Die Mitglieder der Gewerkschaft SAG-AFTRA sind in den Streik getreten (siehe UZ vom 21. Juli) und haben sich damit dem Arbeitskampf der Drehbuchautoren und -autorinnen angeschlossen: 170.000 Streikende gegen die Bosse von Hollywood.
Als es das letzte Mal so eine geschlossene Streikfront gab, haben sich die, die in Hollywood den Reichtum produzieren, das erste Mal nach der Kommunistenhatz durch McCarthy und Co. wieder getraut, für ein ordentliches Stück von dem großen Kuchen, den sie produzieren, zu kämpfen. Wer ihre Arbeiten sehen wollte, konnte das entweder ausschließlich im Kino oder musste um eine bestimmte Uhrzeit vor dem heimischen Fernseher Platz nehmen (sofern denn überhaupt einer vorhanden war). Das war 1960, Ronald Reagan (jep, genau der Reagan, der Kommunistenhasser, der seine Kollegen bei McCarthy denunziert hat) war Präsident der Screen Actors Guild, der Schauspielgewerkschaft, und der Kampf drehte sich um die Vergütung von Ausstrahlungen von Kinofilmen im Fernsehen.
1980 streikten die Schauspielerinnen und Schauspieler dann für eine gerechte Beteiligung beim Vertrieb ihrer Filme auf Videos. Beim jetzigen Streik geht es unter anderem um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, der die Rechte von Schauspielerinnen und Schauspielern bedroht. Kurzum: zu den großen Streiks in Hollywood kommt es dann, wenn technischer Fortschritt das Gewerbe zu revolutionieren scheint.
Die Probleme sind fast identisch, mit denen sowohl die SAG-AFTRA als auch die Writers Guild of America, die Gewerkschaft, in der die Drehbuchautoren sich organisieren, konfrontiert sind: Gehälter, die in den letzten Jahren durch die Inflation stark an Wert verloren haben, schwindende Restgagen, sinkende Arbeitszeit pro Sendung – was ebenfalls zu Gehaltseinbußen führt – und die drohende Gefahr durch Künstliche Intelligenz. Denn die, so die Befürchtung von Schauspielern und Drehbuchautoren, könnte von Hollywoods Mogulen bald eingesetzt werden, um echte Schauspieler durch Abbilder ihrer selbst oder auch durch komplett künstlich generierte Bilder zu ersetzen. Und auch Drehbücher könnten, so die Writers Guild of America, bald von KI geschrieben werden. Umso einfacher, wenn ein Team von Autoren die ersten Folgen oder Staffeln einer Serie geschrieben hat und die KI so „lernen“ kann, was Stil und Witz dieser bestimmten Serie sind.
Fran Drescher, Präsidentin der SAG (jep, die „Nanny“ mit der Stimme), und Duncan Crabtree-Ireland, der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, stellten bei der Verkündung des Scheiterns der Verhandlungen und der Ausrufung des Streiks fest: „Die Unternehmen haben sich geweigert, bei einigen Themen sinnvoll zu verhandeln, und bei anderen haben sie uns völlig abgewürgt. Solange sie nicht in gutem Glauben verhandeln, können wir nicht zu einer Einigung kommen.“ Nach mehr als vierwöchigen Verhandlungen zwischen der SAG-AFTRA und der AMPT, zu deren Mitgliedern Amazon, Apple, Disney, NBCUniversal, Netflix, Paramount, Sony und Warner Bros.-Discovery gehören, mussten die beiden Gewerkschaftsführer feststellen, dass AMPTP sich geweigert hat, „die enormen Veränderungen in der Branche und der Wirtschaft anzuerkennen, die sich auf die Arbeitnehmer auswirken“.
Solange die Screen Actors Guild den Streik aufrecht erhält, stehen sämtliche Dreharbeiten still. Den Schauspielern ist es ebenso untersagt, anderen Aspekten ihres Berufes nachzugehen, dazu gehört unter anderem die Werbung für Filme, die Teilnahme an Premierenfeiern und so weiter. Die Branche rechnet damit, dass im Herbst zwar noch einige Filme anlaufen, danach das Erscheinen von US-amerikanischen Kinofilmen abnehmen wird, bis die Stars wieder die Werbetrommel rühren können. Die US-amerikanische Zeitung „People‘s World“ zitiert einen Brancheninsider, der das dreckige Szenario beschreibt, auf das die Hollywood-Mogule setzen: „Das Endspiel besteht darin, die Dinge so lange hinauszuzögern, bis die Gewerkschaftsmitglieder ihre Wohnungen und Häuser verlieren.“ Das soll ab Oktober der Fall sein.
Denn für die meisten der Streikenden dürfte das finanzielle Polster dünn sein: In den letzten zehn Jahren sind die Gehälter von Fernsehautoren um 23 Prozent gesunken. Und auch für die Schauspieler, die nicht zu den Gutverdienern der Branche gehören, ging es abwärts, das durchschnittliche Jahreseinkommen beträgt inzwischen nur noch 26.276 US-Dollar. Das Gleiche gilt für Gehälter, Sozialleistungen und die Arbeitsplatzsicherheit der meisten anderen Autoren von Inhalten wie Szenenbildnern, Kostümbildnern, Choreografen und so weiter.
Doch auch die Stars der Branche sind von den Entwicklungen betroffen, denn es geht nicht nur um physisches Eigentum, sondern um das Recht am eigenen kreativen Output. Es geht darum, wie viel des Wertes dessen, was geschaffen wird, an diejenigen geht, die es schaffen, und wie viel an diejenigen, die diese Schöpfungen verwalten.
Und noch einen Grund gibt es dafür, dass sich selbst die Superstars mit den Millionenverträgen an den Streik halten und die Bosse verärgern: In den USA darf nur an einem Filmset arbeiten, wer auch Mitglied der Gewerkschaft ist. Wer einen Streik bricht – und sei es nur mit einem Interview –, wird aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Da verzichtet man gern auf den roten Teppich. Wenn die Bosse nicht einlenken, wird es lange dauern, bis sich im Kino oder auf Netflix was Neues tut.