Seit Anfang Oktober beteiligt sich Russland direkt am Syrienkrieg. Seitdem haben die syrische Armee und ihre Verbündeten Geländegewinne erreicht. Unter anderem gelang es der syrischen Armee, den seit fast drei Jahren umzingelten Militärflughafen im Norden des Landes zu befreien. In der syrischen Hauptstadt herrscht ein reger politischer Betrieb – so besuchte eine russische Parlamentsdelegation Damaskus, ein kommunistischer Abgeordneter sollte Assad eine Fahne des Sieges über den deutschen Faschismus übergeben. Vergangene Woche war auch eine französische Parlamentsdelegation in Damaskus. Angesicht der terroristischen Angriffe in Paris zog die französische Delegation positive Schlussfolgerung zur syrisch-russischen Militärkooperation.
In der syrischen Linken ist der Einsatz russischer Militärs umstritten. Die Syrische Kommunistische Partei (SKP) und die Syrische Kommunistische Partei (Vereinigt) (SKP-V), beide im Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien vertreten und in einer langjährigen Bündnispartnerschaft mit der regierenden Baath-Partei, begrüßen den Einsatz des russischen Militärs. Der russische Einsatz entspreche der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Terrorismus in Syrien und damit den Interessen des Volkes und der Arbeiterklasse. In einer Erklärung geht die SKP-V auch darauf ein, dass der Einsatz in Überstimmung mit der Souveränität des syrischen Volkes und dem internationalen Recht stattfinde. Über jene syrischen Oppositionellen – zum Beispiel die Syrische Nationalkoalition –, die jetzt scharfe Kritik an der russischen „Aggression“ übten, schreibt die SKP-V, dass diese ja bereits in der Vergangenheit immer wieder den Einsatz von NATO- oder US-Streitkräften gefordert hatten und nichts gegen die Einmischung und Aggression gegen Syrien hatten. Diese Kräfte seien unglaubwürdig. Die SKP-V betont die Verletzung der syrischen Souveränität durch die US-geführte Koalition.
Während also die im Bündnis mit der Baath-Partei und der syrischen Regierung stehenden syrischen Kommunisten eindeutig den Einsatz des russischen Militärs befürworten, ist die syrische Linksopposition uneinig. Die kommunistische „Partei des Volkswillens“ hatte sich 2001 von der SKP abgespalten, zwischen 2012 und 2013 stellte sie einen Minister in der syrischen Regierung. Sie analysiert den Einsatz als Ausdruck neuer internationaler Kräfteverhältnisse, der eine Friedenslösung objektiv möglich mache. Sie betont, dass Russland dazu gezwungen wurde gegen die faschistischen Banden zu kämpfen, außerdem verbinde Russland seinen militärischen Einsatz mit der Suche nach einer politischen Lösung. Die russische Diplomatie spreche mit allen relevanten politischen Kräften in Syrien und engagiere sich in internationalen Friedenskonferenzen (beginnend mit Genf über Moskau, Kairo und aktuell Wien).
Eine relevante Größe in der syrischen Opposition ist das „Nationale Koordinierungskomitee“, ein Bündnis linker Organisationen und progressiver Organisationen ethnischer Minderheiten wie der kurdischen PYD, deren militärischer Arm weite Teile Syriens beherrscht. Dieses zweitgrößte Oppositionsbündnis war stets gegen jegliche Einmischung ausländischer Kräfte und so verurteilt das Bündnis den russischen Militäreinsatz. Die Einmischung ausländischer Mächte widerspreche den Interessen des aufständischen Volkes, egal welche Begründung es haben mag. Der Kampf gegen den Terrorismus, mit dem Russland seinen Einsatz begründet, sei eine patriotische Aufgabe – keine ausländische Macht könne diese Aufgabe erfüllen. Das ausländische Eingreifen könne sogar dazu beitragen, das syrische „Regime“ von einer politischen Lösung abzubringen, da es dadurch ausschließlich auf einen militärischen Einsatz setzen werde.
Auch die kleine trotzkistische „Strömung revolutionäre Linke“, die sogar einen eigenen militärischen Arm besitzt, lehnt kategorisch jegliche „imperialistische“ Einmischung ab. Der russische Einsatz sei nur angeblich gegen IS, Al-Nusra-Front und andere islamistische Kräfte gerichtet. In Wirklichkeit nutze Russland den Kampf gegen den Terrorismus nur als Vorwand, um Freiheitskämpfer zu massakrieren, das syrische Regime zu stabilisieren und Syrien ausrauben.
Die Frage, welche Haltung Linke in Syrien zum russischen Eingreifen einnehmen, ist also dieselbe wie die Frage nach ihrer Haltung zur syrischen Regierung und zur syrischen Volksbewegung.