Erste Stufe der Waffenruhe in Gaza in Kraft getreten

Licht und Schatten

Endlich Waffenruhe in Gaza und ein erster Austausch von Geiseln. Das Abkommen, das jetzt in Kraft trat, entspricht im Wesentlichen dem, das vor Monaten schon ausgehandelt war. Seitdem starben zehntausende Palästinenser und viele der Geiseln durch israelische Bomben. Der Widerstand von Benjamin Netanjahu, Itamar Ben-Gvir und ihren Verbündeten hatte bisher ein Abkommen verhindert. Ben-Gvir prahlte sogar damit, „wieder und wieder“ die Verhandlungen um den Waffenstillstand blockiert zu haben.

Die neue US-Regierung will Donald Trumps „Deal des Jahrhunderts“ wiederbeleben und selbst bestimmen, wohin die Entwicklungen im Nahen Osten verlaufen sollen. Der israelische Genozid war dabei nicht hilfreich. Und so brauchte es nur ein Gespräch, den Genozid zu unterbrechen. Der Abgesandte von Trump ließ der israelischen Regierung nur eine Möglichkeit: Mit 24 gegen 8 Stimmen entschied sie sich, das Abkommen zu akzeptieren. Ben-Gvir verließ die Regierung
Es sind kleine Dinge, die zeigen, wie sehr Israel dieses Abkommen verhasst ist. Im Abkommen musste eigens festgehalten werden, dass freigelassene Palästinenser nicht erneut mit derselben Begründung verhaftet werden. Es soll keine Freudenkundgebungen für die freigelassenen Palästinenser geben. Und bis zuletzt wurden – und werden – die Menschen in Gaza bedroht. Noch am Sonntag durchbrachen israelische Kampfflugzeuge über Gaza die Schallmauer in einer grotesken Machtdemonstration. Die Entlassung der Palästinenser aus der Haft zog sich wieder einmal hin, die Verwandten, die auf sie warteten, wurden drangsaliert.

Nach dem Text des Abkommens ist das Ziel der Vermittler, einen andauernden Waffenstillstand zu erreichen. Doch Finanzminister Bezalel Smotrich hat für seinen Verbleib in der Regierung Bedingungen gestellt: Der Krieg müsse – nach der ersten Phase des Geiselaustausches – weitergehen und Israel müsse Gaza übernehmen. Auch Netanjahu hat erklärt, Israel werde den Krieg fortsetzen, falls die Verhandlungen über die zweite Stufe des Waffenstillstands nicht die nötigen Ergebnisse erbringen. Und Netanjahu hat weiterhin eine ausreichende Mehrheit in der Knesset – selbst ohne die stillschweigende Unterstützung durch Ben-Gvir und seine Partei.

Es gibt eine Reihe von möglichen Bruchlinien in diesem Abkommen. Die erste betrifft bereits die Rückkehr von Fahrzeugen in den Norden von Gaza. Sie sollen von einem „privaten Unternehmen“ kontrolliert werden, das von Israel und den internationalen Vermittlern bestimmt wird. Es wird auch der Versuch sein, Weichen zu stellen für die Kontrolle über Gaza nach dem möglichen Ende des Krieges.

Werden die Kontrolleure womöglich Milizen der Autonomiebehörde sein? Sie haben mit ihren Angriffen im Auftrag Israels in Dschenin und anderen Orten der Westbank bereits ihre Bewerbung eingereicht. Oder werden es Kräfte aus Katar, Ägypten oder gar – kaum vorstellbar – aus den USA? Wird eine Kontrolle überhaupt möglich sein? Denn schon jetzt sind die Menschen in Gaza in permanenter Bewegung. Sobald sich die israelische Armee aus einem Gebiet zurückzieht, kehren die Einwohner zurück zu den Trümmern ihrer Häuser.

Viele Medien und Kommentatoren in Israel sehen das Abkommen als israelische Niederlage an, Ben-Gvir spricht sogar von einer Katastrophe. Und doch will Netanjahu noch immer das Ziel erreichen, die Hamas zu zerstören. Ein Ziel, das immer weniger erreichbar erscheint – denn die Hamas hat nach israelischen Medienberichten auch nach 15 Monaten Krieg weiterhin die Kontrolle über Gaza.

Für die Menschen in Gaza und für die verbliebenen Geiseln gibt es jetzt immerhin einen Lichtblick: Die Lieferung von Hilfsgütern in großem Maß und die Hoffnung, dass Waffenruhe und Austausch andauern.

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"Licht und Schatten", UZ vom 24. Januar 2025



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