Am 31. Oktober wird traditionell die Reformation gefeiert. An diesem Tag soll Martin Luther seine Thesen an die Kirchentür genagelt haben. Thesen die die Welt veränderten. Er wurde dann auch gleich der erste Bestseller-Autor, Raubdruck sei Dank wurde er dadurch noch nicht reich. Als ein Druckzentrum der reformatorischen Kampfschriften war die freie Reichstadt Nürnberg eine bedeutende Stadt der Reformation. Genau dort wird fast 500 Jahre später versucht, dass sich dieses Kunststück wiederholt. Aber statt der Reformation der Kirche steht die Revolution der Welt auf der Tagesordnung. Wenn in über 50 Veranstaltungen nicht nur Thesen, sondern auch Analysen, historisches und unterhaltsames präsentiert werden, dann, weil vom 30. Oktober bis zum 1. November die Linke Literaturmesse zum 20. Mal ihre Pforten öffnet. Womit die größte linke Literaturmesse im deutschsprachigen Raum beweist, dass deren Organisatoren nicht nur zäh sind, sondern auch, dass sie für zighunderte Besucher einen Nutzen hat.
Dieser ist allerdings im Wandel begriffen. Denn einst rief ein kleiner Kreis Autonomer und Marxisten das Projekt ins Leben, damit linke Positionen und Publikationen auch den fränkischen Raum beglücken. Ohne Amazon und Internet, war allein das Meer an Büchern schon einen Besuch wert. Auch wenn die Flut an Neuerscheinungen nicht aufgehört hat, haben sich die Gründe für einen Besuch gewandelt. Denn heute kann bekanntlich jeder seine Bücher einfach im Webshop des Buchhändlers seines Vertrauens bestellen. Der Hauptgrund weshalb in den zwanzig Jahren die Säle nie leer waren, liegt an der Chance mit den Referenten, Autoren und Verlegern ins Gespräch zu kommen. Daraus sind nicht nur spannende Diskussionen entstanden, sondern auch die Idee für das ein oder andere neue Buch. Was es auf der Messe zu diskutieren gibt, liegt vor allem an den Neuerscheinungen der Verlage. Somit ist das Veranstaltungsprogramm gleichzeitig auch ein Spiegelbild linker Publizistik und der diskutierten Themen.
Die Jubiläumsmesse
So viele Veranstaltungen wie im zwanzigsten Jubiläumsjahr gab es noch nie. Stündlich werden die Besucher von Samstag von 11.00 Uhr bis abends 22.00 Uhr zwischen fünf parallelen Veranstaltungen wählen müssen, Sonntags dann nur noch von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Die Verkaufsmesse beginnt bereits jeweils um 10.00 Uhr, so dass vorher noch die Stände der zahlreichen Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsverlage durchstöbert werden können. Am Freitag wird die Messe traditionell mit einer Podiumsdiskussion eröffnet. Dieses Jahr kommen Susann Witt-Stahl (u. a. „Antifa heißt Luftangriff“), Wolf Wetzel (u. a. „Der NSU-VS-Komplex“) und der VVN-Bundessprecher Ulrich Schneider (u. a. „Antifaschismus“) zum Thema „Aufmärsche, Brandanschläge, Wahlerfolge – Die Rechtsextreme Mobilmachung, der Staat und die Antifaschistische Bewegung“. Die aktuelle Situation um brennende Flüchtlingsheime und faschistische Massendemonstrationen zeigen wie drängend diese Fragen sind.
Am Samstag beginnt dann der Reigen an Veranstaltungen, von Lokal- bis Globalgeschichte, von Griechenland bis Kurdistan, von marxistischer Revolutionsanalyse bis zum DDR-Thriller, es ist mal wieder viel geboten. Ganz besonders möchte ich die folgenden Veranstaltungen empfehlen:
Griechenland und die Krise
Im September auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs organisierte die SDAJ eine 12-tägige Rundreise durch Griechenland. Bei Veranstaltungen mit Gewerkschaftern, Schüler- und Studierendenvertretungen und vielen weiteren Aktivisten machte sie sich ein Bild von den Auswirkungen der Krise und der Memoranden, aber auch der Kämpfe dagegen. Zwei der Teilnehmer berichten und stellen die nun erscheinende Extra-Ausgabe der POSITION zum Thema vor.
Kommunisten und Gewerkschaften
Heißt die neue Broschüre der UZ und widmet sich dem Thema der kommunistischen Gewerkschaftspolitik. Darin ist zum einen ein kurzer historischer Abriss zu finden. Insbesondere deren Brüche, aber auch Kontinuitäten in der KPD und DKP. Zum anderen werden aktuelle Herausforderungen eingeordnet. Von der Arbeitszeitverkürzung und Spartengewerkschaft bis zur Tarifeinheit.
Revolutionäre Politik in nichtrevolutionären Zeiten
Willi Gerns, der die Politik der DKP seit 1968 maßgeblich mitentwickelt hat, beantwortet in seinem neuen Buch, was revolutionäre Politik ist und was sie von rechtem wie linkem Opportunismus unterscheidet. Hermann Kopp, Vorsitzender der Marx-Engels-Stiftung, stellt vor, wie der Autor die Dialektik von Reform und Revolution sowie den Kampf um antimonopolistische Übergänge zum Sozialismus versteht.
Die linke Literaturmesse in Nürnberg ist der richtige Ort zum andächtig lauschen und engagierten Mitdiskutieren. Das ist dort ganz besonders spannend, weil das politische Spektrum so weit gefächert ist wie kaum woanders. Und auch wenn es manchmal sehr hitzig zugeht, so ist weder die Vorladung zum Ministerpräsidenten noch der Entzug der Bürgerrechte zu erwarten. Manchmal ändert sich in einem halben Jahrtausend ja doch etwas.
Das ganze Programm ist auf www.linkeliteraturmesse.org oder www.facebookcom/linkeliteraturmesse zu finden.