Nach der viel beachteten Bundestagsrede von Sahra Wagenknecht gegen die Energiepreis- und Sozialabbaupolitik der SPD-geführten Ampel-Koalition überschlagen sich die Statements für und gegen die Linkspartei-Politikerin. Sie hätte von der Fraktionsführung nicht ans Bundestags-Rednerpult gelassen werden dürfen, da sie sich gegen aktuelle Beschlüsse der Partei gestellt habe. Nach diesen begrüße die Linkspartei die Sanktionen gegen Russland grundsätzlich und benennt den Aggressor im kriegerischen Konflikt zwischen der NATO und der Ukraine und Russland klar in Moskau. Wagenknecht hingegen verteidigt linke Grundsätze, wie sie sich auch noch in den programmatischen Dokumenten der Partei finden: Dass mit Sanktionen auf dem Rücken der Bevölkerung niemandem geholfen ist und dass der verschärfte Wirtschaftskrieg der NATO-Länder gegen China und Russland mitsamt den sozialen Einschnitten für die Menschen in Deutschland abzulehnen ist.
Entgegen der medialen und innerparteilichen Kampagne, unter anderem befeuert von Medien wie ARD-Monitor oder der Tageszeitung „taz“ und einer Gruppe von Parteifunktionären um die Abgeordneten Martina Renner, Bernd Riexinger und anderen, stellte sich der parteiinterne Zusammenschluss „Kommunistische Plattform“ hinter die Rede. Ebenso taten es Ekkehard Lieberam, Volker Külow und G. Dietmar Rode auf der Website des Linke-Landesverbandes Sachsen. In ihrer Stellungnahme argumentieren sie: „Ohne eine Rückkehr zu einer sachbezogenen Debatte über die derzeitige politische Situation und über unseren weiteren politischen Kurs droht der Partei eine Spaltung. Es ist unhaltbar, dass eine Genossin, die im Bundestag eine Lanze für die politische Vernunft bricht, dafür als ‚Querulantin‘ diffamiert wird. Weder der Brückenschlag zu den Regierenden ist angesagt, noch ein bloßes ‚Links-Blinken‘. Notwendig sind eine sachliche Analyse der derzeitigen komplizierten politischen Situation und eine wirkliche linke Mobilisierung gegen Kriegshysterie, Wirtschaftskrieg und drohende Massenarmut.“
Anstelle einer sachbezogenen Debatte lässt sich jedoch nur feststellen, dass entsprechende Angriffe mit Forderungen nach Parteiausschluss nun auch auf die Linksparteipolitiker Klaus Ernst und Diether Dehm gestartet werden, die dieselben Inhalte wie Wagenknecht vertreten. Dass sie die Aussagen der Wagenknecht-Rede unterstützen, haben bisher über elftausend Personen mit einer Onlinepetition kundgetan. Den offenen Brief für den Ausschluss Wagenknechts hatten zeitgleich knapp mehr als 2.700 Personen unterzeichnet. Eine Moderation oder Beschwichtigung des Konflikts von Seiten der Parteispitze ist jedoch nicht sichtbar. Was im Falle einer De-facto-Spaltung bleiben wird, sind vor allem drei Linien in der pluralen Partei:
Da sind zuerst die gesetzten Regierungslinken, die vor allem in den ostdeutschen Bundesländern und Landesregierungen beheimatet sind. Es ist diese Strömung, gegen die sich bisher alle Parteitage durchsetzen konnten, gegen die die Grundsätze der marxistischen Programmatik der Linkspartei verteidigt werden konnte. Zweitens die linksliberale und neoliberale Strömung um die ehemalige „emanzipatorische Linke“. Diese sammelte sich um die damalige Bundes-Parteivorsitzende Katja Kipping. Diese ließ sich nicht nur beim Engtanz mit dem Bundesinnenmister ablichten, sondern propagierte unter anderem Postkapitalismus-Diskurse von Paul Mason, also Theorien fernab der Realität und Interessen der arbeitenden Bevölkerung. Als dritte Strömung lässt sich eine theoriearme Bauchlinke aus verschiedenen westdeutschen Landesverbänden nennen, welche oftmals aus einer sektiererischen Tradition stammen und sich heute teils um die „Bewegungslinke“ und die „Antikapitalistische Linke“ (AKL) sammeln.
Stark wurde die Wahlalternative Linkspartei jedoch durch Ansätze, von denen sich heute kaum noch etwas in den Veröffentlichungen der Bundesspitze findet: Als historischer Nachfolger der SED-PDS war sie die soziale Stimme der Menschen in den „neuen Bundesländern“ und sicherte sich dort eine gewichtige Wählerbasis, sie war als gewerkschaftlich orientierte Kraft in Westdeutschland zur Anti-Hartz-IV-Partei und damit zur konkreten Alternative zur SPD der Agenda-Reformen geworden und sie war mit ihrem Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr die einzige im Bundestag vertretene Partei, die sich gegen die Kriegspolitik der Regierung stellte. Daran hat die Partei mit dem Namen „Die Linke“ heute anscheinend kein Interesse mehr.