Warum es in Brandenburg brennt und wieder brennen wird

Lichterloh

Uli Jeschke

Brandenburgs Wälder brennen, mal mehr, mal weniger in diesem Sommer. Brandenburg ist sozusagen der deutsche Hotspot (hier passt der neudeutsche Begriff wie die Faust aufs berühmte Auge) im Waldbrandgeschehen Deutschlands. Es brennt natürlich auch in anderen deutschen Gegenden, aber nirgendwo so eindrucksvoll wie am deutschen Ostrand. Warum ausgerechnet dort, das möchte ich mit den nächsten Zeilen etwas beleuchten.

Drei Probleme begünstigen die Feuersbrünste im Berlin-umschließenden östlichen Bundesland:

  1. der Klimawandel
  2. der Sandboden
  3. die Regierung.

Fangen wir mit dem Klimawandel an. Der ist ja nun wahrlich nicht zu leugnen, nur war er hier im Land meist ziemlich abstrakt. Gut, die Sommer werden heißer, was unangenehm ist im Büro. Natürlich auch an den Arbeitsstellen, an denen wirkliche Werte geschaffen werden, nur, die kommen in der Berichterstattung nicht vor, außer wenn es um Straßen geht, auf denen wir ins Büro oder an die See fahren. Wie viel von diesen Klimaveränderungen menschengemacht ist, darüber wird viel und erbittert gestritten, aber wenig unternommen gegen den Menschenanteil daran. Das ist auch hier im Osten so. Dazu kommen wir aber noch. Neben der vielen Wärme kommen noch zu wenig Niederschläge hinzu. Das bedeutet zu wenig Wasser nicht nur für die Kleingärtner und Poolbesitzer, sondern auch für Wiesen, Äcker und Wälder. Und im Winter zu wenig Schnee. Wenn sich die Gebirgsmenschen und jene, die meinen, Lebensmittel kommen nur aus Supermärkten und folienüberdeckten türkischen, spanischen oder niederländischen Bauernhöfen, nun fragen, wozu wir Schnee in Brandenburg brauchen, dann antworte ich: für die Felder. Denn mehr Hitze im Sommer heißt auch mehr Kälte im Winter und der Schnee schützt die Saaten, habe ich zumindest mal in der Schule gelernt.

Der Sandboden ist Brandenburgs immerwährendes Problem, soweit es die Pflanzenwelt betrifft. Ein Überbleibsel aus der Eiszeit. Wächst halt nicht viel drauf. Aber eben Kiefern, die sind anspruchslos und holen sich das Wasser tief aus dem Boden. Da sie schnellwüchsig sind, werden sie für die Wiederaufforstung gern genutzt. Sind allerdings anfällig für Waldbrände und, Ironie der Geschichte, die Samen schlagen nach Bränden besonders gut an.

Regierungen waren für die Brandenburger Wälder immer ein Problem. In der DDR wurde in vielen heutigen Brandenburger Gegenden das Wasser abgegraben, denn der Grundwasserspiegel musste abgesenkt werden, damit die Tagebaue für die Braunkohle nicht absoffen. Denn das kleine Land brauchte die Kohle. Ohne Kohle keine Industrie, ohne Industrie kein Sozialismus. Das fand der kapitalistische Teil der Welt nicht lustig und verhängte Sanktionen, damit kennen sich die alten Ostdeutschen aus und mit dem Versuch, trotzdem weiter zu machen. Da kann man nicht auf alles achten. Der Wald schien nicht prioritär zu sein für den Aufbau eines anderen Deutschland. Allerdings gehörte er dort dem Staat, also allen, und man versuchte ihn soweit als möglich zu schützen. Es gab ein gutes System der Überwachung (damit kannten wir uns aus), Waldbrände wurden früh erkannt und mit der geballten Staatsmacht bekämpft. Aber der Wald hatte weitere Probleme, die mit noch früher zusammenhingen. Dieser Wald in Brandenburg war Schauplatz gewaltiger, blutiger Kämpfe im Schlussakkord von Wehrmacht gegen Rote Armee. Tausende Tonnen Granaten, Bomben und andere Arten von Munition blieben auf dem Waldboden und versanken in ihm im Laufe der sieben Jahrzehnte, bis zu sechs, sieben Meter tief. Das fiel den neuen, total demokratischen nunmehrigen Landesregierungen nicht weiter auf – bis es zum ersten mal brannte, doll brannte. Die Aufregung war groß und noch größer die Anstrengungen, die Brände zu löschen und dabei nicht in die Luft zu fliegen. Als das Feuer aus war, schwand das Bewusstsein für die Gefahr. Sollten sich die Kommunen kümmern – und die hatten kein Geld. Na, das kannte man schon von der Oderflut, schwindet das Wasser, verschwindet das politische Interesse und das Geld versickert wie das Wasser. Schließlich sind Regierungen nicht für die Menschen da, sondern für das Große und Ganze.

Und so wurden bei den diesjährigen Waldbränden Hubschrauber und Wasserwerfer der Bundespolizei, ein paar tausend Kameraden der Freiwilligen und etliche Dutzend der Berufsfeuerwehr, das THW, drei Pionierpanzer der Bundeswehr und jede Menge andere freiwillige Helfer eingesetzt, fast 160 Flugstunden geflogen und rund 2,5 Millionen Liter Wasser eingesetzt, um rings um explodierende Munition die Brände einzudämmen und zu löschen. Im Augenblick ist alles im Griff, aber die feuerbegünstigende Hitze noch nicht durch.

Doch spätestens im Herbst, wenn alles gelöscht ist, dann werden ein paar neue Bäume gesetzt, das heißt dann Waldumbau, und die Granaten geraten in Vergessenheit, denn die Kommunen haben kein Geld zur Beräumung und das Land hat andere Sorgen und das ganze große Deutschland erst recht, es muss den Energiekrieg gegen „den Russen“ gewinnen. Und im Sommer 2023 beginnt das Spiel von vorn.

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"Lichterloh", UZ vom 19. August 2022



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