„Als ich Anfang 2003 gerade mein erstes Jahr der Gefangenschaft in diesem Zuchthaus in Florence, Colorado, hinter mir hatte, suchte ich verzweifelt nach etwas, womit ich mir die Zeit vertreiben könnte, abseits von der in diesem Gefängnis herrschenden Spannung und gewalttätigen Atmosphäre. Poesie war eine wirkungsvolle Waffe zur Überwindung der langen Zeiten unrechtmäßiger Bestrafung in den Zellen des so genannten Lochs.“ Antonio Guerrero ist einer der CubanFive, die nach Übergabe von Beweismitteln zu Terroranschlägen auf Kuba verhaftet und zu mehrfach lebenslangen Strafen verurteilt wurden. „Ich komme wieder, kehr’ zurück ins Leben“, dichtete Antonio im Juni 1999 in der Isolationshaft nach der Verhaftung im Jahr 1998.
Grafik in Gefangenschaft
Antonios grafischen Linien folgende Aquarelle beschränken sich auf wenige Farben. Es dominieren graue Tristesse und gelb-orange Töne, die er als Hautfarben versteht, aber gleichzeitig im grellen Kontrast darin die orangefarbene Gefangenenkleidung sieht, wie sie aus Guantanamo berüchtigt geworden ist. Seine Bilderzählungen handeln vom Gefangenenalltag und von der Qual seelischen und körperlichen Leidens. „Das Bällchen“ wird zum Synonym für gesundheitliche Degeneration vom Darm über die Knochen bis zum Zahnfleischbluten: „die Erinnerung an die härtesten Momente, die ich im Loch verbracht habe“. Zeitweise auf fünf Gefängnisse landesweit verteilt, gibt es glückliche Momente der Nähe. Es gelingt Gerardo, ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel zu bauen, René baut ein Schachspiel, Antonio setzt beides ins Bild um. Dazu kommt die Erzählung: „Ich erinnere mich daran, dass, als wir isoliert waren, jeder in einer Isolationszelle, wir uns den Schachzug durch die Fuge der Tür schrieen.“ Antonio baut Bilder und Gedichte, schreibt unzählige Briefe.
Ich komme wieder, kehr’ zurück ins Leben,
als sein Vertrauter werde ich ihm sagen:
Von Nord nach Süd will ich die Liebe tragen,
die in mir ruht, und sie den Menschen geben.
Maßlose Freude lass’ ich über allen schweben,
die einfach lachen, ohne jedes Klagen…
…Und das Geschick besingen meine Lieder,
wenn meine Stimme lässt den Tod erzittern.
„Der Tod ist nicht wirklich, wenn man das Werk des Lebens gut getan hat’, so urteilte Martí. Für den, der sein ganzes Leben dem reinsten, härtesten und schönsten Werk seines Volkes und unseres gesamten Lateinamerikas hingegeben hat, wird der Tod niemals Wirklichkeit.“ schreibt Antonio am 5. März 2013 aus dem Bundesgefängnis Marianna anlässlich des Todes von Hugo Chávez.
Vaterland oder Tod – Liebe und maßlose Freude
„Uns hat immer ein starkes Gefühl menschlicher Solidarität, Liebe zu unserem Vaterland und Verachtung dessen, was gegen die Würde menschlicher Wesen verstößt, bewegt. Die Angeklagten in diesem Prozess bereuen in keiner Weise, was sie für die Verteidigung ihres Landes getan haben. Wir erklären uns für nicht schuldig und schöpfen Trost aus der Tatsache, dass wir unsere Pflicht für die Ehre unseres Volkes und unseres Vaterlandes getan haben. Unsere Lieben verstehen die Tiefe der Ideen, die uns leiten, und sie werden stolz auf unser Opfer für die Menschheit in diesem Kampf gegen den Terrorismus und für die Unabhängigkeit unseres Landes sein.“ Mit dieser Botschaft wendet sich Antonio 2001 an das US-amerikanische Volk.
1958 in Miami geboren, kehrt Antonio mit seinen Eltern nach dem Sieg der Revolution nach Cuba zurück. In Kiew absolviert er ein Ingenieurstudium, wird Spezialist für den Bau von Landebahnen. In den 90er Jahren geht er mit einer Gruppe von Aufklärern in die USA, um die terroristischen Zellen von Miami zu unterwandern. In dieser Zeit lernt er Maggy kennen, die ihm während der Haftzeit eine große Hilfe ist. Maggy (Margarete Becker) pflegt Kontakt zu Antonios Familie und fördert seine künstlerischen Ambitionen. Mit ihrer Unterstützung erscheint Antonios Gedichtband „Desde Mi Altura“ (von meiner Höhe aus), den – auf einem Foto sichtbar – einer der bekanntesten politischen Gefangenen der Welt in Händen hält. „Nelson Mandela wird für immer in unser aller Herzen leben, die wir von einer besseren Welt träumen und für Frieden und Solidarität kämpfen“, schreibt Antonio im Dezember 2013 zu dessen Tod. „Dieses Beispiel für Loyalität und Widerstand des Nelson Mandela half uns, die außergewöhnlich harten Bedingungen zu überstehen.“ Am 16. Oktober feiert Antonio Guerrero seinen 57. Geburtstag – in Freiheit.
Die begleitenden Fotografien stammen aus zwei Ausstellungen der Arbeiterfotografie: „John und Che – Leben im Land der Revolution“ (Senne Glanschneider und Riet Klarenbeek 2009/2010) und „CubaVision – Und sein Traum von heute wird das Gesetz von morgen sein“ (Schwarz-Weiß-Fotos von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann 1992/1994)
Grafik des Cubaners in Gefangenschaft und Fotografien von arbeiterfotografie aus Cuba Ausstellung im Rahmen des 25jährigen Galerie-Bestehens Galerie Arbeiterfotografie Merheimer Straße 107, 50733 Köln – 0221 727 999 15. bis 29. Okt. 2015, Mi/Do 19–21 Uhr, Sa 11–14 Uhr u. n. V.
Eröffnung: Do, 15. Oktober 2015, 19 Uhr Eröffnung mit Anette Chao García, Leiterin der kubanischen Botschaftsaussenstelle in Bonn und Dr. Ingrid Hunold, Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Regionalgruppe Köln. Kontrabasssolo: Christian Hinz
Filmabend: Fr, 23. Oktober 2015, 19 Uhr Eine Reise nach Cuba – Film von Peter Kleinert, Redaktion Alexander von Cube (WDR/KAOS-Kunst- und Video-Archiv). Kamera: Wilfried Kaute, Wolfram Seeger, Yoash Tatari (1977) 43 Minuten Free the Cuban Five, Film von arbeiterfotografie/ccaaff (2014, 8 Min., NRhZ) Kurzfilm von einer Aktion vor dem US-Konsulat in Düsseldorf, Daniel Rodríguez singt Comandante Che Guevara (Eintritt 10 Euro/ermäßigt 3 Euro)
Finissage: Sa, 7. November 2015, 19 Uhr Daniel Rodríguez (Gitarre und Gesang) trägt von ihm vertonte Gedichte von Antonio Guerrero vor, die Schauspielerin Mischi Steinbrück rezitiert die Texte in deutscher Sprache (Eintritt 10 Euro/ermäßigt 3 Euro)