Live-Ticker zum Bundesparteitag 2024 der Linkspartei

  • 20.10.2024 14:03Und Tschüss!
    Abschied - UZ ist vor Ort - -
    Tschüss, blaues Absperrband! (Foto: UZ)

    Herzlichen Dank an alle, die seit Freitagmittag mitgelesen und stellenweise mitgelitten haben. Wir haben uns über die vielen Rückmeldungen gefreut, vielen Dank!

    Ein besonderen Gruß an die Delegierten, die hier vor Ort in Halle mitgelesen haben. Es war schön, einige von euch kennenzulernen! Wir sagen Tschüss und machen uns auf den Heimweg.

    Wer Lust hat, in der UZ nicht nur Analysen zu Zustand und Entwicklung der Linkspartei, sondern auch zu den innenpolitischen und weltweiten Entwicklungen zu lesen, kann das sechs Wochen kostenlos und unverbindlich tun. Wer Lust hat auf Journalismus, der sagt, was ist, für den ist das Probeabo der UZ genau das richtige. Das Probeabo endet automatisch.

  • 20.10.2024 14:02Und nun?

    Neue Vorsitzende, die auch nach Ansicht mehrerer Delegierter blass blieben auf diesem Parteitag, keine Zuwächse aus der Grünen Jugend, ein Leitantrag, der die Schritte Richtung NATO beschleunigt, keine klare Haltung gegen den Völkermord in Gaza. Aber auch eine Absage an den Versuch des Parteivorstands, den deutschen Militarismus zu verharmlosen, ein klares Bekenntnis gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland, und eine handvoll hoffnungsvoller Kämpferinnen und Kämpfer für den Frieden im neugewählten Parteivorstand.

    Was das alles bedeutet für die linke Bewegung in Deutschland und für den Kampf für den Frieden, werden wir in Ruhe analysieren. Das Ergebnis lest ihr in den nächsten Ausgaben von UZ. In der Messehalle geht es jetzt weiter mit der Einstimmung auf den Bundestagswahlkampf. Wir packen derweil zusammen.

  • 20.10.2024 13:30Keine neue Liebe
    Sarah Lee Heinrich - UZ ist vor Ort - -
    Überraschung! Sarah-Lee Heinrich begeisterte die Delegierten ... Zunächst. (Foto: UZ)

    Die Rede von Ines Schwerdtner wurde von zwei Höhepunkten eingeklammert. Vor der Parteivorsitzenden kam Gerhard Trabert auf die Bühne. Bei der Wahl zum EU-Parlament hatte er für „Die Linke“ kandidiert. Sein Auftritt als Gastredner: umjubelt. Mit dem „bewussten Verbreiten von Unwahrheiten und Lügen“ würden in dieser Zeit Wählerinnen und Wähler getäuscht. „Wir tun das nicht!“ Trabert verwies damit auf die allgegenwärtige Hetze gegen Bürgergeldbezieher und Asylbewerber. Er arbeitete sein sozialpolitisches Programm ab, rechnete gewohnt fundiert vor, wie wenig Geld arme Kinder zur Verfügung haben und empörte sich über die Ungerechtigkeit des Gesundheitssystems. „Bitte setzt euch dafür ein, dass die Menschen in Deutschland nicht früher sterben müssen, nur weil sie weniger Geld haben“, rief er den Delegierten zu. Der Applaus war ihm sicher. Standing Ovation, Lichtshow, Abgang.

    Dann kam Ines Schwerdtner. Sie stieg mit einem Dank an Trabert ein. Er strebe nicht nach Macht, sondern nach Besserungen für die Menschen. „Du bist der, der einem Heiligen am nächsten kommt“, fischte sie noch ein bisschen etwas von Traberts vorhergehendem Applaus ab, bevor sie in eine eher dünne Rede einstieg. Wie van Aken betonte sie die Notwendigkeit des Zusammenhalts in der Partei. Dann lobte sie die Streitkultur des Parteitags.

    Am Montag gehe es los mit der Vorbereitung des Bundestagswahlkampfes. Die CDU plane die größten Angriffe auf den Sozialstaat. Auch die Ampelregierung sei nicht besser. Sie „schafft es, in diese Krise hineinzusparen“. Grüne und SPD müssten sich vorwerfen lassen, dass sie sich nicht gegen die FDP wehren wollten oder könnten. „Wir sind die Verteidigerinnen des Sozialstaats“, setzt Schwerdtner dagegen. Den Satz werde sie bald in jedes Mikrofon sagen.

    Schwerdtner machte den Rundumschlag: Krankenhausreform, Tarifrunde Öffentlicher Dienst, bevor sie ihr Augenmerk auf die Grünen richtete: „Für Bauchschmerzen könnte man sich Medikamente besorgen, wenn wir noch welche hätten in Deutschland“, kritisierte sie die weitgehende Abschaffung des Asylrechts unter Beteiligung der Grünen Partei. Die Grünen hätten ihre Ziele verraten und trieben die Militarisierung voran. Wer die Menschlichkeit verteidigen wolle, müsse sich „gegen die innere Zeitenwende“ stellen. „Ich grüße alle von der Grünen Jugend, die ihre Partei verlassen haben“, so Schwerdtner an dieser Stelle.

    Und dann begrüßte Ines Schwerdtner ihn endlich, den schon von van Aken angekündigten besonderen Gast: Sarah-Lee Heinrich, frühere Vorsitzende der Grünen Jugend. Gemeinsam mit ihrem Bundesvorstand war sie bei den Grünen ausgetreten, um eine „linke Kraft“ aufzubauen. Die Delegierten kriegten sich vor Begeisterung kaum ein. Plötzlich schien da noch eine echte „Linke“ zu sprechen! Verteilungskämpfe zwischen Oben und Unten führen, Klassenstandpunkt – herrlich. Das kann doch eigentlich nur in der einen Ankündigung enden, oder?

    Aber Heinrich erwies sich als Stimmungskiller. „Wir haben gerade eine Beziehung beendet“, erteilte sie der Mitgliedschaft in der Linkspartei eine Absage. Man müsse sich erst mal sortieren. Aber vielleicht – zwinkizwonki – könne man sich dann ja mal kennen lernen.

  • 20.10.2024 13:06Nicht viel …
    Van Aken Rede - UZ ist vor Ort - -
    Die Delegierten hatte Jan van Aken auf seiner Seite. (Foto: UZ)

    Jan van Aken tritt zu seiner ersten Rede als Parteivorsitzender an. Darauf hatte er sich gestern schon gefreut. Heute gibt es dafür sogar ein weißes Hemd.

    Falls die Arbeitszeiten weiter so seien, steigt er mit Blick auf die ausgefallene Mittagspause ein, werde er seine Gewerkschaftssekretärin anrufen. Als dann kurz nach ihm auch seine Rede, die noch nicht ausgedruckt war, auf der Bühne ankommt, will van Aken sein Versprechen einlösen, „über Frieden zu reden“. Da bleibt er, wie schon von gestern gewohnt, allgemein. Natürlich bleibe die Linkspartei eine Partei des Friedens, das könne er allen versprechen. Auch wenn man sich mal uneins sei, über die Ukraine, über Gaza. Trotz dieser Debatten gebe es doch vieles, in dem man einig sei, so van Aken. Das sie vor allem die Abrüstung.

    Er geht auf die Kampagne der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Reduzierung der weltweiten Rüstungsausgaben ein und schlägt sie auch für „Die Linke“ vor. Wenn jedes Land der Erde bei „10 Prozent für alle!“ mitmachen würde, müsste ja sogar die CDU mitmachen. Spart man schließlich Geld. Und bei den Landminen hat das ja auch geklappt.

    Und weiter geht es voluntaristisch: Jede Einzelperson könne was ändern. „Die Macht liegt auf der Straße“, findet van Aken.

    Danach erklärt er sich solidarisch mit allen angegriffenen Mitgliedern der Linkspartei, allen voran zwei Delegierten aus der Behindertenpolitik. Ihren Parteitagsauftritten war wohl Hetze und Spott in den sogenannten „sozialen Medien“ gefolgt. Und schon war wieder Schluss mit der ersten Rede des neuen Parteivorsitzenden. Bisschen Einigkeit, bisschen Abrüstung. Die Antwort auf die Frage einer Delegierten in der gestrigen Personaldebatte, ob in Gaza nun ein Völkermord stattfindet oder nicht, bleibt er weiterhin schuldig.

    Da hatte sich Ines Schwerdtner in der Debatte zum BGE inhaltlich deutlicher positioniert.

  • 20.10.2024 12:18Danke!

    Kaum haben wir es getickert, schon kommt die Reaktion. „Mediale Kräfte“ wollen die Reden der neuen Parteivorsitzenden „zeitnah“ verfolgen, sagt die Tagesleitung. Deshalb müsse die Satzungsdebatte unterbrochen werden. Der Parteitag ist einverstanden. Deshalb geht es mit der Satzungsänderung nach den Reden weiter.

  • 20.10.2024 12:08Es zieht sich

    In Halle läuft weiterhin die Antragsdebatte. Über den Tag mehrten sich die Vorwürfe von allen Seiten, die Abstimmungen seien von der Tagesleitung nicht ordentlich durchgeführt worden. Nicht alle konnten abstimmen, die Einwände wurden von der Tagesleitung – teilweise mit Verweis auf den schon gestern gerissenen Zeitplan – weggewischt. Die Abstimmungen heute zu Krieg und Frieden haben nochmal bestätigt, was sich in den Debatten und Beschlüssen der letzten zwei Tage schon angedeutet hat.

    Aktuell wird über die Satzung diskutiert. Das ist etwas für Freunde des gepflegten Formalismus, aber nicht für uns. So lange wie die Delegierten werden wir heute nicht ausharren. Aber die Reden der neuen Parteivorsitzenden, die für 12.15 Uhr geplant sind, nehmen wir noch mit.

  • 20.10.2024 11:37Kreative Aktion
    Name - UZ ist vor Ort - -
    Schall und Rauch – „Die Linke“ heißt jetzt „Die Linke“. (Foto: UZ)

    DIE LINKE hat einen neuen Namen. Sie heißt jetzt: Die Linke. „Mit dem neuen Corporate Design hat die Marke Die Linke eine neue Schärfe erhalten“, begründete das der Parteivorstand in seinem Antrag zur Satzungsänderung. „Der visuelle Bezug zum ,roten Keil‘ des Avantgardisen Eliezer ,El‘ Lissitzky wurde gestärkt – als gelerntes Zeichen für eine streitbare, progressive Linke. Und er zeigt, wo es hingeht: aufwärts und nach vorn.“ Bleibt noch zu ergänzen, dass der Pfeil vor allem nach rechts zeigt. Nun will man auf die brüllenden Großbuchstaben im Parteinamen verzichten. Für UZ ändert sich dadurch nichts, wir schreiben weiterhin „Die Linke“.

  • 20.10.2024 11:19Vorstandssache

    Nachdem „Die Linke“ daran gescheitert ist, ihre Position zur NATO und zum deutschen Imperialismus zu bestimmen, wurde der Antrag „Nein zu Krieg, Aufrüstung und Mittelstreckenraketen“ behandelt. Eingebracht wurde er unter anderem von der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationale Politik.

    Der Antrag forderte einen „Stopp aller mörderischen Waffenlieferungen besonders in die Ukraine und nach Israel.“ Zudem sollte sich die „Linke“ an Aktivitäten der Friedens- und Gewerkschaftsbewegung beteiligen. Die Friedensfrage sollte zusammen mit der Sozialpolitik „erste Priorität“ im Bundestagswahlkampf haben.

    Über den Antrag wurde nicht entschieden. Er wurde auf Antrag des Parteivorstands an den Parteivorstands verwiesen.

  • 20.10.2024 11:16Keine Haltung zum deutschen Militarismus

    Soeben wurde der Antrag „Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik“ behandelt, den die Kommunistische Plattform zusammen mit Cuba Sí und der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik eingebracht haben. Obwohl die Abstimmung beendet wurde, bevor alle Delegierte mit Open Slides teilnehmen konnten, sprach sich eine Mehrheit gegen den Versuch des Parteivorstands aus, den Friedensantrag vollkommen zu entkernen. Eine gemeinsame Haltung zum deutschen Militarismus fand der Parteitag trotzdem nicht.

    „Der deutsche Faschismus machte den deutschen Militarismus zu einer unfassbar grausamen, chauvinistischen Ausgeburt des Völkerhasses und des Völkermords“, so stand es im Antrag. In einem Gegenantrag forderte der Parteivorstand, diesen Satz und viele weitere zu streichen. Auch von 27 Millionen toten Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion sollte keine Rede mehr sein. Der Absatz sollte ersetzt werden durch den lapidaren Satz: „Zwei Weltkriege haben im zwanzigsten Jahrhundert Millionen Leben gekostet.“ Dieser Streichung widersprach Ellen Brombacher als Antragstellerin deutlich: Einer solche Streichung „kann man nicht zustimmen.“

    Wer die Nähe zur NATO-Haltung sucht, schweigt lieber zum deutschen Militarismus – alle Verweise darauf sollten auf Wunsch des Parteivorstands verschwinden. Folgerichtig wurde auch große Passagen mit Kritik an der NATO und an der Aufrüstung des Westens gestrichen. Statt sich in der Opposition zum deutschen Imperialismus zu verorten, für den die EU ein notwendiges Machtmittel ist, wollte der Parteivorstand folgenden Satz beschließen lassen: „Die Bundesregierung muss sich für eine strategische Unabhängigkeit der EU einsetzen, um in internationalen Konflikten glaubhaft vermitteln zu können.“

    Wulf Gallert, die Rechtsaußen-Allzweckwaffe des Parteivorstands, beschwerte sich darüber, dass im Ursprungsantrag die Militärausgaben Russlands ins Verhältnis zur NATO gesetzt wurden: Man könne immer sagen, die NATO-Länder geben mehr aus als Russland. Aber auch in Russland würden die Militärausgaben steigen, das müsse man kritisieren. Zudem wehrte sich Gallert dagegen, in Zwischenrufen „als Kriegstreiber beleidigt“ zu werden.

    Das Vorgehen des Parteivorstands sorgte für großen Unmut und zahlreiche Geschäftsordnungsanträge. Die EU-Abgeordnete Özlem Demirel kritisierte, dass der Parteivorstand bei allen Friedensanträgen „Ersetzungsanträge getarnt als Änderungsanträge eingebracht“ habe. Anträge von Genossinnen und Genossen könnten abgelehnt oder beschlossen werden. Aber der PV würde den Charakter verändern, bevor der Parteitag zusammenkommt: „Hört damit auf“, so Demirel unter dem lautstarken Zuspruch der Delegierten.

    „Stimmt dem Antrag zu, zeigt, dass dieser Parteitag gegen das Wiedererstarken des deutschen Militarismus ist“, so Ellen Brombacher, bevor es nach langem Hin und Her zur entscheidenden Abstimmung kam. Doch die Delegierten folgten dem nicht. Sie stimmten zwar nicht für den verdrehten Antrag des Parteivorstands, aber auch nicht für den Antrag „Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik“. „Die Linke“ hat keine gemeinsame Haltung zum deutschen Militarismus.

  • 20.10.2024 10:25Grundeinkommen abgelehnt

    Endlich mal ein bisschen Stimmung in der Debatte. Während die Befürworter des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) vor allem auf den Mitgliederentscheid verwiesen und innerparteiliche Demokratie einforderten, gingen die Gegner verstärkt in die inhaltliche Diskussion.

    Demokratie bedeute auch, Entscheidungen revidieren zu können, hieß es in der ersten Gegenrede. Ziel sei der demokratische Sozialismus, das BGE widerspreche diesem Anspruch. Heißt es doch bei Marx: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ Auch als Zwischenziel tauge es nicht. „Wer mehr braucht, muss auch mehr bekommen.“ Ungerecht sei es, bei unterschiedlichen Lebensverhältnissen gleiche Auszahlungen zu fordern. Das BGE würde außerdem 1,5 Billionen Euro kosten. Eine Partei, die stark genug wäre, das durchzusetzen, sollte lieber gleich den Sozialismus durchsetzen. Ähnlich klang das auch in anderen Reden der Kritiker. Das BGE sei keine Klassenpolitik und schwäche die Gewerkschaften. Die Forderung werde auch unter aktuellen Kräfteverhältnissen genutzt, um „den Sozialstaat weiter zu schleifen“.

    Eine Befürworterin warb für ein „Leben ohne ständige Angst, Bürgergeld-Bürokratie und Existenzsorgen“. Ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland verdiene weniger als 14 Euro pro Stunde und gerate dadurch in Altersarmut. Dass das Mittel dagegen eben der Kampf um höhere Löhne sein muss und das BGE nichts anderes als eine staatliche Bezuschussung niedriger Löhne ist, erwähnte sie nicht.

    20.000 Menschen hätten abgestimmt, hieß es in einer anderen Fürrede. Das entspricht knapp einem Drittel der Parteimitglieder. „Wir wollen euch nicht delegitimieren, delegitimiert ihr bitte nicht die Basis“, lautete das Argument, mit dem der Parteitag gewonnen werden sollte. Auch andere Befürworter warnten vor einer „Aushöhlung der Demokratie“. Schärfer drückte das ein anderer Delegierter aus: „Ich bin fassungslos. Es ist so beschämend, was hier abläuft“. Er stellte die „Demokratiefähigkeit“ der Partei in Frage. Der Mitgliederentscheid „mag umstritten sein. Aber das ist völlig egal. Wir hatten die Mehrheit“, bezweifelte er die Kompetenz des Parteitags, eigene Entscheidungen zu treffen. Unter Buh-Rufen warnte er vor „Egogewichse“ und davor, dass „Papa Gysi“ und „die ins Amt protegierte neue Parteivorsitzende“ den Mitgliederentscheid torpedieren würden. Man rede über „Awareness“ und „Ungleichheiten“. Am Ende würden die gewinnen, die die „geilsten Satzungstricks“ kennen und nicht die, „die sich einbringen“.

    Der Mitgliederentscheid verdiene „Respekt“. Der Parteivorstand müsse einen Vorschlag unterbreiten, aber der Parteitag könne ihn ablehnen, war die Gegenposition dazu. Man wolle eine „solidarische, gesellschaftliche Demokratie“. Vor zwei Jahren habe es kaum Beteiligung an den Debatten gegeben, die meisten Mitglieder hätten gar nicht gewusst, worum es gehe. Wenn einer fragt: „Bist du für ein solidarisches bedingungsloses Grundeinkommen?“, würden alle erstmal „Ja“ sagen.

    Auch die neue Parteivorsitzende Ines Schwerdtner beteiligte sich an der Debatte und sprach sich dafür aus, gegen den Antrag des Parteivorstands zu stimmen. Man sei sich einig darin, dass man für ein „menschenwürdiges Leben für Alle“ eintrete. Die Diskussion sei sehr „kulturvoll und zivilisiert“, befand sie. Merz habe bereits die Agenda 2030 angekündigt, die Angriffe auf den Sozialstaat nehmen zu, um jeden Cent müsse gestritten werden. Man müsse sagen: „Wir sind die Verteidigerinnen dieses Sozialstaats“.

    Mit überraschend großer Mehrheit lehnte der Parteitag den Antrag des Parteivorstands ab. Das BGE wird nicht ins Programm der „Linken“ aufgenommen – vorerst.

  • 20.10.2024 09:48Kein neuer Streit

    Die Auseinandersetzung um das Bedingungslose Grundeinkommen ist auch in der Linkspartei keine neue. Mehr zu den Hintergründen liefert dieser UZ-Artikel von Markell Mann aus dem Oktober 2022.

  • 20.10.2024 09:28Debatte? Oder lieber nicht?

    Als erstes geht es los mit einem Geschäftsordungsantrag. Aus Tübingen wird gefordert, das BGE heute nicht zu behandeln. Zu unterschiedlich seien die Ansichten, zu kurz die Beratungszeit – und es bestehe die Gefahr, dass das BGE auf diesem Parteitag einfach beerdigt werde. Die Parteitagsleitung hatte vorgeschlagen, in diesem Block jeweils fünf Befürworter und Gegner des Bedingungslosen Grundeinkommens zu Wort kommen zu lassen und dann in die Beschlussfassung zu gehen.

    Die Abstimmung ist uneindeutig und wird mit der Parteitagssoftware Open Slides wiederholt. Bei 420 abgegebenen Stimmen haben nur 177 für den GO-Antrag gestimmt, der somit abgelehnt ist. Damit findet die lang erwartete Debatte statt – 50 Prozent der Delegierten waren dafür, 40 Prozent dagegen.

  • 20.10.2024 09:16Endspurt!
    BGE Stand - UZ ist vor Ort - -
    In der Nebenhalle warten Befürworter des BGE auf eine Entscheidung. (Foto: UZ)

    Anderthalb Tage liegen hinter uns. „Die Linke“ hat einen Leitantrag beschlossen und einen neuen Parteivorstand gewählt. Gestern gab es noch eine Parteitags-Party. „Sehr gut“ sei die gewesen, verrät das Präsidium. Was jetzt noch bleibt: Die Antragsdebatte.

    Besonders sehnsüchtig erwarten die Delegierten die Diskussion über das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Ein Mitgliederentscheid, an dem sich nur eine Minderheit der Parteimitglieder beteiligt hatte, forderte die Aufnahme des BGE in den Forderungskatalog der Partei. Der Parteivorstand will heute nachziehen und das BGE ins Programm aufnehmen. Die gewerkschaftsnahe Linke läuft Sturm dagegen.

  • 19.10.2024 23:16Das passende Personal?
    Wulf Gallert - UZ ist vor Ort - -
    Wulf Gallert gibt gerne den Rechtsausleger des Parteivorstands. Bei der Wahl erhielt er die meisten Stimmen. (Foto: UZ)

    Am Ende eines langen Wahlabends hat sich „Die Linke“ einen Parteivorstand gewählt, der insgesamt zur Beschlusslage passt. Die beiden Parteivorsitzenden Jan van Aken und Ines Schwerdtner reden gerne von Frieden und Diplomatie, setzen aber auch auf Sanktionen gegen Russland. Wie der heute beschlossene Leitantrag schwanken sie dabei zwischen Äquidistanz und NATO-Linie. Tiefergehende Analysen des Ukraine-Kriegs? Fehlanzeige: Der Russe ist schuld. Und vom Völkermord in Gaza spricht man lieber auch nicht.

    Farblos blieben die Stellvertretenden Vorsitzenden, die in ihren Reden vor allem auf Floskeln zurückgegriffen und eher über die Verfasstheit der Partei als über politische Inhalte sprachen.

    Und dennoch gibt es ein bisschen Bewegung: Bei der Wahl des Parteivorstands kamen auch progressive Kräfte zum Zug. Kandidatinnen und Kandidaten wie Naisan Raji, Ulrike Eifler, Thies Gleiss oder Theo Glauch stellten den Frieden in den Mittelpunkt ihrer Bewerbung und konnten sich behaupten. Im neuen Parteivorstand werden sie kämpfen müssen – und in Anbetracht der Zusammensetzung des gesamten Gremiums keinen leichten Stand haben. Dass ausgerechnet Rechtsaußen Wulf Gallert die meisten Stimmen bekommen hat, lässt tief blicken. Aber dass sein Auftritt von Erfolg gekrönt war, passt auch zu diesem Parteitag.

    Für heute wird der Parteitag beendet. Die geplante Diskussion zum Bedingungslosen Grundeinkommen ist verschoben. Weiter geht es morgen um 9 Uhr.

  • 19.10.2024 22:42Jetzt nochmal mit Inhalt
    Stephan Jegelka - UZ ist vor Ort - -
    Frieden – ein wichtiges Thema nicht nur für ältere Ostdeutsche? Stephan Jegielka auf heißer Spur. (Foto: UZ)

    Am Ende gibt es dann doch noch ein bisschen Inhalt. Stephan Jegielka beginnt den letzten Block in der Vorstellungsrunde. Er knüpft an Naisan Raji an und verweist ebenfalls auf die Shell-Studie und die Sorgen und Ängste der Jugend: Krieg, Armut und die Folgen der Corona-Maßnahmen. Daraus folgert er, dass die Jugend die Themen diktiere – und ihre Gewichtung. Das Frieden nur „etwas für ältere Ostdeutsche“ sei, könne so ja nun nicht stimmen. Jegielka berief sich auf das Erfurter Programm, das nicht erneuert gehöre, sondern in das Zentrum des Handelns der Linkspartei. Das mache den Frieden zur Hauptaufgabe des Handelns. Der sei untrennbar mit der sozialen Frage verbunden.

    Auch Theo Glauch machte klar, dass er seine Kandidatur für den Parteivorstand mit der Friedensfrage verbindet. „Die Linke“ sei die Partei, die die Friedensfrage mutig vertrete. Auch für Glauch liegt die soziale Frage direkt daneben: Wohnen, so betont er, ist ein Menschenrecht.

    Thies Gleiss von der Antikapitalistischen Linken steigt mit einer Frage ein: „Wer denkt sich eigentlich solche Parteitags-Mottos aus?“ Bereit für ein gerechtes Morgen – das nehme ihn nicht mit. Er wirbt für eine „radikale Realpolitik“. Seine Diagnose: Der Partei fehle Antikapitalismus. Aufgabe sei es, „aus der Friedensbewegung eine Antikriegsbewegung“ zu machen. Dafür müsse man erklären, wie Kriege entstehen. Tue man das, könne man diese antikapitalistische Analyse der Kriegsursachen in praktische Politik umsetzen. Warum, so fragt er, trete niemand von der Bundestagsgruppe auf und sagt: „Ich bin für den Generalstreik gegen die Rüstungsproduktion“?

    „Ein Nein zum Krieg, ein Nein zu Waffenlieferungen und ein Nein zu Mittelstreckenraketen“ fordert Ulrich Thoden. Dabei dürfe man keine Angst vor der bürgerlichen Presse haben. Sorge müsse man sich erst machen, wenn „die Bürgerlichen positiv über uns berichten“. Solidarität erwachse aus der gemeinsamen Praxis. Das sehe man in den Gewerkschaften, die auch bunt zusammengesetzt seien. Im Gegensatz zur Linkspartei wüssten deren Mitglieder aber, dass man zusammenstehen müsse, wenn man Siege erringen wolle. „Nur mit geradem Rücken kann man vorwärts gehen“, beendete er seine Rede.

    Als letzter Kandidat (die Vorstellung erfolgte alphabetisch nach Vornamen) wirft Wulf Gallert seinen Hut in den Ring. Er war in der Antragsdebatte des Parteitags schon mehrmals mit Positionen aufgefallen, die sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China richten. Vertrauen in die Linkspartei als Friedenspartei sei laut Gallert deswegen verloren gegangen, weil sich die Partei nicht genug gegen Russland stelle. Den Beginn seiner drei Minuten nutzt er, um anzukündigen, dass er die Zeit „so sinnvoll füllen“ wolle „wie es geht“. „Wir haben den Kapitalismus heute und gestern an diesem Mikro vollständig vernichtet. Wir haben den Krieg vollständig vernichtet. Wir haben die internationale Solidarität hochleben lassen“, spottet der Rechtsausleger des Parteivorstands über die kämpferischen Reden seiner Genossinnen und Genossen. Dann sagt er noch, dass sich etwas verändert habe und man überlegen müsse, wie die Partei massenwirksam werde. Im Laufe des heutigen Tages war Gallert oft in die Bresche gesprungen, um den Leitantrag des Parteivorstands gegen fortschrittliche Änderungen zu verteidigen. Es bleibt abzuwarten, wie es ihm die Delegierten in der Abstimmung danken.

  • 19.10.2024 21:52Historischer Optimismus

    „Warum hältst du die Schließung eines Krankenhauses für eine pragmatische Lösung, und wie stehst du zu Waffenlieferungen?“, wird Lucas Fiola aus Bremen gefragt. Er beantwortet lieber andere Fragen, etwa zur „Medienkompetenz“. Damit ist er nicht allein. Da nur sehr wenig Zeit für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung steht, können sie sich aussuchen, was sie erzählen. Die Debatte macht das langweilig und allgemein. Darüber, dass alles schöner werden soll, können alle reden. Bei Streitfragen halten sie sich zurück. Zu einer richtig inhaltlichen Auseinandersetzung kommt es kaum. Als gelernte Optimisten hören wir trotzdem weiter zu.

  • 19.10.2024 21:25Soviel zum Zeitplan
    Personaldebatte - UZ ist vor Ort - -
    Hier sollte längst über Inhalte gestritten werden. Doch noch läuft die Vorstellung der Kandidaten. (Foto: UZ)

    Eigentlich sollten Personaldebatte und Wahl um 21.15 Uhr mit einem Gruppenbild des neuen Parteivorstandes beendet sein. Doch noch ist die Vorstellung der Kandidaten in vollem Gange. Wenn es heute Abend noch zur Antragsberatung kommen soll, wird es knapp. Dabei erwarteten viele Delegierte für diesen Zeitpunkt die Diskussion über das überaus umstrittene Bedingungslose Grundeinkommen. Und dann soll ja um halb elf auch noch die Party losgehen …

  • 19.10.2024 21:00Doch noch Lob

    Es gibt auch nachdenklichere Töne. Er sei das „C“ in ACAB, nämlich ein „linker Streifenpolizist“, stellt sich Jörg Mumme vor. Für die einen sei er die „Zecke“, für die Genossen manchmal „der Bulle“. Er kommt aus Freital in Sachsen und ist dort der einzige „Linken“-Stadtrat. Sachsen sei nicht „braun“ und auch nicht „Dunkeldeutschland“. Die Menschen hätten deutlich gemacht: „Hört auf mit eurer beschissenen Politik“. Er vermute, dass sie damit auch die „Linke“ gemeint hätten. Wir glauben: Da könnte was dran sein.

  • 19.10.2024 20:51Auf dem Boden des Programms
    Christoph Spehr - UZ ist vor Ort - -
    Spricht lieber nicht von „Völkermord“: Christoph Spehr (Foto: UZ)

    Ein „bisschen düster“ sei unser Live-Ticker, sagt eine Delegierte. Dabei verteilen wir gerne Lob! In der Vorstellungsrunde zur gemischten Liste bedürfte es dafür aber bislang überirdischer Kreativität.

    Christoph Spehr aus Bremen ist der Meinung, dass das „Pendel wieder zurückschlagen“ werde. Dann müsse man als Partei noch da sein, bestenfalls mit einer Fraktion im Bundestag. Zu „schwierigen Themen“ müsse man inhaltliche Korridore erarbeiten, sagte er mit Verweis auf die Gaza-Debatte gestern. Spehr könne mit unterschiedlichen Meinungen leben, aber nicht mit Sätzen, die niemanden außerhalb der Partei überzeugten. Einen Vorgeschmack darauf, welche Sätze ihm lieber sind, hatte die Palästina-Diskussion gestern geliefert. Dort nannte er die Besetzung Palästinas ein „Narrativ“, und auch der Begriff „Völkermord“ scheint zu denen zu gehören, die er lieber nicht verwendet. Stattdessen hatte er einen Antrag geschrieben, in dem es hieß: „Israel nahm sein Recht auf Selbstverteidigung wahr und begann eine Bodenoffensive zur Befreiung der Geiseln und zur Ergreifung der Täter und Verantwortlichen. (…) Dabei wurden und werden auch zivile Objekte bombardiert, von denen viele seitens der Hamas als Deckung für militärische Stützpunkte benutzt werden.“

    In der Fragerunde nach diesen Sätzen befragt, redet er lieber über die Sätze, die mit „Wir sind die einzige Partei“ anfangen, um dann nonchalant anzuschließen, dass er Antworten möchte. Und zwar auf die Frage, was ein angegriffenes Land, das seine Souveränität verteidige, denn machen solle ohne Waffenlieferungen. Für diese Haltung bezeichnet er sich ausgerechnet als Internationalist.

    Zuvor hatte schon Artyom Stasyuk gesprochen. Auch er will in den Parteivorstand. Er sei gegen den Krieg, sei aber auch der Überzeugung, dass „es keine Gerechtigkeit geben kann ohne Frieden. Und keinen Frieden ohne Gerechtigkeit“. Für „Die Linke“ seien Werte schon immer wichtig gewesen. Er habe den „Weg Russlands zu der aggressiven imperialistischen Macht mitverfolgt“. Auf die Frage, ob er auf dem Boden des Parteiprogrammes stehe, führte er aus, dass es absurd sei, wenn russisches Gebiet nicht beschossen werden dürfe. So werde man beschossen und dürfe nicht zurück schießen.

  • 19.10.2024 20:05Weiter geht‘s

    Vor der Wahl der gemischten Liste sind noch acht Plätze im neuen Parteivorstand unbesetzt. Die Liste der Bewerber, die soeben verlesen wurde: Lang, richtig lang. Wenn wir uns nicht verzählt haben, treten jetzt noch mehr als 30 Personen an. Neben den Männern, die nicht für die soeben gewählte Frauenliste kandidieren konnten, treten auch abgelehnte Bewerberinnen aus dem ersten Wahlakt erneut an.

  • 19.10.2024 19:20Hälfte geschafft

    Im ersten Wahlgang wurden neben Katharina Dahme, Olga Fritsche, Nina Eumann, Sabine Berninger und Kathrin Grebe auch Naisan Raji und Ulrike Eifler gewählt. Eifler war sogar noch in der Fragestunde aus der rechten Ecke der Partei angegangen worden, erhielt aber trotzdem 52,1 Prozent der Stimmen.

    In der Stichwahl setzte sich für den letzten Frauenplatz Margit Glasow durch. Die Tagesleitung lobt sich selbst für das rigorose Vorgehen und lässt über eine halbe Stunde Pause abstimmen. Die Delegierten nehmen dankend an.

  • 19.10.2024 19:07Gewerkschaften auf Frieden orientieren
    Ulrike - UZ ist vor Ort - -
    Möchte eine „starke gewerkschaftliche Stimme“ im Parteivorstand werden: Ulrike Eifler. (Foto: UZ)

    Einen starken Auftritt legte auch Ulrike Eifler hin, Bundessprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft. Die Gewerkschaftssekretärin wolle dafür sorgen, dass „es auch weiterhin eine starke gewerkschaftliche Stimme im Parteivorstand gibt“. Eine Partei, die sich für die Arbeiterklasse einsetze, brauche in der heutigen Zeit aber auch friedenspolitische Kompetenz. Das Gesundheitswesen werde militarisiert, Lehrkräfte werden verpflichtet, Soldaten in den Unterricht einzuladen. Die Aufrüstung diene den Interessen der Arbeitgeber. Forderungen wie „Kanonen statt Butter“ seien Angriffe auf die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter.

    Um die Partei aus der Krise zu führen, könne man über Streitereien und Sozialfonds reden. Daran sei nichts verkehrt. Die große Aufgabe werde es sein, eine „Alternative zum Krisen-, Kriegs- und Katastrophen-Kapitalismus“ darzustellen und aus einer Analyse der „Zeitenwende“-Widersprüche Politik für die Arbeiterklasse abzuleiten.

    Sie sei, so Eifler, deswegen Organisatorin der Konferenz Gewerkschafter für den Frieden, die das nächste Mal in Salzgitter tagen wird, weil es einerseits in den Gewerkschaften das Bedürfnis gebe, über Friedenspolitik zu reden, aber vor allem „müssen wir orientieren“, so Eifler. Die Gewerkschaften müssten endlich wieder stolzer Teil der Friedensbewegung sein.

  • 19.10.2024 18:44Sagen, was ist
    Naisan Bewerbung - UZ ist vor Ort - -
    Naisan Raji ist eine der wenigen, die die EU-Abgeordneten Carola Rackete und Martin Schirdewan für ihr Abstimmungsverhalten in der Taurus-Frage kritisiert. (Foto: UZ)

    Naisan Raji von der Sozialistischen Linken begründet ihre Kandidatur für den Parteivorstand mit dem Stichwort „Internationale Arbeiterbewegung“: Subjektive Erfahrungen wie die Angst vor Abstieg und Krieg sind weltweit verallgemeinerbar. Sie verbindet diese Aussage mit der jüngsten Shell-Jugendstudie, die die Angst der jungen Generation vor einem Krieg in Europa festgestellt hat. Wie könnte es „angesichts der geplanten Stationierung von Mittelstreckenraketen auch anders sein?“, fragt Raji unter Zustimmung des Publikums.

    In der Welt drehe sich was, das sehe man deutlich auch in der UN, in der die Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas immer wieder und immer öfter gegen die westlichen Staaten abstimmten. Und es zeige sich in der Bedeutung der Friedensinitiative für die Ukraine des brasilianischen Präsidenten Lula gemeinsam mit dem chinesischen Präsidenten Xi. In diesen Zeiten, so findet Raji, muss „Die Linke“ deutliche Worte finden. Und als eine der wenigen findet Raji auf diesem Parteitag auch deutliche Worte in Richtung EU-Abgeordnete. Nur eine der drei Abgeordneten habe dort entsprechend der Beschlüsse gehandelt und gegen die Lieferung von Taurus an die Ukraine gestimmt. Wie, so fragt Raji, soll „Die Linke“ unter solchen Umständen noch als antimilitaristisch wahrgenommen werden?

    Im Parteivorstand will sie „sagen, was ist“ und dafür sorgen, dass die Kriegsgefahr ernst genommen wird. Der Parteitag sieht das auch so und spendiert für die Verhältnisse dieser Personaldebatte viel Applaus.

    Klar blieb Raji auch in der anschließenden Fragerunde: Wie, so wollte eine Delegierte wissen, könne die „Linke“ wieder so widerständig werden, wie sie es im Jahr 2009 war, als sie deutsche Kriegsverbrechen in Afghanistan anprangerte? Das könne gelingen, wenn den Beschlüssen und Worten auch Taten folgen würden, so Raji. Etwa in Form eines deutlichen Widerspruchs, wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) wieder einmal verkünde, dass er selbstverständlich Waffen an Israel liefern werde. Gut wäre es.

  • 19.10.2024 17:46Parteivorstand wird gewählt

    Jetzt werden die restlichen Plätze für den Parteivorstand gewählt. Mit den Frauen fängt es an. Die Wahl soll bis 21.15 Uhr laufen und dann mit einem Gruppenbild enden. Es gibt 38 Kandidatinnen und Kandidaten für 26 Plätze. Über Höhepunkte halten wir euch auf dem Laufenden.

  • 19.10.2024 17:36Späte Tränendrüse

    Bevor Margarita Kavali (SDS) und Lisa Pfitzmann (Solid) zur Hochschul- beziehungsweise Jugendpolitischen Sprecherin gewählt werden konnten, brachte ein Delegierter noch einmal seinen Unmut darüber zum Ausdruck, dass fast eine palästinasolidarische Demonstration ins Haus gekommen wäre. Er zeigte sich erleichtert, dass die Aktivisten draußen bleiben mussten. Er habe Reden gehört, in denen es gegen den „illegtimen Staat Israel“ gegangen sei. Wer sowas sage, sei kein Bündnispartner. Was er dabei vergaß: Bei den Aktivistinnen und Aktivisten handelte es sich zum Teil um Parteimitglieder. Warum er diese „persönliche Erklärung“ mehrere Stunden nach der Entscheidung, die Demonstranten nicht reinzulassen, abgeben musste, blieb sein Geheimnis. Das Thema sorgt trotz des gestrigen „Kompromisses“ weiter für Unmut. Zahlreiche junge und migrantische Delegierte sind enttäuscht und fühlen sich durch den Mangel an Solidarität mit Palästina aus der Partei gedrängt. Gegenüber UZ kündigte eine migrantische Frau ihren Austritt aus der Partei für Montag an. Der Rassismus innerhalb der „Linken“ sei nicht mehr länger zu ertragen.

  • 19.10.2024 17:23Routinierte Langeweile
    Gysi - UZ ist vor Ort - -
    Routiniert und gelangweilt: Gregor Gysi (Foto: UZ)

    Geübt und auch irgendwie gelangweilt von seinem x-ten Auftritt vor einer kriselnden Partei erwartet Gregor Gysi von diesem Parteitag ein „Signal der Willenskraft und Leidenschaft“. Dann grast er alle Themen ab, die irgendwie von Belang sein könnten. Für die Zeit nach dem Ende des Krieges in der Ukraine soll die „Friedenspartei“ einen Nichtangriffspakt fordern. Junge und Alte muss man berücksichtigen, die Landbevölkerung nicht vergessen.

    Routiniert spult Gysi die Stichworte ab, die ein Parteitag der Linkspartei hören will: Chancengleichheit aller Kinder und Jugendlicher, soziale Gerechtigkeit, Steuergerechtigkeit, Ökologie und so weiter und so fort.

    Das bedingungslose Grundeinkommen findet Gysi nicht so gerecht, aber dass andere in der Partei das anders sehen, ist ihm Schnuppe: „Ja, und?“ Kann man ja mal unterschiedliche Vorstellungen haben.

    Dann gibt es noch Gleichberechtigung, Migration, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, und schon kommt Gysi zu einem Clou: Er werde mit Ramelow und Bartsch fein Essen gehen und bei einem Wein analysieren, ob „Die Linke“ die gewünschten Fortschritt gemacht habe. Wenn ja, starten sie die „Aktion Silberlocke“. Jeder der drei will ein Direktmandat für den Bundestag erreichen. Da ist dann doch Stimmung in der Bude. Das Gysi mit vielen Worten wenig Inhaltliches gesagt hat, fällt nicht auf.

    photo 2024 10 19 18 12 59 - UZ ist vor Ort - -
    Schelle Rede, schnell wieder weg: Gregor Gysi (Foto: UZ)
  • 19.10.2024 16:57Vertreter gewählt, Gysi da

    Maximilian Schirmer und Ates Gürpinar wurden neben Sabine Ritter und Luise Neuhaus-Wartenberg zu Stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Ihre Kandidatenbefragung wurde kurz durch die Ankunft von Gregor Gysi unterbrochen. Der wird nun auch eine Rede an den Parteitag halten.

  • 19.10.2024 16:51Herrengedeck
    Herrenrund - UZ ist vor Ort - -
    Von links nach rechs: Ates Gürpinar, Maximilian Schirmer und Nicolas Gentes Silva (Foto: UZ)

    Für die Herrenrunde bei der Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden wird die Geschäftsordnung geändert. Fragen dürfen nun nicht länger als 20 Sekunden sein, um die Taktik zu unterbinden, dass einzelne Delegierte die gesamte Fragezeit blockieren.

    Ates Gürpinar will dafür streiten, „dass die Partei Haltung zeigt“. Seit der BSW-Abspaltung seien 10.000 Mitglieder eingetreten, darauf könne man stolz sein. Die Partei müsse „stabil bleiben“, aber sich auch fokussieren. „Ich will eine Gesellschaft, die den Menschen das Leben nicht schwermacht“, fasste er seine weiteren inhaltlichen Ausführungen selbst zusammen.

    Ein „leidenschaftlicher Kommunalpolitiker“ ist Maximilian Schirmer, wie er sagt. Da sei die politische Arbeit konkret, im direkten Kontakt zu den Menschen. Er schildert die Geschichte eines Wohnhauses in seinem Wahlkreis. Dort gebe es Schimmel und der Aufzug sei kaputt. 70-Jährige müssten bis in den 18. Stock laufen. „Wir sind demokratische Sozialistinnen und Sozialisten“, sagt Schirmer. „Wir gucken jetzt nach vorne“, sagt er dann. „Wir sind eine politische Partei und wir diskutieren, Achtung, über Politik“, sagt er auch.

    Nicolas Gentes Silva macht den Schluss. In Österreich habe sich „der Populismus festgesetzt“, sagt er mit Blick auf die Wahlergebnisse der FPÖ. Nun müsse die „Linke“ pragmatisch vorgehen und „populistische Lügen“ entlarven. Es reiche nicht mehr aus, „Bilder von Porsche-Fahrern zu präsentieren“. Moralische Appelle träfen die Menschen kaum noch. Der Neoliberalismus habe eine Kultur des Individualismus erschaffen, in der jeder an sich selbst denke. Dazu müssten die Argumente passen. „Ich kandidiere, um neuen Wind zu bringen“, findet er dann doch noch in die Floskel-Wolke zurück, die die meisten Bewerber heute nicht verlassen haben.

  • 19.10.2024 16:22Keine Zeit für Fragen
    Neuhaus Wartenberg - UZ ist vor Ort - -
    Luise Neuhaus-Wartenberg wartete am Bistrotisch auf Fragen. Allein: Es kamen keine, weil Juliane Nagel die gesamte Redezeit mit einer langatmigen Lobhudelei verdaddelte. (Foto: UZ)

    Nun geht es an die Wahl der Stellvertretenden Parteivorsitzenden. Den Anfang in der Vorstellungsrunde macht Luise Neuhaus-Wartenberg. „Wir als Antifaschistinnen stehen fest auf der Seite der Demokratie“, schlägt sie auf. Welche Demokratie sie meint, sagt sie nicht. Wir vermuten, die bürgerliche. Sie sei mit „Leib und Seele Abgeordnete im sächsischen Landtag“, erfahren wir. „Sozialismus muss demokratisch sein“, wirbt sie gegen das „Hochziehen von Mauern“. Eine „moderne, sozialistische, demokratische Gerechtigkeitspartei“ will sie haben. An dieser Stelle haben wir das Mitschreiben aufgegeben und auf die nächste Kandidatur gewartet.

    „Ich bin Sabine Ritter“, begann Sabine Ritter von der Hamburger „Linken“ ihre Rede. Es gebe „jede Menge inhaltliche Differenzen“ – auch in Hamburg. Aber der Parteitag dort habe gezeigt, wie man sich verhält, wenn Wahlkampfzeit ist. Man brauche „Verständigung“ statt „Formelkompromisse“. Von der kommenden Aufgabe habe sie eine „recht genaue Vorstellung“, die sie anschließend referierte. „Unterhalb der allgemeinen Position, ich sag mal, der Haltung“, mangele es an konkreten Politikangeboten. Es brauche eine Debatte und belastbare außenpolitische Konzepte, fordert sie. „Eine Partei, die bei den Menschen ist“ und „von der die Menschen ganz genau wissen, wofür sie steht.“ Wofür Ritter steht, hat sich zunächst nicht erschlossen, aber vielleicht kommt das noch.

    Für großen Unmut sorgte Juliane Nagel. In der Befragung von Neuhaus-Wartenberg riss sie die gesamte Fragezeit für einen Monolog an sich. Weitere Delegierte konnten keine Fragen mehr stellen.

  • 19.10.2024 15:53Braucht man auch: Geschäftsführer

    Als Bundesgeschäftsführer kandidiert Janis Ehling. Er will einen besseren Umgang miteinander, mehr von anderen Linksparteien lernen, vieles voranbringen. Ihr merkt schon, allzu lange müssen wir die Rede nicht wiedergeben. Auch Ehling tritt ohne Gegenkandidaten an, da braucht man nicht viel erzählen. „Die Linke“ sei anders als andere Parteien, sagt er. Sie lasse sich nicht nach rechts ziehen. Er sei froh, dass Wagenknecht weg sei.

    Zu den inhaltlichen Fragen von Delegierten erklärte er, dass er als Geschäftsführer die Beschlüsse des Parteitags umsetzen würde und ließ sich sonst nicht darauf ein, etwa über Waffenlieferungen zu sprechen.

    Am Ende erhielt er 366 Ja-Stimmen.

  • 19.10.2024 15:38Braucht man: Schatzmeister

    „Ich bin nicht so der gefühlige Typ, aber ich habe ein gutes Gefühl“, sagt Sebastian Koch, der für den Posten als Bundesschatzmeister kandidiert. Das wird schon noch mit der Partei. Nach der Jubelshow um die Vorsitzendenwahl fällt die Stimmung deutlich ab. Viele Delegierte laufen in der Gegend umher. Man kann es ihnen nicht verübeln, einen Gegenkandidaten gibt es nicht und selber machen will den Job ja auch keiner. Wie soll es da schon ausgehen? Auf die Frage eines Delegierten, ob er der Meinung sei, dass er das mit dem Amt gut hinbekommen würde, antwortet Koch mit einem klaren „Ja“. Dann wird gewählt.

    Und siehe da: Koch erhält 80,6 Prozent der Stimmen und wird Bundesschatzmeister.

  • 19.10.2024 15:26Vorsitzende gewählt
    Schwerdtner vanAken Sieg - UZ ist vor Ort - -
    Feuerwerk und Standing Ovations für die neuen Vorsitzenden der Linkspartei. (Foto: UZ)

    Ines Schwerdtner, die ohne Gegenkandidatin angetreten war, erhielt 434 Ja-Stimmen und damit 79,8 Prozent. Jan van Aken erhielt satte 477 Stimmen und damit 88 Prozent. Das Stimmergebnis von Emanuel Schaaf ging im tosenden Applaus unter. Jetzt ist Zeit für Blumen, Lichtshow, Musik und Umarmungen – und Pyrotechnik vor der Bühne. Die Delegierten sind begeistert – und müssen nun den Bundesschatzmeister wählen.

    Bekanntgabe des Ergebnisses - UZ ist vor Ort - -
    Unzählige Fotografen standen vor den Kandidaten, um die Emotionen im Moment der Ergebnisbekanntgabe einfangen zu können. Da es hier sonst nur Fotos von Rednern am Pult gibt, haben wir einfach mal mitgemacht. (Foto: UZ)
  • 19.10.2024 15:22Friedenstaube im Anflug

    Auch Jan van Aken durfte nach seiner Vorstellung ein paar Fragen beantworten. Zu Wort meldete sich die „Enkelin des Kindermädchens der Familie Quandt-Klatten“, die van Aken in seinen Ausführungen zum obszönen Reichtum unterstützte. Gefragt wurde van Aken, der sich selbst als „Cheffriedenstaube“ bezeichnet, aber auch nach Waffenlieferungen, dem Krieg gegen Gaza und seine Haltung zur Wehrpflicht. In der Vergangenheit habe er sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen, „aber nicht sofort“, wie eine Delegierte sagt. Sie will wissen, wie das gemeint war? Eine andere Delegierte wollte wissen, ob van Aken Israels Vorgehen in Gaza einen Genozid nenne und bat um eine Antwort mit „Ja“ oder „Nein“.

    Wie zuvor schon Schwerdtner hatte auch van Aken nur zwei Minuten Zeit, um alle Fragen zu beantworten. „Ich fang mit der Feminismus-Frage an“, begann er. Das sei kein Frauenthema, sondern „ein Thema alter Männer“ – Szenenapplaus. In den Bundestag wolle er im Moment nicht. Zur Vielstimmigkeit insbesondere der Parteimitglieder mit „direktem Zugang zu Medien“ appellierte er: „Wir haben nur dann eine Chance, wenn ihr alle mal die Klappe haltet.“ Auch das kam gut an. Zur Friedensfrage werde er sich morgen äußern – die Zeit sei ja abgelaufen. Die Frage, ob er Israels Vorgehen in Gaza einen Genozid nenne, beantwortete er nicht. Auch dafür war keine Zeit.

  • 19.10.2024 15:18Täubchen gegen Zoff?
    van Aken Vorstellung - UZ ist vor Ort - -
    „Cheffriedenstaube“ im Jackett – und ohne Flügel: Jan van Aken (Foto: UZ)

    Jan van Aken hat zur Feier des Tages Kaputzenpulli gegen Jackett getauscht. Der ehemalige Biowaffeninspekteur der Vereinten Nationen, der sich selbst als „Cheffriedenstaube“ der Linkspartei bezeichnet, steigt in seine Vorstellung offensiv ein: „Guten Tag, mein Name ist Jan van Aken und ich finde, es sollte keine Milliardäre geben.“ Anders als Schwerdtner hat von Aken die Partei schon mit diesem Satz. Permanent wird seine Rede durch Applaus unterbrochen. Als van Aken, der seine katholische Kindheit betont und für den Nächstenliebe heute Solidarität heißt, allen von Rassismus Betroffenen zuruft: „Wir werden euch nicht allein lassen – kein Fußbreit dem Faschismus!“, werden „Alerta“-Rufe laut.

    Van Aken will eine Partei, die sich „mit den unanständig Reichen anlegt, die gegen den Strom schwimmt, die hilft, die kämpft, die organisiert“. „Konkrete Visionen aufzeigen“ solle „Die Linke“, bei denen die Menschen sofortige Verbesserungen sehen. Auch ansonsten malte er viele hübsche Bilder: Er wolle eine „Gesellschaft, in der wir uns alle gegenseitig helfen, in der wir uns alle frei entwickeln können und in denen wir in Harmonie mit der Natur leben.“ Das ist seine Zukunftsvorstellung für „Die Linke“.

    An der Basis lebe diese Partei, befindet der Hamburger, und dankt dafür ebenfalls Wissler und Schirdewan.

    Dann kokettiert er damit, sich nun „taktisch unklug zu verhalten“. Man bekäme bei seiner Wahl nicht nur den „lieben Jan von nebenan“, die „Friedenstaube mit dem Kaputzenpulli“. Sondern den, der sagt: „Jetzt ist Schluss mit Zoff!“ Das Versprechen, dass „Die Linke“ unter seiner Führung mit einer Stimme sprechen werde, wird van Aken kaum einlösen können. Doch die Delegierten glauben es, seine Rede, an deren Ende er verspricht, wieder in großer Stärke in den Bundestag einzuziehen – „und danach geht es dann richtig los“ – endet in tosendem Applaus und Standing Ovations.

  • 19.10.2024 14:51Vorstellung ohne Kandidat

    Emmanuel Schaaf aus Hessen kandidiert gegen Jan von Aken um den Parteivorsitz. Er ist allerdings beim Parteitag wegen Krankheit entschuldigt, und kann sich daher nicht persönlich vorstellen. Für ihn übernimmt Gesine Kölsch die Vorstellung. Er sei Mitglied der Ökologischen Plattform, aber auch Kölsch habe ihn nur einmal gesehen.

    Sie liest einen moralischen Brief über das „Schlamassel“ vor, aus dem die Partei nicht mehr herauskomme. Er spricht darin allerlei an, von SPD bis BSW, Klima, Mainstream und grünen Kapitalismus – worauf er in seiner Vorstellung hinauswollte, blieb unklar.

    Die bereits vor dem Parteitag veröffentlichte Bewerbung für den Parteivorstand:

  • 19.10.2024 14:43Zwei Minuten zur Welterklärung

    Nach ihrer Vorstellung hatten die Delegierten die Möglichkeit, Fragen an Ines Schwerdtner zu stellen. Typische Fragen wie die nach der Bundestagskandidatur im nächsten Jahr verbanden sich mit etwas hinterhältigen Fragen nach dem „Bedingungslosen Grundeinkommen“ – ein großer Streitpunkt in der Partei und eine gute Gelegenheit, den halben Parteitag gegen sich aufzubringen. „Ein bisschen schockiert“ zeigte sich eine Delegierte, weil Schwerdtner „Die Linke“ als „Partei des Ostens“ bezeichnet habe. Man habe schon genug mit der SED-Vergangenheit und dem Vorwurf, „Ostpartei zu sein“, zu tun. Auch Palästina, die Zukunft der „Linken“, Behindertenpolitik und Vertrauensverluste gegenüber der Partei spielten eine Rolle.

    Unschön, dass dieses Sammelsurium an Themen in insgesamt nur zwei Minuten beantwortet werden sollte. Hatte man so beschlossen, konnte man trotz der schieren Masse an Fragen nicht mehr ändern, so der Wahlvorstand. Also, Zeitraffer: Ja zur Bundestagskandidatur. Ja zu den Hochburgen im Osten, aber: Parteiaufbau im Westen. „Wieder bei den Menschen“ sein, ist gut. Gewerkschaftsarbeit ist wichtig, Streiks unterstützen auch, und „skeptisch, was das bedingungslose Grundeinkommen“ betreffe. Aha.

  • 19.10.2024 14:38Wo bleibt der Aufbruch?
    Schwerdtner Vorstellung - UZ ist vor Ort - -
    Lächelt in die Kamera, ohne Scampi zu essen: Ines Schwerdtner. (Foto: UZ)

    Ines Schwerdtner hat als Kandidatin für den Vorsitz keine Gegenkandidatin. Sie ist erst seit einem Jahr Mitglied der Linkspartei. Nun sucht die ehemalige Chefredakteurin von „Jacobin“ eine neue Karriere. Begleitet von Applaus und einem Pressetross (dem sich UZ angeschlossen hat, wie das Foto beweist) betritt sie die Bühne zur siebenminütigen Vorstellung.

    Zuerst geht auch sie auf die „schweren Wochen“ ein, die hinter der Partei liegen, „mit schweren Wahlkämpfen“. Auch sie dankt der Partei: „Ihr habt wunderbar gekämpft.“ Neben den objektiven Umständen von Rechtsruck und Krise gebe es, so Schwerdtner, eine Sehnsucht bei den Menschen. Die Antwort darauf sei „Die Linke“.

    Ein schwaches Bild gibt Schwerdtner ab, als sie Schirdewan und Wissler dankt und – ohne Namen zu nennen – noch mal in Richtung BSW tritt, die „bis zum letzten Tag“ „Scampi essend in die Kamera gelächelt haben“.

    Zum Frieden ist Schwerdtner der Ansicht, man habe als „Linke“ nicht den Standpunkt von Generälen oder Geopolitikerinnen, sondern von Wehrpflichtigen und Müttern, die Angst um ihre Kinder haben. Zu konkret wird sie lieber nicht. Auch sie betont, dass „Die Linke“ eine „Partei des Völkerrechts“ sei, findet, dass das bei der gestrigen Debatte um Gaza bewiesen wurde und dass „Die Linke“ darauf stolz sein könne.

    Zum Jahrestag des 7. Oktober veröffentlichte Schwerdtner auf ihrem Blog noch einen Beitrag, in dem auch sie vom „eliminatorischen Antisemitismus“ der Hamas schreibt und von dem „durch nichts zu rechtfertigenden“ Angriff. Dass vor der Tür Mitglieder der Linkspartei für Palästina demonstrieren und den Saal nicht betreten dürfen, erwähnt sie nicht. Der Applaus ist für die Wohlfühlrede durchaus ordentlich, doch niemand steht auf. Begeisterung, Aufbruch und Klarheit sehen anders aus.

  • 19.10.2024 14:08Protest unerwünscht

    Eine Delegierte nutzt die Zeit vor der Wahl, um einen Geschäftsordnungsantrag zu stellen, der erlauben soll, dass eine Delegation von drei der palästinasolidarischen Demonstranten vor der Tür das Gebäude betreten darf und zehn Minuten Redezeit bekommt. Sie darf den Antrag nicht zu Ende stellen, Licht und Mikro werden abgedreht. Die Tagesleitung ist der Meinung, es handele sich nicht um einen GO-Antrag. Man will in die Wahlen einsteigen. Debatte nicht möglich.

    Zu den Demonstranten vor der Tür gehören auch migrantische Mitglieder der Partei „Die Linke“. Sie beklagen den Rassismus, mit dem die Debatte um Palästina geführt werde.

    Nach einigen Minuten kommt die Tagesleitung zur Besinnung, die Antragstellerin darf ihren Antrag doch stellen. Draußen, so formuliert sie, stünden Leute, die „gehören zu uns. Und sie sind verzweifelt“. Sie zeigt sich überzeugt, dass aus den zuvor bereits angebrachten Feuerschutzgründen sicherlich drei Teilnehmende bereit sind, für diese zehn Minuten den Raum zu verlassen. Kathrin Vogler sieht das anders. Sie plädiert dafür, den Zeitplan einzuhalten, da alle darauf warten, „dass wir endlich einen neuen Parteivorstand bekommen.“

    Das Ergebnis der Abstimmung per Hand ist uneindeutig. Die Abstimmung zum GO-Antrag wird mit Open Slides wiederholt. Am Ende steht fest: So offen und solidarisch, wie in den vergangenen anderthalb Tagen betont, ist „Die Linke“ nicht. Der Antrag wird abgelehnt, der Protest bleibt draußen.

  • 19.10.2024 13:44Vorstandswahlen voraus

    Gleich soll die Personaldebatte beginnen. Als aussichtsreichste Kandidaten für den Parteivorsitz gelten die Publizistin Ines Schwerdtner und die selbsternannte „Cheffriedenstaube“, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jan van Aken. Was politisch zu erwarten ist, hat Rüdiger Göbel in der aktuellen Ausgabe von UZ hinterfragt.

  • 19.10.2024 13:19Das tut weh

    Ein weiterer Geschäftsordnungsantrag dreht sich um den Palästina-Protest vor der Tür: Der „Kompromiss“ von gestern müsse doch nun mal dem Praxistest unterzogen werden, gerade die Kandidatinnen und Kandidaten für den Parteivorstand sollten sich der Debatte stellen. Das könne nicht beschlossen werden, so die Tagesleitung, und wertet den Antrag als allgemeine Aufforderung. Auf die Bemerkung des Delegierten, es „tue weh“, dass von palästinensischer Seite gegen den Parteitag protestiert werde, wurde nicht eingegangen.

    Nach der Pause soll es nun um 13:45 Uhr mit der Wahl des Parteivorstands weitergehen.

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    Mit den Demonstranten vor der Tür zu reden, kann man nicht beschließen – so die Tagesleitung. (Foto: UZ)

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  • 19.10.2024 13:15Mehr Bekenntnis als Beschluss
    Leitantrag Beschluss - UZ ist vor Ort - -
    Große Mehrheit für das Glaubensbekenntnis (Foto: UZ)

    Generell ist festzuhalten: Die Dichte inhaltlicher Diskussionen ist höher als noch vor einem Jahr in Augsburg. Das zeigte sich auch in der Diskussion um den Leitantrag, der trotz zahlreicher Änderungsanträge nicht wesentlich verbessert werden konnte. Konnte die Linksjugend bei der Einleitung noch einen klassenkämpferischen Ton durchsetzen, unterließ es die Mehrheit, diesem Ton dann auch die passenden Forderungen und Positionen an die Seite zu stellen. In der Frage von Krieg und Frieden ist „Die Linke“ näher an die NATO gerückt. Die moralisierenden Einschätzungen des Krieges in der Ukraine unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der anderen bürgerlichen Parteien: Schuld ist der Russe.

    An vielen anderen Stellen bleibt die Orientierung des Leitantrags unklar. Zu viele Themen und Zustandsbeschreibungen, zu wenige Analysen und Positionen. Fast schon witzig, dass der Antrag einen ganzen Abschnitt dem Thema „Fokussieren“ gewidmet hat. „Wir werden gemeinsam entwickeln, welche Zuspitzungen wir bis zur Bundestagswahl und darüber hinaus in den Vordergrund stellen“, heißt es dort. Im gleichen Abschnitt verliert das Papier dann den Fokus, und befasst sich mit der „Ökonomie des Alltags“. Gemeint ist die öffentliche Daseinsvorsorge. Zum Abschluss folgt dann das Glaubensbekenntnis: „Wir versprechen, dass wir verlässlich gegen die unsoziale Politik der Regierung stehen werden.“ Amen!

    Das Glaubensbekenntnis wurde mit einigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen. Aus Siegen folgte ein Geschäftsordnungsantrag für eine begrenzte Debatte. Ständig werde von „Erneuerung“ geredet, sollten Wahlkämpfe gestemmt werden, obwohl in vielen Orten noch nicht einmal mehr Mitgliederversammlungen zustande kämen. Der Delegierte nennt das „in Schönheit sterben“. Katina Schubert vom Parteivorstand ist dagegen. Schließlich wären 70 Kreise vom Karl-Liebknecht-Haus aus besucht worden, und jetzt habe man sich eine Pause verdient. Das sah der Parteitag genauso und lehnte eine Debatte über das „in Schönheit Sterben“ der Linkspartei ab.

  • 19.10.2024 12:45„Wir haben verstanden“

    „Absolut skandalös“ sei es, dass Carola Rackete im EU-Parlament für die Lieferung von Waffen an die Ukraine gestimmt und Noch-Chef Martin Schirdewan sich nur enthalten habe, kritisiert eine Delegierte aus Bad Cannstatt.

    Man habe Beschlüsse „zu oft nicht in der Öffentlichkeit vertreten“, antwortet eine Vertreterin des Parteivorstandes. Kein anderer Parteivorstand übe so viel Selbstkritik wie dieser. „Wir haben verstanden“, deshalb müsse man im Leitantrag auch keine weiteren Festlegungen zur Beschlussverbindlichkeit treffen.

  • 19.10.2024 12:40Solidarität bleibt vor der Tür
    photo 2024 10 19 12 30 49 - UZ ist vor Ort - -
    Vor der Messehalle haben sich Demonstrantinnen und Demonstranten versammelt. Sie fordern klare Positionen gegen Israels Völkermord. (Foto: UZ)

    Während drinnen nicht über Frieden gestritten, sondern fröhlich durchgestimmt wird, steht vor der Tür inzwischen die Palästina-Solidarität und wirbt für eine klare Verurteilung des Völkermords. Denn, so hat die Gaza-Debatte gezeigt, „Die Linke“ tut sich schwer damit, Solidarität mit dem Volk Palästinas zu üben. Tragischerweise, so die Sprecherin der Demonstranten, sei das Völkerrecht linker als die Linkspartei. Den Test zur Bigotterie der „Linken“ hatte Handala Leipzig schon gestern verteilt: „Antrag G07.02: Palästina“ wurde gern entgegengenommen und auch fleißig und durchaus positiv in den Pausen diskutiert. Die Demonstranten hatten einen real vorliegenden Antrag zur Westsahara genommen, „Marokko“ durch „Israel“ ersetzt und „Frente Polisario“ durch die „Fraktionen des palästinensischen Widerstands“. Und siehe da, auf einmal war Solidarität machbar. Zufälligerweise gibt es just jetzt einen Geschäftsordnungsantrag, Besucher von draußen reinzulassen. Die Tagesleitung verweist auf Brandschutzbestimmungen, der Parteitag folgt ihr. Schade. Die Debatte mit den Solidaritäts-Aktivisten hätte Erkenntnisse bringen können.

    photo 2024 10 19 12 30 25 - UZ ist vor Ort - -
    (Foto: UZ)
  • 19.10.2024 12:22Gegen IHRA? Nö …

    „‚Die Linke‘ lehnt die Praxis ab, die ‚Arbeitsdefinition Antisemitismus‘ der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) in Kommunen, Behörden und Bundestagsbeschlüssen als Definition vorzuschreiben“ und daran die Vergabe von Fördermitteln zu knüpfen. „Die Linke verweist darauf, dass Antizionismus nicht gleich Antisemitismus ist.“ Diese schönen Forderungen gegen eine Definition, die Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichsetzt, wollen mehrere Berliner Bezirksverbände in den Leitantrag schreiben lassen. Dagegen spricht – ratet Mal! – Wulf Gallert. Der Parteitag hängt an seinen Lippen und lehnt den Antrag ab.

    Gestern hatte genau zu diesem Antrag Jan van Aken gesprochen und für eine zeitintensive Beratung im Parteivorstand zum Thema Antisemitismusdefinition geworben. Das der Antrag nun abgelehnt anstatt an den noch zu wählenden Parteivorstand verwiesen wurde, spricht Bände.

  • 19.10.2024 12:14Druck aus Bad Cannstatt
    Antragskommission - UZ ist vor Ort - -
    Viel zu tun für die Antragskommission in der Debatte über den Leitantrag. (Foto: UZ)

    „Wozu machen wir eigentlich ein Bundestagswahlprogramm?“, fragt sich Wulf Gallert, der die Verteidigung des Leitantrags nahezu vollständig alleine bestreitet. Grund dafür ist, dass der Ortsverein Bad Cannstatt nicht locker lässt. Statt die EU, die wie viele Regierungen nur den Interessen des Kapitals folge, mit „klugen Argumenten“ verändern zu wollen, brauche es massiven gesellschaftlichen Druck „durch die große Mehrheit der Bevölkerung, die kein Interesse an Aufrüstung und Krieg hat.“

    „Wir sind eine Partei, keine Friedensbewegung“, entgegnet Gallert. Deshalb wolle man Staaten und die EU mit Wahlerfolgen verändern. Das will auch der Parteitag und lehnt den Antrag aus Bad Cannstatt ab.

  • 19.10.2024 12:07Frieden? Nur „gerecht“ …

    Berlin Steglitz-Zehlendorf möchte weiteren Unsinn aus dem Antrag entfernen lassen: „Ein Friede kann nur ein gerechter Friede sein“. Alles nur Abwägung, meint der Vertreter des Parteivorstands, der gegen den Antrag redet. Ein weiteres Mal folgt der Parteivorstand der NATO-Linie: Gerecht ist, wenn der Russe weg ist. „Gerecht“, so ein Delegierter, der für den Antrag spricht, wäre doch vor allem das Ende des Sterbens. Das sieht der Parteitag anders.

  • 19.10.2024 12:00Der Hauptfeind steht im anderen Land

    Gegen Russland wird aufgerüstet, und die „Linke“ müsse gegen den deutschen Imperialismus kämpfen, sagt eine Delegierte aus Hamburg. Klingt erstmal unspektakulär plausibel für die Partei, die sich in den vergangenen Tagen mehrfach selbst als „sozialistisch“ bezeichnet hat. Deshalb soll ein Nebensatz zum Kampf gegen die „imperialen Bestrebungen nicht-westlicher Akteure“ aus dem Leitantrag gestrichen werden.

    „Die russische Aggression ist real“, entgegnet Wulf Gallert. Damit ist das Thema für ihn erledigt, die „nicht-westlichen“ Gegner müssen im Antrag stehen bleiben. Auch, weil „Die Linke“ deswegen als Friedenspartei nicht ankomme, weil sie nicht genügend gegen Russland sei. Das sieht der Rest des Parteitags auch so. Der Satz bleibt drin – schlechte Voraussetzungen für noch kommende Anträge zum Thema Krieg und Frieden.

  • 19.10.2024 11:49Weiter Richtung NATO

    Die Kommunistische Plattform will Reparaturen bei der Friedensfrage im Leitantrag durchsetzen. „Krieg ist ein politischer Akt“, sagt ein Delegierter für die Antragssteller. „Ahistorisch und apolitisch“ seien die Ansichten, die der Leitantrag nahelege. „Man wird keine Diplomatie fordern können, ohne die Vorgeschichte einzubeziehen.“ Würde der Leitantrag so beschlossen, wie er da stehe, relativiere das die Kriege der NATO, sagt ein Delegierter in einer Unterstützungsrede. Man dürfe nicht schweigen zur Osterweiterung und nicht zum vom Westen unterstützten Regimechange auf dem Maidan.

    Im Antrag heißt es, der „systematische Kampf des US-Imperiums mit der NATO im Schlepptau um Sicherung der Vorherrschaft“ mache das „aggressive Militärbündnis nicht zu einer Verteidigungskraft.“

    Das reduziere „den russischen Angriff auf die Ukraine auf die Vorgeschichte durch NATO, durch die USA“. Man müsse den Krieg „verurteilen“ und nicht „entschuldigen“, widerspricht Parteivorstandsmitglied Wulf Gallert dem Versuch, eine politische Einordnung des Krieges in den Antrag aufzunehmen. Und das, obwohl der KPF-Antrag durchaus den Kotau übt und von einem „völkerrechtswidrigen Krieg“ spricht, der „nicht gutzuheißen“ sei.

    Der Parteitag schließt sich mit großer Mehrheit Gallert an. Die Hintergründe des Krieges sollen im Leitantrag nicht auftauchen.

    Den Scharfmacher gegen Russland gibt Gallert auch bei den folgenden Anträgen, etwa beim Versuch der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft, die größte Irreführung aus dem Leitantrag zu streichen, nämlich folgenden Satz: „Doch es wäre ein Fehler den Ukrainekrieg auf seine – unbestreitbare – geopolitische Dimension und damit auf eine rein innerimperiale Auseinandersetzung zwischen den USA/NATO und Russland zu reduzieren.“ Der ist nun gleich mehrfach falsch. Trotzdem hält der Parteitag mit Mehrheit daran fest. Der Satz wird nicht gestrichen.

  • 19.10.2024 11:33Brandgefährlich!

    In den Kommunen sei die repräsentative Demokratie „nur noch Fassade!“ So steht es in einem Änderungsantrag der Linksjugend. Denn obwohl Wahlen abgehalten werden, „schränkt die Sparpolitik den Handlungsspielraum vieler Kommunen so weit ein, dass abseits von Pflichtausgaben politisch vielerorts nur noch über einstellige Prozentanteile des Haushalts entschieden wird.“ Das wärmt das Herz des anwesenden Kommunalpolitik-Redakteurs. „Sparpolitik, Aufrüstung und antidemokratische Verhältnisse sind uns aus der Weimarer Republik bekannt“, heißt es dann. Ein „geschichtsbewusster Antifaschismus“ müsse „Frieden, Soziales und Antifaschismus“ miteinander verzahnen.

    Der Antrag sei „brandgefährlich“, empört sich der Stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin. „Wenn wir sagen, wir haben nur noch eine Fassadendemokratie, dann gibt es nichts mehr, wofür wir noch kämpfen müssen.“ Man müsse stattdessen zur Verteidigung der Demokratie aufrufen.

    Der Parteitag zeigte sich gewohnt parlamentarismusbegeistert und lehnte den Antrag der Linksjugend mit großer Mehrheit ab.

  • 19.10.2024 11:23Nicht jammern

    Die Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft schlägt vor, die Zeilen 99 bis 111 im Leitantrag einfach zu streichen. Denn: „In einen Leitantrag gehört Orientierung und nicht jammern“, heißt es in der Begründung. In dieser Passage steht, was „Die Linke“ falsch gemacht haben will. Zum Beispiel: „Wir waren nicht gut genug dabei, Skepsis und Verunsicherung genauso anzunehmen wie Ungeduld und Empörung.“ Solche Sätze seien als Selbstkritik „zu dünn“, sagt ein Delegierter in der Fürrede. Man solle lieber sagen, dass man gegen „Krieg aufsteht und gegen Sozialabbau aufsteht“, anstatt immer zu sagen: „Wir waren so schlecht“.

    Den Parteitag überzeugt das, die Passage wird gestrichen.

  • 19.10.2024 11:18Soviel zum Parlamentarismus

    Der Leitantrag orientiert sich an „linken Erfolgen in Frankreich oder Skandinavien“. Der Ortsverband Bad Cannstatt sieht das anders. „Die sind für Waffenlieferungen an die Ukraine“, daran könne man sich kein Beispiel nehmen, sagt die Antragstellerin. Stattdessen soll die „Linke“ „gestützt auf außerparlamentarische Massenbewegungen (...) betriebliche und gewerkschaftliche Kämpfe durchsetzen.“ Parlamente sollen als „Tribüne für harte Kritik an den prokapitalistischen Parteien und den wirtschaftlich Mächtigen genutzt werden“, versucht der Antrag das Verhältnis der Partei zum Parlamentarismus zu bestimmen. Man müsse doch mal hinterfragen, ob man einen „Wahlerfolg schon als Verbesserung für die arbeitende Klasse“ verkaufen wolle, sagt ein Delegierter. Der Parteitag sieht das anders und lehnt den Antrag ab.

  • 19.10.2024 11:07Etappensieg für die Jugend

    Nun werden die Änderungsanträge zum Leitantrag diskutiert und abgestimmt. Es geht los mit einer dicken Niederlage für den Parteivorstand. Ein längerer Ersetzungsantrag der Linksjugend Solid wurde mit Mehrheit beschlossen. „Wir leben in einer offenen politischen Situation, Klassenkämpfe toben“, beginnt dieser und schärft die seichten Ursprungsformulierungen nach. Für die einen bedeute die „Krise ein gutes Geschäft, für die anderen Elend, Tod und Unsicherheit. Wenn Nahrungs- und Energiepreise die einen in die Schulden treiben, sprudeln bei anderen die Börsengewinne.“ Der Jugendverband kritisiert Privatisierungen in der Daseinsvorsorge, „weil in einem unterdrückerischen Profitsystem die Interessen der Mehrheit immer dem Profitstreben der Wenigen unterworfen werden.“ Ein „demokratisches Aufbegehren“ solle die „Spaltung der lohnarbeitenden Klasse überwinden“ und der „Kampf um Sozialismus auf die Tagesordnung“ gesetzt werden. Der Leitantrag wird dadurch nicht repariert, aber in der Einleitung ein anderer Ton gesetzt. Nun müssten bei den entscheidenden Fragen – wie der Friedensfrage – diesen Worten auch Beschlüsse folgen.

  • 19.10.2024 10:42Gruß und Kuss
    Abschied Wissler Schirdewan 1 - UZ ist vor Ort - -
    Zum Abschied gab es Blumen und ein eigenes Bilderbuch. (Foto: UZ)

    Verabschiedet wurden Janine Wissler und Martin Schirdewan von den Kommissarischen Geschäftsführern Katina Schubert und Ates Gürpinar. Es sollte herzlich sein. Aber: Herzlich liegt den beiden nicht, und so stammeln sie sich eher schlecht als recht durch die politischen Biografien der beiden. Schubert lobt Schirdewan für seinen „Antifaschismus“, und Gürpinar Wissler dafür, dass sie im Büro manchmal selbst ans Telefon gehe. Dazu gibt es Fotos von Streiks und Aktionen. Herzerwärmend ist das alles aber nicht. Das tut der Stimmung auf dem Parteitag keinen Abbruch. Der erhebt sich mit nur wenigen Ausnahmen, um den scheidenden Vorsitzenden zu danken – dazu schallt Tracy Chapmans „Talkin’ ‘bout a Revolution“ aus den Lautsprechern. Endlich gibt es auch Blumen und ein „Erinnerungsbuch“ als Abschiedsgeschenk. Die Ironie, ausgerechnet bei Wissler und Schirdewan ein Lied vom Reden über die Revolution abzuspielen, entgeht den Anwesenden.

    Abschied 2 - UZ ist vor Ort - -
    Der Staffelstab wird übergeben. Nach der Abschiedszeremonie kamen Jan van Aken und Ines Schwerdtner vorbei. (Foto: UZ)
  • 19.10.2024 10:38Leiden am Leitantrag

    Der Leitantrag des Parteivorstands wurde eingebracht. „Gegen den Strom“ heißt das Dokument. 13 Seiten ist er lang, aber konkrete Analysen und daraus resultierende Forderungen finden sich kaum. „Die Linke“ sei „zweifellos in einer gefährlichen, existenzbedrohenden Situation“, heißt es. Dem kann man zustimmen, so wie man auch vielen anderen Sätzen zustimmen kann, die etwa die Gewinne der Rüstungskonzerne geißeln oder den sozialen Kahlschlag kritisieren. Und was folgt für „Die Linke“ daraus? Man will sich auf einigen Feldern „weiterentwickeln“, steht da, bevor der Reigen der Konjunktive beginnt.

    „Wir entwickeln Konzepte, wie das Leben in den Kommunen für alle sinnvoll gestaltet werden kann.“ Auch die „Forderungen und Reformkonzepte“ zu gleichwertigen Lebensverhältnissen will man „weiter entwickeln“. „Wir werden die Militarisierung (…) zurückweisen“ und natürlich auch „tragfähige Konzepte“ zur weltweiten Abrüstung entwickeln. Auf die Friedensfrage „wird unser Bundestagswahlprogramm 2025 konkrete Antworten liefern.“ Außerdem will man „die Verbindungen in die Gewerkschaften“ stärken. „Wir wollen Vernetzungen, Gesprächsformate und Strategieberatungen“ zu diesem Zweck ausbauen. Und so geht es immer weiter. „Wir konkretisieren“, „wir wollen“, „wir entwickeln“.

    Wo es konkret wird, wird es seltsam. Hauptherausforderung in der Friedensfrage sei nicht der Kampf gegen den deutschen Imperialismus oder die NATO, sondern: „Insbesondere der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands (…) hat ‚Die Linke‘ vor neue Herausforderungen“ gestellt. Zwar würden auch USA und NATO „eigene geopolitische und strategische Interessen“ verfolgen, aber es wäre „ein Fehler, den Ukrainekrieg auf seine – unbestreitbare – geopolitische Dimension und damit auf eine rein innerimperiale Auseinandersetzung (…) zu reduzieren.“ War auf dem Augsburger Parteitag schon die Äquidistanz ärgerlich genug, droht „Die Linke“ mit solchen Beschlüssen ganz ins NATO-Lager zu kippen. Die „ukrainische Bevölkerung kämpft um ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung“ heißt es da, wodurch der NATO-Feldzug gegen Russland und China zum nationalen Befreiungskampf verklärt wird.

    „Nicht nur der Globale Westen, sondern auch Staaten wie Russland, Iran oder China, sowie in einer Doppelrolle die Türkei, kämpfen um regionalen oder globalen Einfluss“, geht es munter weiter. Alles irgendwie dasselbe. Und was ist denn jetzt mit dem Kampf für Frieden? „Ein Friede kann nur ein gerechter Friede sein.“ Die „russischen Truppen“ müssten sich zurückziehen, und auch ein Waffenstillstand müsse kommen, der aber „sicherstellt, dass er keiner Partei militärische Vorteile für eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen verschafft.“ Das klingt in anderen bürgerlichen Parteien nicht sehr anders. Immerhin: „Die Linke“ will sich gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland aussprechen. Dieser Hinweis muss als Lob genügen.

    Mehrere Anträge wollen den ganzen Leitantrag ab- oder ersetzen. Rund 200 Änderungsanträge liegen vor. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Zunächst schließen wir uns einem Satz des Kreisverbands Freiburg an, der in seinem Änderungsantrag an den Parteivorstand schreibt: „Als wir euren Antrag diskutiert haben, waren wir als aktiver Kreisverband sehr verzweifelt.“

  • 19.10.2024 10:34Auf die Siegerstraße?
    Schirdewan Rede1 - UZ ist vor Ort - -
    Da war was los am Pult: Martin Schirdewans letzte Rede als Parteivorsitzender. (Foto: UZ)

    Jetzt ist es auch für Martin Schirdewan soweit: Die letzte Rede als Parteivorsitzender. Ab 13.15 Uhr wird neu gewählt. Vorher darf Schirdewan aber noch – wie alle seine Vorrednerinnen und Vorredner in Amt und Würden – nicht nur die starke Linkspartei loben, sondern auch den Leitantrag in den Parteitag einbringen. Also zum Schluss nochmal unangenehme Aufgaben erledigen. Denn ein vorwärtsweisendes Glanzstück ist der Antrag des Parteivorstands nicht. Das wissen auch die Delegierten, haben sie doch mehr als 200 Änderungsanträge gestellt und wollte der Landesverband Bayern ihn direkt ohne Behandlung an den Parteivorstand überweisen. Zudem kommt ihm auch noch die undankbare Aufgabe zu, den Bericht der Linkspartei aus dem Europaparlament einzuflechten. Da hatten sich Schirdewan und Rackete nicht mit Ruhm bekleckert: Stichwort Taurus-Lieferungen.

    Aber erst mal wird losgelobt und losgedankt. Nicht einfach, aber mit Wind im Gesicht sei sie immer da gewesen, man kriege „Die Linke“ nicht so einfach unter, so der scheidende Vorsitzende, der nicht wieder kandidieren will. Um das zu illustrieren, erzählt er Anekdötchen und verteilt Dank, seien doch aktive Linksparteiler einer großen Gefahr durch den rechten Mob ausgesetzt.

    Der „neue Faschismus“ greife um sich in Europa, so Schirdewan – und meint damit konkret Viktor Orban. Dem „kleinen Diktator“, so brüstet sich Schirdewan, habe er seine Politik um die Ohren gehauen, um danach – oh Jubel – mit der ganzen Fraktion „Bella Ciao“ anzustimmen. Nochmal zur Erinnerung: Schirdewan hatte sich bei der Frage der Taurus-Lieferungen an die Ukraine enthalten, Carola Rackete sogar dafür gestimmt. „Antifaschistisch“ scheint mit Kriegstreiberei und Abnicken von NATO-Politik in den Augen Schirdewans hervorragend vereinbar zu sein. Sein Abstimmungsverhalten erwähnt er aber nicht. Ansonsten kommen die linken Klassiker von Geld für Alleinerziehenden bis Milliardärssteuern.

    Nachdem er „den Parteitag wachgesprochen“ hat, will Schirdewan eigentlich nachdenkliche Töne anschlagen. Stattdessen nennt er das BSW einen „rechtsdrehenden Personenkult“ und schreit ins Mikro, sie stünden „an der Seite von Orban und Putin“. So sieht es aus Sicht der NATO, die offensichtlich auch die Schirdewans ist, wohl aus.

    Nach Eigenlob für sich und Wissler für das Aushalten in schweren Zeiten lobt er die Debatte zu Gaza am Abend vorher als „Sternstunde der innerparteilichen Demokratie“. Er nennt Israels Vorgehen in Gaza ein Kriegsverbrechen, fordert einen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und eine Zweistaatenlösung. Und muss, wie alle anderen hinterher, betonen, dass in der Linkspartei kein Platz für Antisemitismus ist und „Hamas und Hisbollah keine Befreiungsorganisationen“ seien. Noch schnell die Terrorismusdefinition hinterhergeworfen und weiter populäre Forderungen.

    Die Waffenindustrie solle verstaatlicht werden, damit keine Shareholder mehr Geld verdienten. Aber, so setzt er hinterher, der „Antimilitarismus“ der Linkspartei muss sich am Völkerrecht orientieren. Schirdewan orientiert sich aber dann doch lieber an der NATO und geißelt Russland für den Krieg in der Ukraine. Kriegsverbrechen unterstellt er gleich mit. Das ist keine Äquidistanz mehr, diese Sätze hätten genauso aus dem Mund von Bundeskanzler Scholz (SPD) fallen können.

    Der Rest ist dann nochmal die Rede eines Parteivorsitzenden: viel Lob, viel „Erneuerung“, viel „wir sind die besten“. Da gehört auch nochmal ein Dank an Ramelow dazu, der als Ministerpräsident „einen Hammerjob“ gemacht habe – genauso wie an Wissler für die „Freundschaft in schwierigen Zeiten“, den Parteivorstand und die persönlichen Mitarbeiter. Dann ist es auch schon Zeit, die Partei „gemeinsam auf die Siegerstraße zurückzuführen“. Die führt, wenn es nach Schirdewans Aussagen geht, Richtung NATO. Da nützt auch die geballte Faust auf der Bühne bei der Lichtshow nichts.

  • 19.10.2024 08:26Guten Morgen!
    Guten Morgen - UZ ist vor Ort - -
    Bald geht es in Halle weiter. (Foto: UZ)

    Um 9 Uhr geht es weiter mit dem Parteitag der Linkspartei in Halle. Zuerst werden Berichte entgegengenommen, bevor Martin Schirdewan das Wort ergreift. Auch die Bundestagsgruppe bringt die Delegierten auf den neuesten Stand.

    Leicht waren die letzten elf Monate nicht, wie man dem Bericht entnehmen kann. Die ehemalige Fraktion „Die Linke“ musste nach dem Abgang der späteren BSW-Abgeordneten liquidiert werden. Mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden gekündigt, die meisten arbeiten jetzt für eine der beiden neuen Gruppen. Die Abgeordneten vom Bündnis Sahra Wagenknecht werden im Bericht konsequent als „die andere Gruppe“ bezeichnet.

    Aber auch das restliche Parlament hat den „Linken“ im Bundestag böse mitgespielt. So versuchten die bürgerlichen Parteien, die Zahl der erlaubten Anfragen für die neue Gruppe auf zehn pro Monat zu begrenzen. Und auch das noch: „Zuallererst wurde die Sitzordnung geändert, die Gruppe wurde auf die hinteren Bänke verbannt und ist so weder für die TV-Kameras sichtbar (…) noch für die Menschen live vor Ort“. Der Umgang mit den Ausschussmitgliedern der Linkspartei sei „absurd bis unterirdisch“, heißt es.

    Unklar bleibt, wie gut das Verhältnis zwischen Gruppe und Partei ist. Manche Sätze klingen eher nach Kriegsberichterstattung: „Darüber hinaus ist das Vorstandsbüro der Gruppe angewiesen, belastbare Kommunikationskanäle auf der Arbeitsebene vom Bundestag in das Karl-Liebknecht-Haus aufzubauen.“ Wir wünschen dem Genossen Kabelverleger allen erdenklichen Erfolg.

  • 18.10.2024 23:00Das war Tag 1

    Der erste Tag des Parteitags der Linkspartei in Halle liegt hinter uns. Mit Spannung war die Nahost-Debatte erwartet worden. Auf eine klare Verurteilung von Israels Völkermord in Gaza konnte sich die Partei nicht einigen. Beschlossen wurde stattdessen ein „Kompromisspapier“, das auf Äquidistanz setzt. Delegierte zeigten sich unzufrieden mit der Analyse, aber unterstützten die darin aufgestellten Forderungen. Unangenehm aufgefallen ist, dass der Kompromissvorschlag den Delegierten erst kurz vor der Debatte vorlag, und durch seine Verabschiedung mehrere Einzelanträge erledigt wurden. Dieses Vorgehen des Parteivorstands mit ungewollten Anträgen hat System. Durch Ersetzungen werden Debatten verhindert. Medienvertretern war der Antrag deutlich früher durchgestochen worden. Im Gegensatz zum Augsburger Parteitag richteten sich Buh-Rufe diesmal eher gegen Vertreterinnen und Vertreter der deutschen „Staatsräson“. An der Basis scheint sich etwas zu bewegen.

    Morgen soll der neue Parteivorstand gewählt werden. Dann kandidieren auch Jan van Aken und Ines Schwerdtner für den Parteivorsitz. Außerdem stehen noch zahlreiche Anträge auf der Tagesordnung, unter anderem der vielgescholtene Leitantrag des Parteivorstandes, der erst noch eingebracht werden muss.

    Für heute ist erstmal Feierabend. Weiter geht es morgen früh um 9 Uhr.

  • 18.10.2024 22:41Erledigt!

    Große Erleichterung: „Wir haben diesen Block in unter einer Stunde erledigt“, so der Leiter der Antragskommission nach dem Ende der Nahost-Debatte. Ein Antrag, der forderte, künftig nicht mehr die IHRA-Definition für Antisemitismus innerhalb der „Linken“ zu verwenden, wurde an den Parteivorstand verwiesen. Eine Entscheidung darüber, ob sich „Die Linke“ künftig auf die „Jerusalemer Erklärung“ berufen will, wurde nicht getroffen.

    Die Jerusalemer Erklärung wendet sich gegen die Vereinnahmung des Antisemitismusbegriffs. „Die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus reagiert auf die ‚IHRA-Definition‘, die 2016 von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen wurde. Da die IHRA-Definition in wichtigen Punkten unklar und für unterschiedlichste Interpretationen offen ist, hat sie Irritationen ausgelöst und zu Kontroversen geführt, die den Kampf gegen Antisemitismus geschwächt haben“, so die Verfasser der Erklärung in der Präambel. In der Erklärung werden Äußerungen und Behauptungen im Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt festgehalten, die klar antisemitisch sind – und solche, die es eben nicht sind.

    Die Erklärung im Wortlaut:

  • 18.10.2024 22:32Kompromisspapier beschlossen
    Nahost Abstimmung - UZ ist vor Ort - -
    Mit großer Mehrheit stimmten die Delegierten für das „Kompromisspapier“. (Foto: UZ)

    Mit großer Mehrheit ist der Kompromissvorschlag, der erst kurz vor der Debatte den Delegierten zugänglich gemacht wurde, angenommen worden. Nachgelesen werden kann er hier:

  • 18.10.2024 22:27Völkermord ist Völkermord

    Domenica Winkler von der BAG Frieden und internationale Politik beruft sich in ihrer Ablehnung des Kompromisspapiers ebenfalls auf das Völkerrecht. Es gehe nicht weit genug, nur einen Waffenstillstand zu fordern, ohne das Schicksal der Palästinenser zu benennen – und die Tatsache, dass Israelis bereits im Kindergarten darauf vorbereitet werden, den Besatzungsstatus aufrechtzuerhalten. Auch Winkler bezieht sich noch einmal auf die Waffenlieferungen aus Deutschland. Satte 30 Prozent der israelischen Waffenimporte kommen von hier. Winkler lehnt die moralische Verhandlung des Nahost-Konflikts ab und erinnert ihre Partei lieber daran, dass hier etwas zu tun ist, um den Krieg gegen die Palästinenser zu beenden. Nach ihr stellt Thies Gleis (Antikapitalistische Linke) fest, dass man auch in der Linkspartei mal sagen muss, was ist. Und ein Völkermord ist ein Völkermord.

    Katina Schubert steigt mit dem „größten Massenmord“ an jüdischen Menschen „seit der Shoa“ ein und meint damit den 7. Oktober. Das „müssen wir erstmal feststellen“. Der Angriff der Hamas sei keine „logische Konsequenz von Kolonialismus“, wie man es in den „Kompromissantrag“ hineininterpretieren könne. Vielmehr habe „der Terror gegen Israel (..) mit der Staatsgründung“ begonnen. „Natürlich“ sei es so, dass die Lage in Gaza „schrecklich ist“. Aber auch die Wut und die Trauer darüber rechtfertigten keinen „Antisemitismus“ – den Schubert bei propalästinensischen Demonstrationen ausfindig gemacht haben will, ohne Belege dafür zu nennen.

    Als letzter der Redeliste steigt Wulf Gallert, Mitglied des Parteivorstands, in den Ring und verkündet, dass er zu den inhaltlichen Fragen nichts sagen will. Wohl aber will er zu den Verhandlungen was sagen. Der Streit um den Nahost-Konflikt sei so alt wie der Konflikt selbst, und alle Haltungen hätten ihre Berechtigung. Das sahen seine Vorredner auf Parteivorstandslinie zum Teil anders. Gallert findet, man müsse „Gottverdammt!“ doch auch in der Lage sein, die Perspektive des jeweils anderen einzunehmen, wenn das auch Israelis und Palästinenser können. „Das Gegenteil eines Fehlers ist auch ein Fehler“, schimpft er in Richtung von Christine Buchholz, der der Kompromissvorschlag nicht eindeutig genug war. Laut Gallert will der Parteivorstand vermeiden, die gleichen Fehler der Bundesregierung (gemeint ist die Unterstützung Israels) in die andere Richtung zu machen. Damit versucht er, dem Parteitag Äpfel für Birnen weis zu machen. Gut angekommen ist das nicht.

  • 18.10.2024 22:16„Hervorragende Debatte“

    Christoph Spehr, Antragsteller der Progressiven Linken, beschreibt die Arbeit in der Verhandlungsgruppe als schwierig, findet aber, wenn man so wie dort schon früher über andere Themen gesprochen hätte, dann wäre die Partei heute weiter. Dann erklärt er lang und breit, was man alles nicht sagen darf. Es gebe keine unschuldigen Sätze, wenn es um den Nahen Osten gehe. Wenn man den „zivilisatorischen Bruch des 7. Oktobers“ benenne, so Spehr, müsse man wissen, dass Netanjahu diesen Satz gebraucht, um den Krieg zu begründen. Elegant nennt er dann die Hintergründe des Angriffes der Hamas und ihrer Verbündeten ein „Narrativ“. Diese Erzählung von der jahrelangen Besetzung Palästinas soll laut Spehr dazu dienen, das „Massaker der Hamas“ als legitim im antikolonialen Kampf darzustellen. Das geht für Spehr nun auch nicht. Eine Vorgeschichte des 7. Oktobers soll es nach seinem Willen nicht geben. Es gibt teilweise Applaus für seine Haltung, aber auch lautes Gepöbel.

    Jan van Aken, die „Cheffriedenstaube“, meldet sich zu Wort. Es war eine „ganz, ganz hervorragende Debatte“. Der neue Antrag sei kein „Kompromiss“, sondern eine „richtig gute Weiterentwicklung“. Der erste Satz zeige, worum es geht: „Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand für Israel und Palästina.“ Die Linkspartei wolle, „dass die Waffen schweigen“.  Zudem beziehe sich der Antrag auf das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, der Teile der Besatzung als völkerrechtswidrig bezeichne, daran gebe es „nichts zu deuteln“. Nicht beschließen wolle man hingegen darüber, welche Antisemitismusdefinition „Die Linke“ nutze. Das sei „komplex“ und nicht „per Mehrheit auf einem Bundesparteitag“ zu klären. „Wir wollen nicht mehr miteinander streiten. Wir wollen mit der Bundesregierung streiten.“

    Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform (KPF) geht auf die Diskussionen auf dem Landesparteitag in Berlin ein, die zuletzt für Schlagzeilen sorgten. „Wir brauchen einen anderen Umgang miteinander“, stellt sie fest. Der Kompromissantrag sei mit einer besseren Kultur erstritten worden. Sie stimme zwar nicht mit allen Formulierungen überein, aber bedankte sich für die Erarbeitung. Dann ging sie auf den vorhin schon zitierten Bericht des Brandenburger Antisemitismusbeauftragten ein. Sie fühle sich „als Jüdin in Deutschland auch deshalb nicht vertreten, weil die Regierung nicht sagt: Schluss mit den Verbrechen in Gaza!“ Kampf gegen Antisemitismus und Solidarität mit dem palästinensischen Volk gehörten zusammen. „Die Klammer: Menschlichkeit.“

  • 18.10.2024 22:00Zeit für Haltung

    Inge Höger von der Antikapitalistischen Linken geht auf die streikenden Hafenarbeiter ein, die in Genua den Transport von Waffen nach Israel verhindern. Gleiches wünscht sie sich von der Linkspartei – und bezieht sich dabei auch auf das Erfurter Programm. Ausführlich geht sie auf die Vertreibung der Palästinenser und die israelische Siedlungspolitik ein, ebenso wie auf die UN-Resolutionen, die dies zu beenden suchen. Sie fordern in ihrem Antrag auch ein Ende der Besatzung von Gaza, Westbank und Ostjerusalems – wie es das Völkerrecht vorsieht. Denn, so Höger, die Linkspartei sei eine Partei des Völkerrechts.

    Christine Buchholz begründet den Antrag „Zeit für Haltung – gegen den Genozid in Gaza“. Sie zitiert die menschenverachtenden Äußerungen des israelischen Ministers Galant, der davon sprach, einen „Krieg gegen menschliche Tiere“ in Gaza zu führen. Diese Äußerungen und die Handlungen der israelischen Regierung zeigen die Realität: „Genauso sieht Völkermord aus.“ Deshalb reiche es auch nicht, dass, wie vom Parteivorstand vorgeschlagen, beschlossen werden soll, dass es darum gehe, einen „zukünftigen Völkermord“ zu verhindern. Es gelte, den derzeit stattfindenden Genozid zu stoppen. Zugleich wies sie die „Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus“ zurück. Es reiche in Anbetracht von Israels Krieg nicht, einen „abgewogenen Antrag“ zu beschließen. Es sei „Zeit für Haltung“.

  • 18.10.2024 21:52Asylrecht für Palästinenser

    Ferat Kocak aus dem Berliner Abgeordnetenhaus beginnt die Debatte mit der Begründung eines Antrags aus Berlin-Neukölln zum Schutz für palästinensische Geflüchtete. Damit soll festgehalten werden, dass sich die „Linke“ dafür einsetzt, dass Menschen aus Gaza und dem Westjordanland umgehend Asyl erhalten. Menschen, die vor Krieg fliehen, so Kocak, haben ein Recht auf Schutz. Die Bundesregierung beharre allerdings darauf, dass die Lage vor Ort „zu unübersichtlich“ sei, um Asyl zu gewähren. Ein klares Zeichen solle mit diesem Antrag laut Kocak gesetzt werden, gegen Rassismus und unmenschliche Asylpolitik.

  • 18.10.2024 21:47Debatte beginnt

    Der Antragskommission kommt die undankbare Aufgabe zu, durch das Minenfeld Nahost-Debatte zu führen. Der Leiter der Antragskommission betont, dass für ihn die Debatte um die fünf in diesem Komplex zu behandelnden Anträge eine „Sternstunde“ der Diskursfähigkeit der Linkspartei sei. Die Debatte soll nun für 30 Minuten geführt werden. Nach zehn Beiträgen à drei Minuten soll „Die Linke“ dann eine Haltung zum Nahen Osten haben, die alle Teile der Partei mitnimmt. Eröffnet wird die Debatte mit einer Videobotschaft der Organisation „Standing together“ aus Israel. Dem Verfahren mit zehn Rednern (zwei pro Antrag) stimmte der Parteitag mit Mehrheit zu.

  • 18.10.2024 21:34Kompromiss für Nahost?

    Gleich soll es losgehen mit der Nahost-Debatte. Mehrere Anträge liegen vor. Einige üben Kritik an Israels Völkermord in Gaza, ein anderer liegt voll auf Linie der „Staatsräson“. Lange haben die Antragssteller diskutiert, unter Begleitung des Parteivorstands und der selbsternannten „Cheffriedenstaube“ Jan van Aken auch noch heute. Der Prozess sei „gut verlaufen“, erzählt uns eine Delegierte, die dabei war. Das dabei entstandene „Kompromisspapier“ stelle die richtigen Forderungen auf, etwa den Stopp der Waffenlieferungen an Israel. Sonst sei es „stellenweise ärgerlich“ und äquidistant, obwohl der Inhalt des Papiers sich im Zuge der Diskussion „nach links verschoben“ habe. Dennoch werden gleich alle Anträge eingebracht. Mindestens zwei Antragsteller bleiben bei ihren ursprünglichen Anliegen und fordern das „Kompromisspapier“ heraus.

  • 18.10.2024 20:45Gute Presse
    UZ Logo Sagen was ist - UZ ist vor Ort - -

    „Seit wann reden wir denn mit der Presse?“, fragt ein Delegierter einen anderen, der sich gerade mit uns unterhält. Dann fällt der Blick auf das kleine Presseschild: „UZ! Ah, dann seid ihr also von der guten Presse.“ Ja, genauso ist das. Deswegen freuen wir uns auch, dass einige Delegierte hier in Halle unseren Live-Ticker verfolgen. Schöne Grüße an dieser Stelle, und noch ein wichtiger Hinweis: UZ gibt es nicht nur, wenn „Die Linke“ Parteitag hat – sondern Woche für Woche als gedruckte oder digitale Zeitung. Wer uns mal ausprobieren möchte, kann das ganz einfach im kostenlosen, sechswöchigen Probe-Abo tun. Das Abo endet automatisch.

  • 18.10.2024 20:13Prototyp
    Unruhe - UZ ist vor Ort - -
    Die Delegierten tröpfeln aus dem Saal, wo nun erstmal ein Workshop zu Rassismus stattfindet. (Foto: UZ)

    Der Parteitag wird unterbrochen für das Migrantische Plenum und einen gleichzeitig stattfindenden Workshop zu Rassismus.

    Als letzter in der Generaldebatte sprach Andreas Büttner, Antisemtitismusbeauftragter aus Brandenburg. Er rief zu einer „sachlichen Debatte“ über Antisemitismus auf. Damit bezog er sich auf die Diskussion beim Berliner Landesparteitag, wo der rechte Parteiflügel mit dem Antrag gescheitert war, der Hamas „eliminatorischen Antisemtismus“ zu bescheinigen. Die Mehrheit in der Berliner „Linken“ vermutete dahinter Holocaust-Verharmlosung. Wie um das zu bestätigen sprach Büttner nun davon, dass die Hamas der – Achtung! – „Prototyp des eliminatorischen Antisemitismus“ sei. Hut ab, darauf muss man in Deutschland erst mal kommen. Büttner warb auch für die hochumstrittene IHRA-Definition, die Israelkritik als „antisemitisch“ einstuft. Würde man davon abkehren, würde man sich gegen die jüdischen Gemeinden stellen. Starker Tobak.

  • 18.10.2024 20:03Moment des Gedenkens
    Gedenkrede - UZ ist vor Ort - -
    Still hörte der Saal zu, als Ismet Tekin sprach. (Foto: UZ)

     
    Vom „schlimmsten Tag seines Lebens“ sprach Ismet Tekin, der als Betroffener vom Anschlag in Halle im Jahr 2019 berichtete. Die Delegierten hörten bedächtig zu, als Tekin zum Widerstand gegen Antisemitismus und Rassismus aufrief. Am Ende gab es Standing Ovations.

  • 18.10.2024 19:51Finstere Zeiten
    Demirel - UZ ist vor Ort - -
    Özlem Demirel erhielt viel Applaus von den Delegierten. (Foto: UZ)

    „Ich freue mich sehr über den bisherigen Verlauf der Debatte“, steigt der Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger ein. Man brauche mehr „Linke“ in den Betriebsräten, mehr kämpferische Positionen in den Gewerkschaften. Der Schlüssel sei, „verbindende Interessen aller“ zu formulieren, „auch der Migrantinnen und Migranten“. Vor allem müsse man Klimapolitik als „Gerechtigkeitspolitik“ gestalten. Das kommt gut an. Doch der ganze Vortrag zur „Klassenpolitik“ und zur ökologischen Katastrophe kommt aus, ohne auch nur mit einem Wort die Friedensfrage zu erwähnen. Dabei ist es doch die Kriegspolitik, die zur weiteren Verarmung der Massen führt. Eine auffällige Leerstelle in dieser Zeit.

    Folgerichtig steigt Özlem Alev Demirel, die im EU-Parlament, anders als Schirdewan und Rackete, gegen die Lieferung von Taurus an die Ukraine gestimmt hatte, im Gegensatz zu Riexinger nicht fröhlich in ihren Redebeitrag ein. „Wahrlich, ich lebe in finsteren Zeiten“, zitiert sie Bertolt Brecht. Rechtsruck, tote Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen und der fürchterliche Krieg in Gaza, das sind laut Demirel die „finsteren Zeiten“.

    Sie erinnert daran, dass vor einem Jahr in Augsburg „der Angriff der Hamas“ deutlich verurteilt wurde und fordert ein, dass sich der Hallesche Parteitag an die Seite des palästinensischen Volkes stellt.

    „Wir haben eine Mitverantwortung für die 40.000 Toten“, ruft sie mit Blick auf die deutschen Waffenlieferungen an Israel – der Parteitag applaudiert lautstark, wie schon bei ihrer Forderung der Solidarität mit Palästina. Als sie schließlich die Rede mit einem Ruf nach der Stärkung der Friedensbewegung beendet, wird die Zustimmung laut. Das lässt hoffen für die Gaza-Debatte, die inzwischen für 21.30 Uhr erwartet wird.

  • 18.10.2024 19:06Wahl oder nicht Wahl?

    Nun geht die Generaldebatte weiter. „Die Partei ,Die Linke‘ befindet sich in einer existenzbedrohenden Krise“, hebt Inge Höger von der Antikapitalistischen Linken gleich zu Beginn die Stimmung. „Die Linke“ sei zu lange auf Anpassungskurs, fixiere sich auf Regierungsbeteiligungen und Parlament. Der Kompass dagegen könne nur das Erfurter Programm sein. Das Ziel bleibe Sozialismus, sagt sie. In den Bewegungen, insbesondere in der Friedensbewegung, müsse die Partei wieder sichtbar werden. Man könne es sich nicht mehr leisten, „mit vielstimmigen Positionen wahrgenommen zu werden“. Zum Schluss forderte sie einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten.

    Die Reaktionen auf Högers Rede zeigten, dass ein Riss durch die Partei geht. Knapp die Hälfte der Delegierten klatschte. Die andere Hälfte klatschte für den nächsten Redner, Kilian Fürstenau aus Sachsen. Er referierte Wahlergebnisse und Nachwahlbefragungen. „Eigentlich hätten wir viel stärker profitieren müssen“, sagte er mit Blick auf die Themen, die viele Wählerinnen und Wähler umtreiben. Als Schlussfolgerung forderte er eine Strategie für Wahlen in ländlichen Regionen.

  • 18.10.2024 18:5381 Prozent anwesend

    Eigentlich sollte die Generaldebatte um 18.45 Uhr weitergehen. Aber zuerst erhält die Mandatsprüfungskommission das Wort. Von 580 Mandaten seien 577 besetzt worden, 477 Delegierte seien tatsächlich gekommen – knapp über 80 Prozent. Davon sind 51 Prozent Frauen.

    Diskutiert wurde in der Kommission über die Zulässigkeit eines Mandates. Hintergrund war wohl ein Wechsel des Geschlechts. Die Mandatsprüfungskommission regt an, dafür Regelungen zu finden. Keinerlei Angaben wurden im Bericht zur sozialen Zusammensetzung des Parteitags, zu Gewerkschaftszugehörigkeit oder ähnlichem gemacht. Darüber hinaus ist die Beschlussfähigkeit festgestellt, und die Debatte könnte weitergehen, wenn nicht noch Open Slides getestet werden müsste. Nach der Probewahl soll es dann aber zur Diskussion kommen.

  • 18.10.2024 18:20„Die eigentliche Bedrohung“
    Ramelow - UZ ist vor Ort - -
    „Die Welt ist verrückt.“ – Bodo Ramelow (Foto: UZ)

    Die Generalversammlung wurde unterbrochen, Bodo Ramelow ist endlich aufgetaucht. Flugs wird das Mikro für die Tagesleitung ab- und die Lichtershow angedreht.

    Ramelow erklärt, er komme gerade aus der Bundesratssitzung, seiner letzten – außer, die Brombeere braucht noch ein bisschen. Dann zeigt er sich vor allem „stolz“ und „mit erhobenem Haupt“, trotz der verlorenen Wahl, weil er ja in einer Partei sei, die immer noch über die rede, über die keiner sonst mehr rede.

    Dann attestiert er der Welt, „verrückt“ zu sein. Er sei vor 25 Jahren in eine Partei eingetreten, die konsequent gegen Militarisierung und für Frieden war. Direkt im nächsten Satz erinnert Ramelow an die Erfolge gegen die Agenda 2010. Zur Friedenspolitik der Linkspartei kein Wort. Dagegen sei die Partei die einzige, die über Cum Ex, Cum Cum und Co. geredet habe. Diese Stimme, die den Finger in die Wunde lege, brauche es weiterhin. Vom Recht auf Arbeit, auf Wohnen und auf Bildung redet er, dem Applaus nach zu urteilen Balsam für die Seele der Delegierten.

    Dem BSW wirft er vor, dass es der Linkspartei in Thüringen 10 bis 15 Prozent „weggenommen“ hätte – sie seien „privatisiert worden“, genauso, wie die Bundestagsmandate der Ausgetretenen privatisiert worden seien.

    Aber bevor noch in eine tiefere Analyse zur verlorenen Wahl eingestiegen wird, hüpft Ramelow schnell von Thema zu Thema: Mobilität, Gesundheit gehörten nicht an die Börse; Betrug an Mieterinnen und Mietern durch Sharedeals wie bei Vonovia. Dass er vor lauter Begeisterung über sich selber aus der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ ein Bündnis zur Verstaatlichung macht, stört die Delegierten nicht. Dann zählt er munter weiter Dinge auf, über die man reden müsse: Kindergrundsicherung, Gemeinsames Lernen bis zur 8. Klasse, Behindertenpolitik, Renten an der Börse.
    Worüber man nicht reden müsse: Wahlniederlagen, Frieden mit Russland, Völkermord in Gaza. Die „eigentliche Bedrohung“ sei ohnehin das fossile Zeitalter. Viel lieber redet er darüber, dass er die Schnauze voll habe davon, dass jeder Spinner im Namen der Partei reden dürfe. Da müsse man doch mal vorgehen gegen dieses Meinungen haben auf X.

    Der Rest war die Wiederholung der immer gleichen Durchhalteparolen. Die Redezeitbegrenzung, die selbst für die Grußworte der internationalen Gäste galt, hat bei Bodo Ramelow keine Bedeutung. Und so redet er weiter von der Aufbruchstimmung der „Linken“ und schweigt vom Krieg. Standing Ovations gab es dafür am Schluss von vielen, Umarmungen von Schirdewan, Wissler, Schubert und Sören Pellmann. Buhrufe gab es aber auch.

  • 18.10.2024 18:11Warten auf Gaza

    Während Bodo Ramelow redet, warten viele Delegierte auf den von Ines Schwerdtner und Jan van Aken angekündigten „Kompromissantrag“ zu Israels Krieg gegen Gaza. Das Meinungsspektrum in der Partei reicht von der Unterstützung der „Staatsräson“ bis hin zur Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf. Wie man das zusammenbringen will, fragen sich viele Delegierte. Gerüchteweise soll die Nahost-Debatte gegen 21 Uhr beginnen. Am Antrag wird immer noch gearbeitet, so hört man. Möglicherweise ist darin von Genozid die Rede, wird gemutmaßt. Wenn das stimmt, wäre das ein Fortschritt zum Augsburger Parteitag. Dort war ein Delegierter, der den Völkermord in Gaza kritisiert hatte, gnadenlos ausgebuht worden. In der Generaldebatte fiel der Begriff bisher dreimal, ohne negative Reaktionen auszulösen.Wir sind gespannt.

  • 18.10.2024 17:37Klatschen erlaubt
    Ferat - UZ ist vor Ort - -
    Nach Momenten der Unsicherheit ging die Generaldebatte mit Ferat Kocak weiter. (Foto: UZ)

    Die Tagesleitung muss Zeit überbrücken. Bodo Ramelow ist noch nicht da, der Parteitag dem Zeitplan voraus, die Mandatsprüfungskommission noch nicht fertig. Also soll es mit der Generaldebatte weitergehen. Allerdings sind gleich die erste Rednerin und der zweite Redner nicht im Raum. Also erklärt die Tagesleitung nochmal, wie man sich benimmt: Jubeln ist erlaubt während der Generaldebatte, Klatschen auch. Quatschen soll man lieber nicht. Oder besser draußen. Aber ist es ein cleverer Schachzug, noch mehr Delegierte aus dem Raum zu schicken? Schließlich musste Ates Gürpinar vom Parteivorstand, der den Parteitag gerade leitet, schon bei den verschwundenen Rednern darauf hinweisen, dass es doch eigentlich ganz gut wäre, die Generaldebatte zu verfolgen. Ferat Kocak aus Berlin, UZ-Lesern von einer Diskussionsrunde zum Reaktionären Staatsumbau bei den UZ-Friedenstagen bekannt, sprintete dann doch noch schnell zum Redepult, um seine Kandidatur für das Bundestagsdirektmandat in Neukölln bekannt zu geben. Die Generaldebatte geht weiter.

  • 18.10.2024 17:24Wenig Liebe für die EL
    Baier1 - UZ ist vor Ort - -
    Walter Baier von der Europäischen Linkspartei kam zum Grußwort vorbei. (UZ)

    Die Generaldebatte ist unterbrochen. Die Mandatsprüfungskommission sollte ihren Bericht halten, ist aber nicht fertig geworden. Dafür wurde per Video die EU-Abgeordnete Manon Aubry zugeschaltet, die mit Schirdewan und Rackete im EU-Parlament sitzt. Ihr folgt live im Saal der Österreicher Walter Baier, Vorsitzender der Europäischen Linkspartei (EL). Als er die Grüße der EL überbringt, „deren Mitglied ihr seid“, bleibt es im Saal totenstill. Dass der Parteivorstand der Linkspartei die Abspaltung von der EL, die European Left Alliance for the People and the Planet (ELA) liebevoll beäugt, hat sich wohl auch zu den Delegierten rumgesprochen. Bei der geplanten Ausrichtung der ELA in Richtung NATO könnte es für einige in der Linkspartei ein böses Erwachen geben. Aber in der EL ist es ja auch schon nicht schön.

  • 18.10.2024 17:16Bier hilft

    Wenn man Rauchpause macht, kann man erfahren, was ein großer Teil der Delegierten von dieser Generaldebatte hält. Es ist voll im Pausenbereich, draußen vor der Tür und beim „Markt der Möglichkeiten“. Gespräche drehen sich darum, dass die ersten Beiträge ja noch ganz gut gewesen seien, es jetzt aber langweilig werde. Einige diskutieren, ob man nicht jetzt mal zu einer der bekannten Fast-Food-Ketten fahren könnte. Hier sei ja alles teuer (was stimmt). Andere haben schon nach einer bewährten Waffe gegriffen: An einigen Tischen stehen Leute zusammen und trinken Bier. Jetzt kommt ja auch erst mal nichts Interessantes mehr, so das eindeutige Urteil einiger Delegierter zur anstehenden Gastrede von Bodo Ramelow. Immerhin wurden nun vor der Tür einige große Blumensträuße aus einem Auto geladen. Ob für Ramelow oder doch noch für Wissler, ist noch nicht bekannt.

  • 18.10.2024 17:03Existenzfrage

    Hana Qetinaj vom Studierendenverband SDS warnte vor der Wiedereinführung der Wehrpflicht. Das Militär nutze die prekäre Lage der Jugend aus, um „5.000 Körper“ im Jahr zu gewinnen. Die Frage „Krieg oder Frieden“ sei für die Jugend zur Existenzfrage geworden. Qetinaj, die sich nicht scheute, den Krieg Israels gegen Gaza als Genozid zu bezeichnen, wurde mitten im Satz abgewürgt – Redezeit um, so Katina Schubert.

  • 18.10.2024 16:50Gegen das Duckmäusertum
    Naisan 2 - UZ ist vor Ort - -
    Rückkehr zur Widerständigkeit forderte Naisan Raji. (Foto: UZ)

    Ruhig, aber bestimmt geht Naisan Raji von der Sozialistischen Linken in die Kritik mit der Linkspartei. Erfolge seien in den ersten Jahren der Gründung vor allem mit einer klaren Politik gegen Neoliberalismus erreicht worden. Doch trotz dieser Erfolge seien heute Bereiche wie Gesundheit und Bildung dem Finanzkapital unterworfen – jetzt würden diese Bereiche auch noch militarisiert.

    Den eindeutigen Begriffen der Bundesregierung wie der der „Kriegstüchtigkeit“ stehe die Linkspartei „ziemlich farblos“ gegenüber. „Die Linke“ hinterlasse eine große Leerstelle, da sie nicht eindeutig zu Kriegen Stellung beziehe: Die Beschlüsse mögen ja sogar eindeutig sein, so Raji in Richtung von Leuten wie Martin Schirdewan und Carola Rackete, die Gesichter der Linkspartei seien es nicht.

    Raji erinnerte an Rosa Luxemburg und ihre viele Gefängnisstrafen als Kämpferin gegen den Krieg und an Karl Liebknecht, der als einziger Abgeordneter den Kriegskrediten seine Zustimmung verweigerte. In diesem Sinne, so rief Raji ihrer Parteiführung zu, möge man doch endlich das Duckmäusertum ablegen. Dass sich das Abstimmungsverhalten von Rackete und Schirdewan in diesem EU-Parlament nach diesem Aufruf ändern wird, darf man nicht erwarten.

  • 18.10.2024 16:45Moduswechsel
    generaldebatte bild - UZ ist vor Ort - -
    Die Generaldebatte läuft. Und läuft. Und läuft. (Foto: UZ)

    Die Generaldebatte tröpfelt vor sich hin. Viel „Zusammenhalt“, viel „Dank“, viel „tolle Wahlkämpfe“. An inhaltliche Kernpunkte wagen sich nur wenige Delegierte heran. Das schmeichelt den geschundenen Seelen der Delegierten – die Debatte bringt es aber nicht voran.

    Einige versuchen es dennoch. Aus Bayern beklagte Martin Bauhof, dass dem vorliegenden Leitantrag die „Power fehlt“. Wenn es heißt, die „Linke“ setze sich für die „Ökonomie des Alltags“ ein, nehme ihn das nicht mit. Bauhof forderte mehr Fokus auf Kernbotschaften – zum Beispiel: „Mieten runter!“ Wie das ankommt? Wir wissen es nicht genau. Die Reaktionen im Plenum werden von Beitrag zu Beitrag leiser. Der Parteitag schaltet in den „Wir ertragen es erstmal mit Fassung“-Modus. Die Schlangen vor den Essensständen werden länger.

    Aber einige Höhepunkte gibt es doch. Gleich mehr dazu.

  • 18.10.2024 16:29Strategie gefordert

    „Glück auf“, ruft Tim Roschig fröhlich ins Mikro. „Hier steht jetzt die Jugend.“ Er spricht für den Jugendverband Solid. Daher wolle er erst mal Salz in die Wunde streuen. Denn der Jugendverband habe erkannt, wo das Problem liegt: Die Partei hat keine einheitliche Strategie.

    Grundoptimistisch wünscht er sich also von dem Halleschen Parteitag nichts weniger als die Erarbeitung einer einheitlichen Strategie und eines Fahrplans. Und das zu den Streitthemen Frieden, Zielgruppe, Rolle der Parlamentsarbeit und Spielfeld der Politik. Denn der Jugendverband wünscht sich eine sozialistische Massenpartei.

    Um für diese für Nachwuchs zu sorgen, will man sich bei Solid im kommenden Jahr auf die Themen Wohnen, Umverteilung und Frieden konzentrieren. Vor allem auf letzteres, denn die Jugend habe Angst vor der Wehrpflicht.

    Und wie wollen sie die erreichen?

    „Achtung“, so Roschig, „jetzt wird’s revolutionär!“ Reden wolle man mit den Menschen. Und zwar mit denen, die noch nicht in der Politik erwähnt sind. Locker-flockig hat er da eines der Grundprobleme der Linkspartei angesprochen: Lifestyle-Politik für anpolitisierte Großstädter statt Arbeiterpolitik.

    Die UZ-Redaktion vor Ort wagt sich weit aus dem Fenster und gibt schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Parteitags eine Prognose ab: Die erhoffte einheitliche Strategie wird auch dieser Parteitag in Halle nicht bringen.

  • 18.10.2024 16:07Generaldebatte beginnt mit Gaza

    Munter wurde nach der Rede der Noch-Vorsitzenden Wissler in die Generaldebatte eingestiegen. Den Anfang machte – sichtlich überrascht von der zuvor nicht bekanntgegebenen Redeliste – Christine Buchholz. Die frühere Bundestagsabgeordnete knüpfte an die Rede von Janine Wissler an. Diese habe richtigerweise darauf verwiesen, dass „Die Linke“ niemanden zurücklasse. Allerdings sei die Partei in dieser Haltung nicht glaubhaft gewesen, weil der Gedanke nicht konsequent zu Ende gedacht wurde.

    Als Beispiel führte sie den Krieg in Gaza an. Auf welcher Seite stehe man angesichts eines Krieges mit über 40.000 Toten, der sich einordne in systematische Vertreibungspolitik der israelischen Regierung, der widerhalle im Libanon, fragte Buchholz, wenn die Bundesregierung unerschütterlich an der Seite Israels stehe?

    Wenn die „Linke“ es ernst meine, an der Seite derer zu stehen, die unter Druck stehen, dann müsse das auch in ein globales Verhältnis gesetzt werden. Dann müsse man solidarisch sein mit denen, die in diesem Land massiven Repressionen ausgesetzt sind, weil sie solidarisch mit Palästina sind.

    Wenn sich „Die Linke“ nicht mehr traue, die Wahrheit auszusprechen, dann gehe die Substanz linker Politik verloren, konnte Buchholz gerade noch ins Mikro rufen, als sie von Katina Schubert rüde abgewürgt wurde. Bereits in Augsburg hatte Schubert gezeigt, dass die Uhren für unerwünschte Redebeiträge schneller laufen als für andere.

  • 18.10.2024 15:52Zum letzten Mal
    Wissler Rede - UZ ist vor Ort - -
    Viel Show, große Emotionen und keine Angriffsflächen – Janine Wisslers letzte Rede als Parteivorsitzende. (Foto: UZ)

    Das kam uns noch von Augsburg bekannt vor: Eine Lichtshow und ein auf großen Leinwänden abgespieltes Video läuteten die Rede der Parteivorsitzenden Janine Wissler ein. „Das ist meine letzte Rede als Parteivorsitzende“, begann sie. Als sie die „Linke“ übernahm, habe sie nicht mit Herausforderungen wie der Pandemiepolitik und der BSW-Abspaltung gerechnet. Sie habe übernommen, als die Partei bereits durch Machtkämpfe gekennzeichnet war. Die Abspaltung habe man nicht verhindern können. Starke Kritik übte sie an den BSW-Positionen in der Migrationspolitik – und unterstellte dem Bündnis Gedankenspiele zu gemeinsamen Anträgen mit der AfD.

    Es folgten einige „linke“ Evergreens, begleitet von Aufforderungen zur Einheit. Der Umgang miteinander müsse sorgsamer werden. Öffentliche Angriffe „aus den eigenen Reihen“ seien schmerzhaft. Diskutiert werden müsse in der Sache und „nicht mit dem Ziel inhaltlicher Geländegewinne“. Das hatte Wissler vor elf Monaten in Augsburg schon wörtlich so gesagt.

    Aber auch feiner Humor wurde demonstriert. Die SPD werfe ihre linken Überzeugungen und Versprechen über Bord, sobald sie regiere, beschwerte sich Wissler. Kurz zuvor hatte sie ihre Freude darüber ausgedrückt, heute den geschäftsführenden Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, begrüßen zu dürfen.

    Wissler forderte die Prüfung eines AfD-Verbots, die sie als eine „im Kern faschistische Partei“ charakterisierte. Die anderen Parteien würden sich an einem „AfD-Lookalike-Contest“ beteiligen. „Das Problem ist nicht, dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben, sondern dass wir in einer Klassengesellschaft leben“, führte sie aus. Bevor die UZ-Redaktion in den Jubel über diese korrekte Analyse einsteigen konnte, wandte sich Wissler der Friedensfrage zu.

    „Wir sagen: Russische Truppen raus aus der Ukraine! Und wir setzen uns ein für Verhandlungen“, machte sie den Hauptfeind im Osten aus und nicht im eigenen Land. Auch das „Massaker der Hamas“ am 7. Oktober vergangenen Jahres wurde pflichtschuldig „auf das Schärfste“ verurteilt. „So schafft man keine Sicherheit, so bekämpft man keinen Terror“, kritisierte Wissler den Krieg der israelischen Armee gegen die Bevölkerung in Gaza. Darauf bedacht, keine Angriffsfläche zu bieten, schlängelte sie sich durchs Minenfeld Nahost. Einerseits forderte sie immerhin einen Stopp der Waffenlieferungen nach Israel, um dann zum „Kampf gegen alle Erscheinungsformen von Antisemitismus“ überzuleiten. „Wer das Massaker der Hamas feiert, wer zur Vernichtung Israels aufruft, kann nicht unser Bündnispartner sein“, so Wissler.

    Aber auch für die eigene Partei fand sie Worte. „Die Linke“ befinde sich in einer Krise. „Die Wahlergebnisse zeigen, wie schwer es ist, verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.“ Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg, bei den Kommunalwahlen und bei den kommenden Bundestagswahlen soll es nun aufwärts gehen. Man wolle wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag ziehen. „Ich bin zuversichtlich, weil die Partei so großartige Mitglieder hat.“ Ohne die Mitglieder, die sich einsetzten, gebe es die Partei nicht. Das leuchtet ein.

    Für das, was sie in der „Linken“ erlebt hat, zeigte sie sich dankbar. Die Rede von Janine Wissler endet mit einer Lichtshow und Standing Ovations – allerdings nicht von allen. Gegen Ende des Applauses hatte eine Delegierte noch einen kleinen Blumenstrauß für Wissler, und ihr Ko-Vorsitzender Martin Schirdewan spendierte eine Umarmung. Immerhin.

  • 18.10.2024 14:48Vorwärts immer
    OB Halle - UZ ist vor Ort - -
    Mit Halle geht es voran, so Bürgermeister Egbert Geier. (Foto: UZ)

    Kommunalpolitik ist wichtig, so lässt sich die Rede des Haller Bürgermeisters Egbert Geier zusammenfassen. Das stimmt ja auch. Geier warb unter Applaus für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen und erläuterte ein paar Besonderheiten seiner Stadt. Halle sei eine der „grünen Großstädte“ mit einem Grünzug quer durch die Stadt. Auch daran zeige sich, dass die Region den Strukturwandel gut gemeistert habe. „Zu uns nach Halle kommt das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“, freute er sich abschließend. Das würden „tolle und wegweisende Einrichtungen“. Es geht also bergauf. Bei den Zuschauern entsteht der Eindruck, dass auf diesem Parteitag alles irgendwie „wegweisend“ ist. An Optimisten mangelt es jedenfalls nicht.

  • 18.10.2024 14:36Ohne Leitantrag?

    Der Parteitag hat die ersten Formalitäten abgearbeitet. Auf Antrag eines Delegierten wurde festgelegt, dass Menschen mit Behinderung die doppelte Redezeit erhalten sollen. Dann kam es bei der Festlegung der Tagesordnung zur ersten Debatte: Der Landesvorstand Bayern hatte beantragt, den Leitantrag des Parteivorstandes und die dazugehörigen Änderungsanträge nicht zu behandeln, sondern als Beratungsmaterial an den Parteivorstand zu überweisen. Ein Delegierter begründete den Antrag unter anderem damit, dass er niemanden getroffen habe, der den vorliegenden Leitantrag als vorwärtsweisend bezeichnen würde. Den Antrag zur Absetzung des Leitantrags hatte der Landesvorstand Bayern einstimmig beschlossen.

    Der Parteitag hat es mehrheitlich abgelehnt, den Leitantrag nicht zu behandeln. So erging es auch einem ähnlich lautenden Antrag der Ökologischen Plattform, der die Generaldebatte ohne Diskussion des Leitantrags auf die Tagesordnung setzen wollte.

    Inzwischen liegen zum Leitantrag rund 200 Änderungsanträge vor, und etwa 40 weitere Anträge zu anderen politischen Fragen.

  • 18.10.2024 14:15Husch, Husch!
    Konstituierung Kopie - UZ ist vor Ort - -
    Katina Schubert blieb es überlassen, die Delegierten auf ihre Plätze zu schicken. (Foto: UZ)

    Mit wildem Geklingel gab Katina Schubert, kommissarische Geschäftsführerin der „Linken“, das Zeichen, sich hinzusetzten. „Ich gebe euch noch 60 Sekunden, husch, husch!“ Doch auch danach bleiben noch deutliche Lücken in den Reihen. „Viele Augen schauen auf diesen Bundesparteitag“, so Schubert bei der Eröffnung. Diesen Schauenden solle man zeigen, das „Die Linke“ eine lebendige Partei sei.

    Nach der Begrüßung der Gäste und der Rede der Vorsitzenden aus Sachsen-Anhalt, Janina Böttger, die kurz an den Anschlag in Halle 2019 erinnerte, um dann Werbung für Spaziergänge an der Saale zu machen, steigt der Parteitag nun in das Prozedere der Konstituierung ein.

  • 18.10.2024 13:59Ganz liebevoll
    Presserundgang - UZ ist vor Ort - -
    Die beiden Noch-Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler führen vorab durchs zu erwartende Programm. (Foto: UZ)

    Bevor es richtig losgeht, lädt die Parteispitze zum Presserundgang und anschließendem Empfang. Den eröffnet der Parteivorsitzende Martin Schirdewan alleine. Janine Wissler, die er als seine „bessere Hälfte“ bezeichnet, kommt später dazu. Es werde ein „sehr harmonischer, nach vorne weisender, von liebevollem Umgang geprägter Parteitag werden“, kündigt Schirdewan an. Zudem gebe es auch noch einen „ziemlich guten Leitantrag“, der morgen behandelt werden soll. Dazu später mehr.

    Rundgang Messehalle - UZ ist vor Ort - -
    Auch an den Ständen beim benachbarten „Markt der Möglichkeiten“ schauen sie vorbei. (Foto: UZ)

    Heute Abend soll mit dem Nahostkonflikt eines der ganz großen Streitthemen aufgerufen werden. Schirdewan zeigte sich optimistisch, dass die unterschiedlichen Positionen zusammengebracht werden können. Von der Presse wünschte er sich eine „wohlwollende Begleitung“ des Parteitags. Janine Wissler sprach davon, die „Linke wieder stark“ machen zu wollen. Sie verwies dabei auf 10.000 neue Mitglieder, die im vergangenen Jahr eingetreten sein sollen. Viele Delegierte würden deshalb auch erstmals an einem Parteitag teilnehmen.

  • 18.10.2024 13:50Noch nicht viel los
    Leerer Saal - UZ ist vor Ort - -
    Auf den Plätzen der Delegierten liegen Linkspartei-Schals als Willkommensgeschenk. Die Halle füllt sich inzwischen langsam. (Foto: UZ)

    Um 14 Uhr soll der Parteitag mit der Konstituierung beginnen. Dem folgt die Rede der Parteivorsitzenden und die Generaldebatte, bei der der Leitantrag und „Anträge von grundsätzlicher Bedeutung“ mitverhandelt werden sollen. Hier sind erste Auseinandersetzungen zu erwarten. Unterbrochen wird die Debatte durch eine „Gastrede“, vorgesehener Redner ist Bodo Ramelow. Danach folgt dann der Augenblick, auf den vor allem Janine Wissler und Martin Schirdewan sehnsüchtig warten: Die Entlastung der Parteivorsitzenden. Ab dann sind andere für den Scherbenhaufen verantwortlich.

    Den Abend beschließen wird die Debatte um Palästina. Der von den designierten Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan von Aken angekündigte „Kompromissvorschlag“ zum Thema Palästina-Solidarität und Antisemitismus liegt – zumindest der Presse – bisher nicht vor.

  • 18.10.2024 13:45Herzlich Willkommen!
    Eroeffnung - UZ ist vor Ort - -
    Die Messehalle in Halle. Nicht sehr beeindruckend, aber wenigstens im Osten. (Foto: UZ)

    „Bereit für ein gerechtes Morgen“ sei die Linkspartei laut dem überall verkündeten Parteitagsmotto. Augenscheinlich plant man aber schon damit, dass das „Morgen“ vor allem eins wird: kleiner.

    Kleiner als die Messehallen in Augsburg sind die in diesem Jahr angemieteten, spärlicher die Dekoration, weniger umfangreich das Versorgungsangebot. Deutlich geringer ist auch die Beobachtung durch Journalistinnen und Journalisten, nur noch „Phoenix“ und der Regionalsender mdr haben eigene kleine Fernsehstudios in der Tagungshalle aufgebaut.

    Die Journalisten, die da sind, reden nur über ein Thema: den Untergang der Linkspartei. Schlechte Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen, fatale Umfragewerte im Bund und die Zerreißproben um Friedenspolitik und Palästina-Solidarität – der Parteitag hat einiges an Sprengkraft zu bieten. Ob diese sich entfaltet, wird auch von der Parteitagsregie abhängen. Beim vergangenen Parteitag war es gelungen, durch Verschiebungen des Zeitplans und rigoroses Agieren der Tagesleitung unerwünschte Debatten an den Rand zu drängen.

  • 17.10.2024 14:48UZ ist vor Ort

    Auf dem Bundesparteitag in Halle will „Die Linke“ nicht nur ihr Comeback starten, sondern auch ihren Kurs bestimmen. NATO-kritisch oder eingebettet? Völkerrecht oder Staatsräson? Klassenkampf oder „Bedingungsloses Grundeinkommen“? UZ ist vor Ort und berichtet im Live-Ticker über die Wahlen und Diskussionen – natürlich begleitet von politischen Analysen und interessanten Innenansichten.

    Hier geht es los am Freitag, den 18. Oktober ab 14 Uhr.

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