Knapp 200 Kolleginnen und Kollegen trafen sich am 14. und 15. Juni in Stuttgart zur Friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenz. Die Organisatoren, Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) und der ver.di-Bezirk Stuttgart, sprachen von weiteren etwa 800 Teilnehmenden, die sich online zugeschaltet hatten.
„Waffen runter, Löhne rauf!“ lautete der Titel der Konferenz. Eröffnet wurde sie von Bernd Köhler mit Liedern gegen den Krieg. Auf Kultur folgt Analyse. Ingar Solty, Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik bei der RLS, sprach von einer Dauerkrise des Kapitalismus, in der wir uns befänden. Die aktuellen Kriege in der Ukraine und in Gaza seien ohne den „großen Konflikt“ zwischen den USA und der VR China nicht zu verstehen, so Solty. Auf der einen Seite gebe es das „relativ absteigende amerikanische Imperium“, auf der anderen den „Aufstieg Chinas und des globalen Südens“. Das Zentrum der Welt verschiebe sich, bisherige Versuche der US-Regierungen, China einzudämmen, seien gescheitert. Solty wertete die „Spaltung Europas“ und die Loslösung von russischen Energielieferungen durch teurere aus den USA als Teil der US-Strategie. Damit gehe eine wirtschaftliche Schwächung einher, deren Folgen die Bevölkerungen zu tragen hätten. Die derzeitige Konfrontationspolitik sei nicht in ihrem Interesse.
Ulrike Eifler, zuständig für Vertrauensleutearbeit und Bildungsarbeit bei der IG Metall Würzburg, thematisierte die Auswirkungen der Konfrontationspolitik in Deutschland. Der Aufrüstungskurs der Bundesregierung sei ein „Generalangriff auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten und ihrer Familien“. Sie leitete davon ab, welche Aufgaben sich daraus für die Gewerkschaften ergeben. In den Tarifkämpfen habe man die Preissteigerungen der letzten Jahre nicht ausgleichen können. Die Bundesregierung bereite darüber hinaus massive Sozialkürzungen vor. Während für das militärisch Notwendige hunderte Milliarden Euro zur Verfügung gestellt würden, verfalle gleichzeitig die zivile Infrastruktur. Eifler wies im Zusammenhang mit den immensen Rüstungsausgaben nicht nur auf die sozialen Folgen hin: „Aufrüstung und Krieg werden die ökologische Zerstörung beschleunigen.“ Dazu komme ein Angriff auf demokratische Grundrechte, offen werde von „Kriegswirtschaft“ gesprochen, die keine Mitbestimmung zulasse. Die Kampfkraft der Gewerkschaften werde untergraben – als Beispiel führte Eifler die „konzertierte Aktion“ an. Umso wichtiger sei es, das politische Mandat der Gewerkschaften auszufüllen. Dies sei – auch mit Blick auf die Tarifkämpfe – ein friedenspolitisches, weil ein direkter Zusammenhang zwischen Lohnkämpfen und Aufrüstungspolitik bestehe. Höhere Löhne bedeuteten, dass weniger Geld für Rüstung zur Verfügung stehe. Das sage Boris Pistorius auch so. Er habe darauf hingewiesen, dass ein guter Abschluss im öffentlichen Dienst dazu führe, dass die Bundeswehr schlecht ausgestattet sei.
Wie Ulrike Eifler betonte auch Claudia Häussler, Bezirksvorsitzende von ver.di Stuttgart, dass die Beschäftigten von den Gewerkschaften in dieser Situation Orientierung bräuchten und diese auch einforderten. Tarifrunden seien geeignet, den Zusammenhang zwischen Aufrüstung und Verteilungsfragen herzustellen.
Elwis Capece, Geschäftsführer NGG Mannheim-Heidelberg, wies darauf hin, dass die „Inflationsausgleichsprämie“ (IAP) eine besondere Rolle in den Tarifrunden gespielt hätte. Diese sei genutzt worden, um Löhne niedrig zu halten. Seine Gewerkschaft habe sich deshalb widersetzt. Das Ergebnis sei, dass seine „kleine NGG“ die höchsten tabellenwirksamen Lohnerhöhungen durchgesetzt habe. Warum sich die NGG in den Tarifverhandlungen einer IAP widersetzt habe und was das mit der Hochrüstungspolitik der Bundesregierung zu tun habe, sei gegenüber den Beschäftigten auch entsprechend kommuniziert worden.
In drei Workshops wurde ein historischer Rückblick auf die Rolle der Gewerkschaften in der Friedensbewegung geworfen, der „Aufstieg des Militarismus und die Rechtsentwicklung der Bundesrepublik“ thematisiert und die „Sorge vor dem Atomkrieg“. Vor dem Abschlussplenum war es Rudi Kennes, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von Opel Antwerpen und MdEP der belgischen Partei der Arbeit, der in seinem einleitenden Referat auf die Heuchelei des Westens einging. Die EU habe nur ein, vielleicht zwei Wochen gebraucht, um hunderte Maßnahmen gegen Russland auf den Weg zu bringen. Beim Krieg Israels gegen Gaza seien es „Null“ gewesen.
Mit dem Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler war am Tag zuvor zudem einer der Erstunterzeichner des Aufrufs „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ auf dem Podium vertreten. Diesen haben inzwischen über 6.500 Kolleginnen und Kollegen unterschrieben. Bei den Vorständen der DGB-Gewerkschaften stößt er offenbar nicht auf Gegenliebe. Die Initiatoren hatten diese um ein Gespräch über die friedenspolitischen „Aktivitäten“ gebeten. Auf der Konferenz wurde bekanntgegeben, dass die Gewerkschaftsvorstände ein solches Treffen ablehnen. Die Debatte in den Gewerkschaften, die von vielen der Konferenzteilnehmer eingefordert wurde und für die Stuttgart nur ein „Auftakt“ sein soll, wird also von unten geführt werden müssen.
Eine Videoaufzeichnung der Konferenz ist online abrufbar.
Die Debatte geht weiter
UZ-Friedenstage vom 23. bis 25. August in Berlin
Für die Kriegstüchtigkeit soll bei allen Haushaltsposten im Bundestag gespart werden. Geld gibt es nur noch für Aufrüstung und Krieg. Viele Gewerkschafter machen sich Illusionen, dass neben den Kriegskrediten nötige Investitionen oder Lohnerhöhungen möglich wären. Doch es gibt entweder Butter oder Kanonen. Um den Kriegstreibern in den Arm zu fallen, muss die Friedensbewegung stärker werden, vor allem Positionen gesellschaftlicher Stärke erreichen.
Dass beide Bewegungen am gleichen Strang ziehen müssen ist klar. Doch welche Strategien gibt es dafür? Das wollen wir auf den UZ-Friedenstagen diskutieren: „Zusammenführung der Friedens- und Gewerkschaftsbewegung – Wie schaffen wir es, die Kriegsfähigkeit zu verhindern?“