Abgeordneten und Funktionäre von SPD, Grünen und Linkspartei im Trialog

Linksruck ungewiss

Von Nina Hager

Die Befürworter von Schwarz-Grün im Bundestag essen gern zusammen Nudeln, die von „Rot-Rot-Grün“ vielleicht lieber Kuchen. Die „Pasta-Connection“ trifft sich jedenfalls schon seit längerem immer mal wieder im Restaurant „Spaghetti Western“ in Berlin-Mitte. Jeweils 15 Abgeordnete von Union und Grünen diskutieren da in gemütlicher Runde. Bundestagsabgeordnete der SPD, der Grünen und der Linkspartei („Oslo-Gruppe“) kommen dagegen im „Café Walden“ in Berlin-Prenzlauer Berg zusammen. Dort sprechen Stefan Liebich und Halina Wawzyniak von der Partei „Die Linke“ (Forum demokratischer Sozialismus – fds) mit dem Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sowie der Sozialdemokratin Angela Marquardt (früher PDS).

Dass es solche Diskussionsrunden seit Jahren gab und noch heute gibt, ist bekannt. Für die Macher des „Focus“ ist jedoch das Treffen in Prenzlauer Berg ein politischer Skandal. Natürlich. Da wird Schlimmes vorbereitet. Am 6. Oktober warnte der „Focus“ jedenfalls „Deutschland droht ‚R2G’ (rot-rot-grün). Diese Hinterzimmer-Netzwerke bereiten schon jetzt den Linksruck in Deutschland vor“. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die von SPD-Mitgliedern initiierte „Denkfabrik“, das Institut „Sozialistische Moderne“ und das „Denkwerk Demokratie“ verwiesen.

Doch diese und ähnliche Reaktionen waren nur ein seichtes Vorspiel. Nach dem Treffen von etwa 100 Abgeordneten der SPD, der Grünen und der Partei „Die Linke“ am 18. Oktober in Berlin, einer Premiere, scheint jetzt der „Linksruck“ unmittelbar bevorzustehen. Denn CSU-Generalsekretär An­dreas Scheuer warf der SPD nach dem Treffen Prinzipienlosigkeit vor. „Ich stell mir schon die Frage, wie prinzipienlos und geschichtsvergessen die SPD ist, wenn sie mit SED-Erben regieren will“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Gegenüber dpa behauptete er: „Jetzt weiß es jeder: das Ziel ist eine linke Republik mit Rot-Rot-Grün.“ „Diese Linksfront würde Deutschland massiv schaden.“ CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte der „Welt am Sonntag“: „Unser Hauptgegner im Wahlkampf bleiben die Sozialdemokraten und Rot-Rot-Grün.“ Und den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gegenüber behauptete er gar: „Die Linke ist eine rote AfD – sie will raus aus dem Euro und bezeichnet die Nato als Kriegstreiber.“ Der SPD warf er Orientierungslosigkeit vor.

Dabei hatten zum Treffen am 18. Oktober der Vize-Fraktionschefs Axel Schäfer (SPD), Katja Dörner (Grüne), Caren Lay und Jan Korte (Linke) unter dem Motto „Trialog für eine progressive Politik“ Funktionäre und Bundestagsabgeordnete ihrer Parteien lediglich zur Debatte um inhaltliche Gemeinsamkeiten für eine mögliche „rot-rot-grüne“ Koalition nach den Bundestagswahlen 2017 eingeladen – auch Kritikerinnen und Kritiker von „R2G“ aus den eigenen Reihen. Das „Impulsreferat“ hielt Professor Oskar Negt. SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ sich „spontan“ bei dem Treffen im Bundestag sehen.

Inhaltliche Festlegungen gab es nicht. Zu groß sind die Differenzen der Linkspartei mit der SPD und den Grünen in der Sozialpolitik sowie in der Außen- und Militärpolitik. Dietmar Bartsch, Co-Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Linkspartei meinte aber im Vorfeld des Treffens, in der Außenpolitik seien viele Differenzen überbrückbar. Auch in der SPD forderten schließlich viele eine Reduzierung der Auslandseinsätze. In den geltenden Beschlüssen der Linkspartei wendet sich diese unter anderem aber gegen jegliche Auslandseinsätze, spricht nicht etwa nur von einer „Reduzierung“. Am vergangenen Wochenende stellte der Chef der Bundestagsfraktion der SPD, Oppermann, in einem Interview im Berliner „Tagesspiegel“ klar, dass er von der Linkspartei eine grundlegende Kurskorrektur in der Außen- und Sicherheitspolitik fordere. Inhaltlich „müsse was passieren“. Auch führende Grüne verlangten von der Linkspartei „Bewegung“. Hofreiter und Özdemir betonten zudem – einen Tag bevor bei den Grünen die Urwahl ihrer Spitzenkandidatinnen bzw. -kandidaten zu den Bundestagswahlen begann –, sie wollten an der Eigenständigkeit der Grünen im Wahlkampf festhalten und keine Koalitionsaussagen treffen.

„Bewegung“ fordern auch Vertreter des Forums Demokratischer Sozialismus in der Linkspartei. Vor allem von der eigenen Partei. So im Positionspapier „Inhalte und Strategie nach vorn stellen – Reformalternativen sichtbar machen“ vom 6. Oktober. Darin werden übrigens die parteiinternen Kritikerinnen und Kritiker der „Reformer“ als „Vertreter der reinen Lehre“ diffamiert. Doch man sollte vorsichtig sein, der Kreis jener, die mit „Rot-Rot-Grün“ im Bund liebäugeln, sicher auch, um eine neue Große Koalition und einen weiteren Rechtsruck zu verhindern, geht in der Linkspartei offenbar mittlerweile weit über den Kreis der „Reformer“ hinaus. Anders als diese wollen manche anscheinend im Vorfeld der Bundestagswahlen aber weder eine frühe Festlegung noch zu weit gehende Zugeständnisse.

Aber was geschieht dann? Es ist kaum zu erwarten, dass die SPD – Oppermann hat das schon deutlich gemacht – oder die Grünen in grundsätzlichen Fragen kompromissbereit sind. Nun: Der „Trialog“ soll Anfang Dezember fortgesetzt werden.

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"Linksruck ungewiss", UZ vom 28. Oktober 2016



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