ver.di-Bundesvorstand erleidet Niederlage vor Arbeitsgericht

Linker Gewerkschafter bleibt

Das Arbeitsgericht Berlin hat die fristlosen Kündigungen des ver.di-Bundesvorstandes gegen Orhan Akman für unwirksam erklärt. Die Frage der Abberufung Akmans als ver.di-Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel sowie der Entzug seiner Tarifvollmachten wird in einem gesonderten Verfahren entschieden.

510301 Akman - Linker Gewerkschafter bleibt - Gewerkschaften, Repression - Wirtschaft & Soziales

„Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dieser Frage bleibe ich im Amt als Bundesfachgruppenleiter. Das ist ein großartiger Erfolg!“, sagte Akman in Reaktion auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er fordert den ver.di-Bundesvorstand auf, nicht weiter zu versuchen, inhaltlichen Konflikten „mit Formalismus und arbeitsrechtlichen Maßnahmen“ zu begegnen. Dieser solle vielmehr dem „Trauerspiel“ ein Ende setzen und ihn an seinen Arbeitsplatz zurückkehren lassen. „Ich habe immer wieder deutlich gemacht, dass ich weiter für die Interessen der Beschäftigten arbeiten will. Juristische Auseinandersetzungen vor den Arbeitsgerichten nutzen niemandem und freuen nur unsere gemeinsamen Gegner“, so Akman.

Akman war jahrelang ver.di-Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel. Im April kündigte er an, für den ver.di-Bundesvorstand kandidieren zu wollen. Nachdem das Springer-Medium „Business Insider“ über „Vetternwirtschaft“ bei ver.di berichtete, forderte Akman Aufklärung und Konsequenzen. Die ver.di-Zentrale wies die Vorwürfe von sich und kündigte Akman am 30. August und 2. September fristlos – eine Verdachtskündigung, zu deren Gründen sich der ver.di-Bundesvorstand nicht offiziell äußerte. Eine dritte Kündigung wurde wegen eines Formfehlers zurückgezogen. Verdachtskündigungen werden von ver.di in der Regel heftig kritisiert, weil sie unter anderem von gewerkschaftsfeindlichen Unternehmen gegen unliebsame Beschäftigte eingesetzt werden.
Aus den eigenen Reihen erhielt Orhan Akman dagegen viel Unterstützung. Betriebsrätekonferenzen von Zara Deutschland, Douglas Parfümerie und H&M und mehrere hundert Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus ganz Deutschland forderten die Rücknahme der fristlosen Kündigungen gegen ihn. Auch die Bundestarifkommission und der Gesamtbetriebsrat von „Galeria Karstadt-Kaufhof“ richteten einen entsprechenden Appell an ver.di-Bundesvorstand und Gewerkschaftsrat. Ähnliche Initiativen gab es von ver.di-Aktiven bei Amazon, der ver.di-Linken NRW, den Migrationsausschüssen, dem Bezirksvorstand München und Hauptamtlichen des Bundesfachbereichs Handel. Zuletzt hatten am 28. und 29. November die Delegierten der Landesfachbereichskonferenz Handel Hessen die Rücknahme der Kündigungen gegen Orhan Akman gefordert. In dem beschlossenen Initiativantrag heißt es: „Die Landesfachbereichskonferenz Handel ver.di Hessen fordert den ver.di-Bundesvorstand auf, den Konflikt mit Orhan Akman schnellstmöglich durch eine politische Lösung zu beenden.“

Orhan Akman hat seine Positionen ausführlich dargelegt – unter anderem in einem UZ-Interview (UZ vom 16. September) – und will eine inhaltliche Debatte in seiner Gewerkschaft anstoßen. Seiner Meinung nach befindet sich ver.di in einer tiefgreifenden Krise. Statt Geld, Personal und Ressourcen dort zum Einsatz bringen, wo die Menschen arbeiten, ziehe ver.di sich zurück und schaue auf die Personalkosten, „wie schlechte Handelsmanager das die letzten Jahre gemacht haben“.

Akman hält auch daran fest, beim ver.di-Bundeskongress im September 2023 in Berlin für den Bundesvorstand zu kandidieren. Einheitsgewerkschaft bedeute, dass nicht nur „regierungsnahe sozialdemokratische, grüne oder konservative Positionen“ in den Gremien vertreten sein sollten, sondern auch „progressive linke – einschließlich marxistische – Argumente Gehör finden müssen“.

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"Linker Gewerkschafter bleibt", UZ vom 23. Dezember 2022



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