Am Dienstag vergangener Woche hat das Moskauer Stadtgericht auf Antrag der russischen Staatsanwaltschaft entschieden, das „Menschenrechtszentrum Memorial“ (das in Russland seit 2016 als ausländischer Agent eingestuft worden ist) aufzulösen.
Bereits am Vortag hatte das Oberste Gericht Russlands ein ähnliches Urteil gegen die Dachorganisation „Memorial Society“ verhängt, die ebenfalls als ausländischer Agent gegolten hat.
Alexander Tscherkassow, Vorstandsvorsitzender der „Memorial Society“, erklärte vor dem Moskauer Stadtgericht, dass die Aktivitäten „dem Schutz der Bürger dienten und für die Gesellschaft und den Staat nützlich waren“. „Die Liquidation von Memorial ist keine Lösung. Man will eine rote Glühbirne ausdrehen, die signalisiert, dass etwas schiefläuft“, fügte er hinzu. Grigorij Viper, einer der Anwälte der Organisation, verglich das Auflösungsverfahren mit „Prozessen gegen sowjetische Dissidenten“ und äußerte sich über den „politischen Charakter des Prozesses“.
In der Debatte sagte der Staatsanwalt, „Memorial“ unterstütze nicht zugelassene Protestaktionen, die auf eine Destabilisierung des Staates abzielen, und die Aktivitäten der Organisation seien finanziell undurchsichtig.
Diplomaten aus den USA, Deutschland, Spanien, Estland, Litauen, Finnland, Schweden und Dänemark trafen am Mittwoch im Obersten Gericht Russlands zur Verkündung des Urteils ein.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass „Memorial“ das Gedenken an den Großen Vaterländischen Krieg verzerre und „ein falsches Bild der UdSSR als terroristischer Staat“ vermittle. Experten der Staatsanwaltschaft warfen dem „Menschenrechtszentrum“ vor, terroristische und extremistische Organisationen zu rechtfertigen. Außerdem könnten die Bürger wegen fehlender Kennzeichnung des Status eines ausländischen Agenten „den veröffentlichten Artikeln nicht kritisch gegenüberstehen“, so die Aufsichtsbehörde.
„Memorial“ leistete neben der Aufarbeitung sowjetischer Geschichte, deren Ehrlichkeit von Kritikern oft angezweifelt wurde, Rechtsberatung und Unterstützung für angebliche politische Gefangene – und leistet damit fragwürdige „Menschenrechtsaktivitäten“. So betrachtet „Memorial“ beispielsweise die Mitglieder von „Hizb ut-Tahrir“, einer in Russland verbotenen terroristischen Organisation, deren Ziel die Errichtung eines weltweiten Kalifats auch in nicht-muslimischen Ländern ist, als politische Gefangene, genauso wie Kämpfer der paramilitärischen Einheit der neonazistischen ukrainischen Organisation „Prawyj Sektor“ sowie ihre Sponsoren, die in Russland verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Zudem betrachtet „Memorial“ unter anderem Aufrufe zur Abspaltung einzelner russischer Regionen von Russland nicht als Verbrechen und stuft Personen, die dazu aufrufen, als Dissidenten ein.
„Memorial“ versuchte somit, über Jahre nicht nur die sowjetische Geschichte als ein „Terrorregime“, das Hitlerdeutschland gleichkäme, darzustellen, sondern auch zu zeigen, dass „die totalitäre Maschine immer noch funktioniert“, wie es auf der Internetseite des Vereins steht. Damit wird jeder, der in Russland verurteilt wird, automatisch zum politischen Häftling erklärt. Die Logik, nach der „Memorial“ vorgeht, ist folgende: Wenn die Mitglieder von „Hizb ut-Tahrir“ keine Terrorakte verübt und kein Kalifat auf der Krim, in Tatarstan, im Kaukasus und in anderen Regionen errichtet haben, sondern nur Zellen gründeten, um dies vorzubereiten – warum sollten sie verurteilt werden? Der Verein veröffentlichte Überlegungen zu diesen Gedankengängen auf seiner Website. Ebenso leitet die Organisation die „politische Justiz“ gegen den ukrainischen Neonazi-Sturmtrupp „Prawyj Sektor“ aus dem Umstand ab, dass die Hitler-Kollaborateure aus der Bandera-Armee in der Ukraine „Opfer Stalins“ gewesen seien.
Sich über die Schließung einer Organisation zu empören, die sich systematisch für die Rechtfertigung von islamistischen Terroristen und Neonazigruppen einsetzt, wie es die westlichen bürgerlichen Medien tun, ist, wenn nicht verbrecherisch, so doch dumm-naiv.