Die LP kann für
(angemessene) 24 Euro
bestellt werden unter
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Zugegeben, allein von der Aufmachung her hat das neue Album von Frank Baier einen nostalgischen Touch: es ist keine CD, sondern eine Vinyl-Schallplatte, und der Pappdeckelumschlag ist getackert (wie er es bei einer alten „Ton-Steine-Scherben“-Platte liebt).
Die Liedauswahl, die Frank Baier live eingespielt hat (leider lässt die Aufnahme das vorhandene Publikum weitgehend vermissen), hat allerdings weniger mit Nostalgie zu tun, sondern eher mit historischer Aufarbeitung und Bewahrung von Arbeiterliedkultur: Die eingespielten 20 Songs gehören zum proletarischen Liedgut einer der größten und kämpferischsten Kohleregionen der Republik, dem Ruhrgebiet: „Gesänge des Ruhrgebietes 1870–1980“ heißt das Album.
Mit der Veröffentlichung knüpft Frank Baier an eine seiner Stärken an, nämlich historisches Material aus der Geschichte der fortschrittlichen und proletarischen Kultur neu aufbereitet zu präsentieren (im Jahr 2006 erhielt er gemeinsam mit der Gruppe „Die Grenzgänger“ den Preis der deutschen Schallplattenkritik für die CD-Produktion „Lieder der Märzrevolution 1920“).
Frank Baier gehört zu den bedeutenden politischen Liedermachern von Rhein und Ruhr seit den Sechzigern. Sein Name steht neben Fasia Jansen (mit der er befreundet war) und Dieter Süverkrüp. Er war auf Burg Waldeck dabei ab 1966, begann mit Skiffle (wie viele in dieser Zeit), trat mit seiner ersten Gruppe „Kattong“ oft mit den „Scherben“ auf, bekannt wurde er in den 70ern mit Walter Westrupp als Gesangsduo „Baier Westrupp“.
Beim Anhören der Scheibe unternimmt man eine Zeitreise in die Geschichte der Arbeiterbewegung. Charakteristisch für viele Lieder ist übrigens, dass sie oft nach Vorlagen von Volksliedern gedichtet oder parodiert wurden. So illustriert ein Liedtext nach der Volksweise „Nun ade, du, mein lieb Heimatland“ die Lebensweise von Bergarbeiterfamilien um 1900 („Bei uns im Kohlenpott“). Auch der erste Titel auf der LP ist eine Nachdichtung des ältesten und bekanntesten Bergarbeiterliedes (seine Ursprünge gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück) „Glückauf, der Steiger kommt“.
Der Text ist eine knallharte Abrechnung mit der Fron der Bergarbeit über Jahrhunderte, entstanden ist er in den 30er Jahren:
„Glückauf, Glückauf! Der Ruhrkumpel spricht:
Dreißig Jahre lang hast du mich beschissen.
Über Tag, unter Tag, bei Tag und bei Nacht.
Dann hast du mich raus auf die Straße geschmissen!
Und das hast, oh Herr, du recht so gemacht!“
Einher mit den harten, unmenschlichen Bedingungen der Bergarbeit über Jahrhunderte gingen schlimme Grubenunglücke. Ein Bänkellied (Verfasser unbekannt) aus dem Jahr 1925 erzählt von einer solchen Katastrophe, von Trauer und Zorn der Überlebenden und Familien, weil die Ursache bei allen Bergunglücken immer die gleiche war und ist: der Profit für die Grubenbesitzer:
„1925 – ach das war ein Unglücksjahr
136 Knappen – waren’s am 11. Februar …
… doch die Aktien steigen weiter – grad als müsste das so sein.
Trotz der 136 Toten – auf der Zeche Minister Stein.“
Die Auswahl der Lieder (die Frank Beier entweder mit Akkordeon oder Gitarre begleitet) geht bis in die Zeit der historischen Kämpfe der Arbeiterbewegung Ende der 1970er.
Das Lied „Rheinpreußen ruft Alarm“ hat einen harten Arbeitskampf begleitet, die Uraufführung war im Februar 1979 beim Hungerstreik vor dem Duisburger Rathaus.
Frank Baier hat die Lieder aus dem Liederbuch „Ruhr – Glück auf“ und aus seinem eigenen Archiv zusammengetragen. – Genau genommen ist das Album ein Stück Geschichte der Arbeiterbewegung durch Arbeiterkultur. Alle Songtexte (in LP-Großformat!), mit historischen Fotos und Faksimile-Abdrucken von Flugblättern liegen der LP bei.