Die „Grenzgänger“ interpretieren die Gedichte des jungen Marx

Liebe und Kampf

Von Manfred Idler

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Mit den wilden Liedern des jungen Marx treten die Grenzgänger am 6. Mai in Trier, am 18. in Berlin, am 3. Juni in Marl am 28. und 29. Juli in Buchholz und in Nürnberg. Und natürlich beim UZ-Pressefest, in Dortmund am Freitag, dem 7. September!

Die CD kann man bestellen beim UZ-Shop www.uzshop.de, Preis: 15,90 Euro

Seine „sittliche Aufführung gegen Vorgesetzte und Mitschüler war gut“. Seine Kenntnis der christlichen Glaubens- und Sittenlehre war „ziemlich deutlich und begründet“, gute Kenntnisse in Mathe und Geschichte; Geographie: ziemlich bewandert, Physik: mittelmäßige Kenntnisse. So steht es im Reifezeugnis des Karl Heinrich Marx, geboren zu Trier am 5. Mai 1818. Mit dieser eher durchschnittlichen Beurteilung hätte was Rechtes werden können aus diesem Jüngling. Er wurde was Linkes, wär‘s anders gekommen, es wäre ewig schade um ihn.

Auch sonst war der junge Karl wohl nicht viel anders als andere junge Männer des Biedermeier. Er gab gern Papas Geld aus – woher es kommt analysierte er ja erst später, 1836 wurde er an der Uni wegen Lärmens im Suff mit einem Tag Karzer – kennt man das Wort überhaupt noch? – bestraft. Im gleichen Jahr focht er einen Streit mit einem Borussia-Burschen aus, was nichts mit Fußball zu tun hat. Die Borussia war ein reaktionäres Studentenkorps. Davon behielt er eine Narbe am linken Auge. Außerdem, altersgemäß: Karl liebte. Ungewöhnlicherweise hielt diese erste Liebe über materielle Not und Anfechtungen ein Leben lang. Und er schwärmte, das heißt er schrieb Gedichte. Für die Angebetete und über die Dinge seiner Zeit.

Das kann peinlich enden und tat es in diesem Fall nicht. Sonst hätten die „Grenzgänger“ wohl kaum einige davon jetzt vertont und eine wirklich runde CD daraus gemacht. Angefangen mit dem sentimentalen Aufschrei „Jenny Jenny“ über die zeitlose Beschimpfung des Spießers bis zum dreizehnten Lied auf der Scheibe, einem Spottgesang auf geistig enge Literaturkritik: Thema der Gedichte ist der Widerspruch – in der Natur, von Gefühlen, Kräften, auch schon gesellschaftlichen Gruppen. Und der Streit, der aus dem Widerspruch hervorgeht, der Kampf, der geführt werden muss: „Darum lasst uns alles wagen,/Nimmer rasten, nimmer ruhn./Nur nicht dumpf so gar nichts sagen/Und so gar nichts woll‘n und tun“. Seiner Zeit gemäß macht Marx natürlich Anleihen bei der Romantik, und wenn die Wortwahl unserer Zeit entrückt scheint, so fordern die Töne, die Michael Zachcial und Felix Kroll gefunden haben, die Gegenwart wieder ein. Gefühligkeit verhindert auch die Stimme von Michael Zachcial, die widerborstig ist und mit Kratzen und Beißen und Schmeicheln die Verse kommentiert. Nebenbei: eine Gitarre kann kichern, auch ein Akkordeon.

Einen gelungenen musikalischen Scherz leisten sich die Grenzgänger mit dem Geburtstagsständchen an Marx, dem letzten Titel der CD: „Brüder mit uns zieht die Internationale“. Was für das ganze Werk gilt: Hinhören. Denn als Geräuschhintergrund für die WG-Party eignet sich die CD nicht.

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"Liebe und Kampf", UZ vom 4. Mai 2018



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