März/Anfang April stattfinden. Ende März endet die Laufzeit und am 28. April endet die Friedenspflicht um 24 Uhr. Danach sind Warnstreiks möglich.

Wahrscheinlich wird im Mai bereits der Tarifabschluss sein – noch vor Pfingsten.

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"Lohnfrage zweitrangig?", UZ vom 24. Januar 2020



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