Am Donnerstag vor der Wahl behauptete „Linke“-Fraktionschef Dietmar Bartsch stolz: Seine Partei habe in Sachsen-Anhalt mit nur einem Wahlplakat („Nehmt den Wessis das Kommando“) in der gesamten Bundesrepublik eine Debatte über Benachteiligung von Ostdeutschen ausgelöst. Die Parole löste im bürgerlichen Medienzirkus kurz Aufregung aus, nicht aber bei Sachsen-Anhalts Wählern.
Die schickten „Die Linke“ am 6. Juni in den Keller und Bartsch war beleidigt. Bei „phoenix“ räumte er am Wahlabend zwar ein, bei der „Ost-Kompetenz“ hätten „wir in den letzten Jahren leider viel versäumt“. Es werde daher für die Bundestagswahl darauf ankommen, deutlich zu machen, dass seine Partei „am ehesten Ostinteressen vertritt“. Worin die bestehen, erläuterte er nicht. Laut Umfragen haben aber die übriggebliebenen Ostdeutschen – etwa 12,5 Millionen Menschen ohne Berlin – mehrheitlich von 30 Jahren Leben unterm Kapital die Nase voll. Interesse für ihre Belange sehen nur noch etwa 10 Prozent bei der Linkspartei. Die schweigt längst wie alle anderen Parteien vom Kapitalismus als Hauptursache für die Situation und hat daher auch zum Faschismus nichts Substantielles mehr zu sagen. Dem nützt das, er schafft seine Massenbasis aus Orientierungslosigkeit.
Fünf Tage vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt dämmerte es den „Linke“-Strategen: Das geht nicht gut aus. Eine „Fraktionsvorsitzendenkonferenz“ der Partei stellte unter dem Titel „Kommando: Volle Kraft voraus!“ einige „Sofortmaßnahmen für gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West“ zusammen. Einleitend fordern die Verfasser, dass sich „der“ Westen im Osten bedankt, zum Beispiel „für den Mut von 1989“. Die Vokabel Kapitalismus kommt im Text nicht vor, bevorzugt wird Gratismoral: „Der Westen“ soll sich zum Beispiel bei den vier Millionen Menschen bedanken, die „den Osten in Richtung Westen verlassen“ haben: „Gut ausgebildet, anpassungsbereit und fleißig haben sie mehr für die Einheit getan als jeder Wirtschaftsminister in Bonn und Berlin.“ Das erinnert stark ans kostenlose Dankklatschen für Pflegekräfte.
Für die Linkspartei führt nicht das Kapital Klassenkampf gegen einen im Osten besonders geschwächten Gegner, für sie ist „der Markt“ mächtig, aber „skrupellos gegen Mensch und Natur, wenn ihm niemand in den Arm fällt“. Dass die Partei das keinesfalls vorhat, belegen Forderungen wie: Einrichtung eines Bundesministeriums für gleichwertige Lebensverhältnisse, gleiche Rente und gleiche Löhne, Führungspositionen für mehr Frauen, Ostdeutsche und Migranten … Wer‘s liest, versteht: Mitregieren ja, Veränderung nein.
Bei den Bundestagswahlen kämpft die Linkspartei um 5 Prozent. Oder „versäumt“ es.