Es sind Bilder von verstörender Brutalität. Ein Mann liegt auf dem Boden. Er ist mit Handschellen gefesselt. Er ringt nach Atem. Keuchend stößt er mehrfach hervor: „Ich kriege keine Luft!“ Auf ihm, auf seinem Hals, kniet ungerührt ein Polizist. Weitere Polizisten sichern das Geschehen. Niemand kann ihm helfen. Wenig später ist der Mann tot. Der Polizist hat ihn, als sei das das Selbstverständlichste von der Welt, vor laufender Kamera umgebracht. Wieder einmal.
Der Mann, er heißt George Floyd, ist, war ein Afro-Amerikaner. Menschen werden in den USA mit zynischer Regelmäßigkeit von der Polizei umgebracht. Pro Tag im Durchschnitt etwa drei. In den letzten Jahren waren es zwischen 1.000 und 1.200 Menschen. Farbige Menschen, Latinos, Asiaten sind besonders im Fokus. Junge männliche Afro-Amerikaner haben eine dreifach größere „Chance“, durch Polizeigewalt getötet zu werden, als Weiße. Die Kriterien für einen frühen gewaltsamen Tod heißen: arm, jung, männlich, schwarz.
In der Regel vollzieht sich dieses Morden ungestört, anonym. Es ist Teil der US-amerikanischen Realität. Es ist so selbstverständlich, dass der weiße Polizist, als er George Floyd umbringt, dies mit großer Gelassenheit und ohne erkennbare Anspannung tut. Das polizeiliche Morden bleibt fast immer ungesühnt. In weniger als einem Prozent der Fälle kommt es überhaupt zu einer Anklage. Auch gegen den Polizisten, der George Floyd umbrachte, wurde trotz erdrückender Beweise bislang keine Anklage erhoben. Er wurde zwar entlassen, aber er ist bis heute ein freier Mann.
Die Gewalt ist seit jeher ein Kernelement der US-Gesellschaft. Sie ist die Kehrseite des US-amerikanischen Exzeptionalismus, des Glaubens an die eigene Besonderheit und Auserwähltheit. Mit der Bibel in der einen und dem Gewehr in der anderen Hand ließen sich die etwa 100 Millionen Ureinwohner von ihrem Land vertreiben und nahezu ausrotten, Millionen farbiger Menschen aus Afrika verschleppen und zu Sklaven machen. Die US-„Lynch-Justiz“ folterte auch dann noch zu tausenden farbige Menschen öffentlich brutal zu Tode, als die Sklaverei offiziell schon lange abgeschafft war. Gewalt, die geheimdienstliche Zersetzung, die Mafia waren die Mittel der Wahl, als es darum ging, die entstehende Arbeiterbewegung zu zerstören. Und es gab keine Hemmungen, exzessive Gewalt, den „Kalten Krieg“ einzusetzen, um den Roten Oktober niederzuschlagen. Auch wenn das Millionen das Leben kostete.
Nun, nach „9/11“, befindet sich das US-Imperium wieder im Ausnahmezustand. Im Inneren wie im Äußeren. Seine Polizei wurde zu einer militarisierten Bürgerkriegsarmee mit Kriegswaffen aufgerüstet. Mit Donald Trump sieht sich das Imperium im Endkampf um seinen Machterhalt.
Was folgte, war, ist ein anhaltender Aufschrei der Ausgegrenzten, Erniedrigten und Opfer der täglichen Polizeiwillkür. Nicht immer friedlich, wie auch die Polizeigewalt alles andere als friedlich ist. Anders als der regelmäßige stille, anonyme Mord wurde der Tod von George Floyd auf Video gebannt. Das Video ging viral.
Die Menschen auf den Straßen sind auch die eigentlichen Opfer der Krise. Während die US-Milliardäre in der Krise um hunderte Milliarden reicher geworden sind, mussten sich in den letzten zehn Wochen über 40 Millionen arbeitslos melden. Die Zukunft von Millionen liegt in Trümmern. Donald Trump hat das Militär mobilisiert und ganz im Stil der alten Sklavenhalterklasse getwittert: „Wenn das Plündern beginnt, beginnt das Schießen.“ Das wird die Menschen nicht beruhigen.