Am Wochenende findet die 21. Linke Literaturmesse in Nürnberg statt. Im Vorfeld gab es eine Kampagne dagegen. Der Vorwurf ist ein vielerorts bekannter und lautet „Antisemitismus“.
Seit Jahren werden von einer kleinen antideutschen Splittergruppe linke Veranstaltungen und Strukturen in Nürnberg mit einer völlig irrationalen Antisemitismusdefinition überzogen. Jegliche Kritik an der israelischen Regierungspolitik ist Antisemitismus. Betroffen waren zuletzt eine Angestellte eines kommunalen Stadtteiltreffs, aber auch das „Nürnberger evangelische Forum für den Frieden (NEFF)“, dem durch das Nürnberger Dekanat die Räumlichkeiten entzogen wurden, solange sie nicht immer auch die israelische Darstellung ausreichend zu Wort kommen lassen.
Aktuell gipfeln diese in pauschale Antisemitismusvorwürfe gegen die Veranstalter und an der linken Literaturmesse beteiligte Verlage. Diese zielen im konkreten Fall darauf ab, die Linke Literaturmesse in der Öffentlichkeit zu verunglimpfen, gesellschaftlich wie politisch zu isolieren und letztlich durch einen erzwungenen Entzug der gemieteten städtischen Räume zu verhindern. Dabei wurden alle Verleger und Referenten angeschrieben, eine Facebookseite online gestellt. Aus der jüdischen Gemeinde wurde um eine Stellungnahme gebeten und schließlich wurde durch Druck des Oberbürgermeister Maly (SPD) die konkrete Ausstellung in den städtischen Räumlichkeiten untersagt.
Der Vorwurf und die Tatsachen
Der Vorwurf dreht sich konkret um die sogenannte Kölner Klagemauer, der prinzipieller Antisemitismus unterstellt wurde. Dazu wurde von antideutscher Seite ein Bild mitversandt, auf dem eine Karikatur zu sehen war, die niemals Teil der Dokumentation über die Ausstellung war. Mit Unterstellungen und Unwahrheiten wurde in der Mail aus der linken Literaturmesse ein Hort des Judenhasses.
Die besagte Dokumentation über die Kölner Klagemauer wollte die Gruppe Arbeiterphotographie im Rahmen der Messe 2016 zeigen. Der Initiator der „Kölner Klagemauer“, Walter Herrmann, der nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vermieter seine Wohnung durch eine Zwangsräumung verlor, errichtete anschließend in Köln eine erste Klagemauer. An dieser Klagemauer wurden an Wäscheleinen handgeschriebene Karten, Bilder, Klagen etc. zum Thema Wohnungsnot aufgehängt.
1991 initiierte Herrmann anlässlich des Golfkriegs eine „Klagemauer für den Frieden“ auf der Kölner Domplatte, direkt vor der Kathedrale. Zugrunde lag wieder das Konzept, dass auch PassantInnen handgeschriebene Kärtchen aufhängen konnten. Die friedenspolitische Botschaft, wie die Protestform an sich sorgte für prominente und weniger prominente UnterstützerInnen. 1998 erhielten Herrmann und andere an der Klagemauer Beteiligten den Aachener Friedenspreis.
Doch selbstverständlich nicht alle waren von den Aktivitäten Herrmanns und seiner Klagemauer begeistert. So versuchten Stadtverwaltung und Domverantwortliche in jahrelangem juristischen Kleinkrieg die Klagemauer zu vertreiben. Die Polizei räumte die Mauer mehrmals und auch Rechtsradikale überfielen die Aktion. Das alles überlebte die von Herrmann und seinen MitstreiterInnen bewachte Installation jedoch.
Ab 2005 widmete sich die Klagemauer schließlich der Darstellung des palästinensisch-israelischen Konflikts. Die aus Sicht der KritikerInnen zu einseitige Parteinahme sorgte nun immer wieder für Diskussionsstoff. Antisemitismusvorwürfe wurden geäußert. Als schließlich ein DPA-Foto an der Klagemauer gezeigt wurde, auf dem eine Teilnehmerin an einer antiisraelischen Demonstration in Indien, eine zumindest antisemitisch auslegbare Karikatur zeigte, eskalierte die Diskussion um die Klagemauer wieder einmal. Herrmann entschied das Bild aus der Ausstellung zu entfernen. Laut mehreren Berichten und Artikeln distanzierte er sich von der Aussage der Karikatur. Exakt diese Karikatur wurde nun von antideutscher Seite hundertfach mit der Linken Literaturmesse in Verbindung gebracht.
Aus diesen Fakten wird nun mit Hilfe von Halbwahrheiten und plumpen Lügen von „Antideutschen“ der Vorwurf konstruiert, dass die Kölner Klagemauer an sich eine antisemitische Ausstellung war, die Dokumentation über diese nur antisemitisch sein kann und ergo die Linke Literaturmesse eine antisemitische Veranstaltung ist.
Die Reaktion
Wer solchen Anfeindungen schon einmal ausgesetzt war, weiß wie lähmend diese Situation im ersten Moment sein kann. Plötzlich kommen Presseanfragen und Facebook-Kommentare, besorgte E-Mails von Veranstaltern und Referenten und dann lädt auch noch der Intendant des Kulturzentrums zum Gespräch ein, der die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Nachdem eine Stellungnahme verfasst wurde und mit den oben genannten Argumenten alle Beteiligten informiert waren, war der Sturm auch schnell vorbei. Für jeden konkreten Fall gilt es abzuwägen: Heißt es nun Öffentlichkeit schaffen, oder werte ich damit den Vorwurf nur auf? Die Erfahrung wird vielerorts gemacht, dass der Antisemitismusvorwurf als politische Waffe missbraucht wird, um linke Veranstaltungen zu verhindern und Organisationen einzuschüchtern. Dagegen hilft nur eins: Solidarität. Diese hat die Linke Literaturmesse in Nürnberg in den vergangenen Tagen vielfach erhalten.