In Neuss unterstützen die Kommunisten die Offene Liste der Linkspartei.

Linke Kommunalpolitik vorantreiben

In Neuss unterstützt die DKP seit sechs Jahren die Kandidatur der Offenen Liste der Partei „Die Linke“. Bei den letzten Wahlen erreichte die Liste 3,95 Prozent und drei Mandate. Die gesamte Fraktion, der neben den gewählten Rats- auch Mitglieder der Ausschüsse angehören, besteht aus 13 Personen, darunter sind auch einige Mitglieder der DKP. UZ sprach mit Vincent Cziesla, Ratsherr und Fraktionsgeschäftsführer.

UZ: Du bist nun seit fast sechs Jahren Stadtrat in Neuss, bist Mitglied der DKP und wurdest auf der Offenen Liste der Partei „Die Linke“ in den Rat gewählt. Warum hat sich die DKP in Neuss entschieden, die Liste der Linkspartei in dieser Form zu unterstützen?

Vincent Cziesla: Wir haben schon vor der letzten Kommunalwahl damit begonnen, uns mit Kommunalpolitik zu beschäftigen. Es stellte sich schnell heraus, dass es eine große Übereinstimmung zwischen unseren politischen Vorstellungen für die Stadt Neuss und denen der Partei „Die Linke“ gab. Auf einer gemeinsamen Konferenz haben wir die Diskussion vertieft und später dann auch ein Programm erarbeitet. Die inhaltliche Ausrichtung war also geklärt, bevor es um Mandate ging. Natürlich haben auch strategische Überlegungen eine Rolle gespielt. Wie konnte man im CDU-dominierten Neuss überhaupt fortschrittliche Kommunalpolitik vorantreiben und bekannt machen? Ich denke, wir haben uns richtig entschieden.

UZ: Siehst du die Gefahr, dass die DKP mit einer solchen Art der Kandidatur unsichtbar wird?

Vincent Cziesla: Ich kann diese Sorge verstehen. Das kommt ganz auf die Situation vor Ort an. In Neuss hat sich diese Gefahr jedenfalls nicht bestätigt, im Gegenteil: Wir hatten in den letzten Jahren einige Neuaufnahmen in die DKP, unsere Versammlungen sind gut besucht und auch unsere Kompetenz, in die Debatten vor Ort einzugreifen, ist gewachsen. Ein kleiner Baustein dieses Erfolges ist unser kommunalpolitisches Engagement, hinzu kommen Bildungs- und Gewerkschaftsarbeit. Die DKP wird auch von anderen politischen Organisationen als Ansprechpartner wahrgenommen und ist insgesamt sichtbarer geworden.

UZ: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Genossinnen und Genossen der Linkspartei?

Vincent Cziesla: Wir haben in den vergangenen Jahren echte Aufbauarbeit geleistet und neue Strukturen für die Zusammenarbeit geschaffen. Unserer Fraktion gehören viele Menschen mit profunden Fachkenntnissen an und der gegenseitige Respekt ist groß. Auch auf der persönlichen Ebene verstehen wir uns gut. Trotzdem wird intensiv diskutiert und um den besten Umgang mit bestimmten Fragestellungen gerungen. Wir kommen eigentlich auch immer zu einem Konsens. In sechs Jahren ist es vielleicht zweimal vorgekommen, dass wir mit unterschiedlichen Vorstellungen in den Rat gegangen sind. Unsere Geschäftsordnung erlaubt es uns dann ausdrücklich, voneinander abweichende Positionen in der Öffentlichkeit und in der Abstimmung auch selbstständig zu vertreten.

UZ: Welche Bilanz ziehst du nach diesen Jahren der Arbeit als Stadtrat? Gibt es Erfolge für die arbeitenden Menschen in deiner Stadt zu verbuchen?

Vincent Cziesla: Ich sehe unsere Arbeit in den vergangenen Jahren durchweg positiv. Auf unseren Antrag hin wurde erstmals das Problem der Wohnungslosigkeit in Neuss systematisch untersucht und öffentlich diskutiert. Am Ende wurde ein Reformpaket beschlossen, das unter anderem die Zuteilung von Wohnungen an wohnungslose Menschen beinhaltete.

Wir haben die Klimaschutzdebatte in Neuss maßgeblich vorangetrieben, immer unter der Prämisse, dass mit konsequentem Klimaschutz auch soziale Verbesserungen einhergehen können und sollen. So haben wir ein 365-Euro-Ticket für den ÖPNV gefordert oder einen Zuschuss für einkommensschwache Haushalte zur Anschaffung von effizienteren Elektrogeräten. Die wichtigste Initiative in diesem Zusammenhang kam auch von uns: Der Rat hat beschlossen, dass Neuss bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden soll.

Mit unserer Forderung nach einer beitragsfreien Kita standen wir vor fünf Jahren noch alleine da. Mit wachsendem öffentlichem Interesse sind dann auch andere Fraktionen auf unsere Linie eingeschwenkt. Ab August wird die Ü3-Betreuung in Neuss für die Eltern kostenfrei sein.

Doch es gab auch viele kleinere, aber ebenso wichtige Erfolge. Wir haben uns zum Beispiel dafür eingesetzt, die Diskussion über die Schließung des Stadtbades aus dem Aufsichtsrat der Bädergesellschaft in den Rat zu holen. In der dann öffentlichen Debatte wurde beschlossen, das Bad zu erhalten.

Aber wir sind auch mit vielen Vorhaben an der Ratsmehrheit gescheitert: Wir wollten die Schulreinigung rekommunalisieren, die Bundeswehr aus den Schulen vertreiben, mehr öffentliche Wohnungen schaffen und Geld für den Klimaschutz bereitstellen. Diese Aufgaben bleiben für die Zukunft.

UZ: Welche Schwerpunkte stellt ihr euch in dem aktuellen Wahlkampf?

Vincent Cziesla: Wir knüpfen nahtlos an unsere bisherige Arbeit an. Wir fordern endlich wirksame Maßnahmen gegen den Mietenwahnsinn, konsequenten Klimaschutz, einen Einstieg in den kostenlosen ÖPNV und gut ausgestattete, sanierte Schulen. Auch die Pandemie wird eine Rolle spielen, wenn wir uns für eine bessere Arbeit in der Pflege einsetzen. Kürzungsvorhaben und Privatisierungsabsichten erteilen wir eine klare Absage.

UZ: Wahlkampf in Corona-Zeiten – seid ihr schon aktiv dabei und habt ihr damit schon besondere Erfahrungen gemacht?

Vincent Cziesla: Wir arbeiten derzeit intensiv an unserer Kampagne. Der digitale Wahlkampf wird in diesem Jahr eine wichtigere Rolle spielen. Sonst erleben wir, dass leider viele Diskussionsrunden abgesagt werden. Das ist schade, weil diese Veranstaltungen für uns eine gute Möglichkeit sind, unser Programm zu präsentieren und in der direkten Debatte Alternativen aufzuzeigen. Besonders ist natürlich, dass wir nicht genau wissen, wie sich die Corona-Krise in den nächsten Wochen entwickelt. Gibt es eine zweite Welle? Wird es einen Straßenwahlkampf geben? Können die Wahllokale normal aufgesucht werden oder wird die Briefwahl wichtiger? Wir planen mit allen Eventualitäten.

Das Gespräch führte Werner Sarbok


Vincent Cziesla schreibt regelmäßig die Kommunalpolitische Kolumne in der UZ. In der aktuellen Ausgabe: „Klimawandel marktgerecht gestalten – Konzerne wittern Milliardengeschäft bei kommunaler Infrastruktur“.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Linke Kommunalpolitik vorantreiben", UZ vom 10. Juli 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit