Sanktionen aufheben
Durch die Medien geistern Berichte über eine Hungersnot im von Regierungstruppen umzingelten damaszener Vorort Madaya. Das ist pervers. In Syrien hungern inzwischen über sechs Millionen Menschen. Die Politik der Regierung verschärft in mancher Hinsicht das Elend der Bevölkerung. Aber die Hauptverantwortung für Hunger, Elend und Vertreibung in Syrien tragen die imperialistischen Mächte mit ihrer Politik des Krieges und der Sanktionen gegen Syrien.
Der Krieg und die Sanktionen geben den Takt vor, die Regierung macht den Rest. Aber ihr Spielraum ist klein. Denn der Krieg hat die Produktion zerstört, den Verkehr lahmgelegt und Millionen Arbeiter vertrieben. Der deutsche Imperialismus hat besonders laut nach Sanktionen gerufen. Diese Sanktionen haben wesentlich zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Syrer beigetragen. Angeblich sollten sie Assad treffen – tatsächlich treffen sie das Volk. Die Friedensbewegung in Deutschland forderte von Anfang an, diese Sanktionen aufzuheben. Nun nimmt der deutsche Imperialismus auch offen am Krieg in Syrien teil. Wir kämpfen dafür, die Bundeswehr abzuziehen und die Sanktionen aufzuheben. tl
Der Krieg in Syrien bedeutet Tod, Zerstörung, Verletzungen und Vertreibung für die Bevölkerung. Und viele Syrer spüren den Krieg in ihren Bäuchen. Im Dezember veröffentlichte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) eine Studie, in der sie die Nahrungsversorgung von 20 000 syrischen Familien untersuchte. Ein Drittel der Syrer hungert bereits heute, weitere neun Millionen – also die Hälfte der Bevölkerung – sind von Hunger bedroht. Das heißt: 16 Prozent der syrischen Familien gehen an über zehn Tagen im Monat ohne Essen ins Bett. 45 Prozent legen sich an drei bis zehn Tagen im Monat schlafen, ohne gegessen zu haben. Besonders betroffen sind Familien, deren Familienoberhaupt eine Frau ist: In diesen Familien steigt die Gefahr zu hungern um 60 Prozent.
Dass so viele Syrer von Hunger betroffen sind ist eine unmittelbare Folge des Krieges: 2011 leistete das WFP humanitäre Hilfe für etwa 50 000 Personen, heute sind bereits über sechs Millionen auf diese Hilfe angewiesen. Die Einwohner der Dörfer und Städte, die von den verschiedenen Kriegsparteien eingeschlossen sind, sind von der Versorgung abgeschnitten. Und der Krieg zwingt die Menschen zur Flucht, unter anderem bedeutet das Arbeitslosigkeit und zusätzliche Kosten z. B. für Miete oder neue Haushaltsgeräte. Alleine im letzten Jahr vertrieb der Krieg eine Million Syrer aus ihren Heimatorten und machte sie zu Binnenflüchtlingen, einige von ihnen fliehen bereits zum zweiten oder dritten Mal innerhalb von fünf Jahren. Heute sind 53 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung arbeitslos, vor Ausbruch des Krieges waren es 8 Prozent.
Aber dazu, dass sich die wirtschaftliche und humanitäre Lage verschärft, trägt auch die Wirtschaftspolitik der syrischen Regierung bei. Seit 15 Jahren hält die Regierung an ihrer Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung fest. Vom Dogma des Liberalismus weicht auch die von der Regierung propagierte Politik der „Kriegswirtschaft“ nicht ab.
Die Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Regierung die Subventionen für Heizöl und Gas eingestellt hat. Der Preis für Gasflaschen – die Syrer kochen hauptsächlich mit Gas – hat sich infolgedessen alleine im vergangenen Jahr von 1 500 Lira auf 1 800 Lira erhöht (100 Lira entsprechen zur Zeit rund 40 Cent). Im vergangenen Oktober erhöhte die Regierung den Brotpreis um 40 Prozent. Die Regierung hat zwar die Löhne erhöht, aber diese Lohnerhöhungen gleichen die Preissteigerung nur knapp aus. Gleichzeitig behauptet die Regierung, sie habe die Sozialausgaben im Haushalt erhöht. Tatsächlich kommt diese angebliche Steigerung nur zustande, weil die Regierung die tatsächliche Kaufkraft der Lira nicht berücksichtigt und die Struktur des Haushaltsplans verändert hat.
Wie die Assad-Regierung die Kosten des Krieges auf die Werktätigen abwälzt, zeigt sich besonders an ihrer Wirtschaftspolitik. Die Abwertung der syrischen Lira prägt den Alltag der Syrer: Vor dem Krieg kostete ein US-Dollar ungefähr 60 Lira. Zeitweise stieg der Kurs auf 1 Dollar zu 400 Lira. Heute schwankt der Kurs zwischen 350 und 400 Lira für einen Dollar. Das bedeutet, dass importierte Waren für die Bevölkerung um ein Vielfaches teurer geworden sind.
Um den Wechselkurs der Lira zu stabilisieren, wäre es vor allem nötig, die industrielle und landwirtschaftliche Produktion im Land zu schützen und zu unterstützen. Aber die Regierung macht genau das Gegenteil: Sie streicht Subventionen, sie unterlässt den Kampf gegen Kapitalflucht und sie drosselt Investitionen in die Produktion. Für das dritte Quartal 2015 waren 3 Milliarden Lira zur Unterstützung der Industrie vorgesehen – aber wirklich ausgegeben wurden nur 132 Millionen, also nur 4,4 Prozent der eigentlich vorgesehenen Ausgaben. Außerdem beteiligt sich die syrische Zentralbank an den Währungsspekulationen mit der Lira – sie trägt damit zur allgemeinen Schwächung der syrischen Währung bei.
Die verschiedenen syrischen kommunistischen Parteien kritisieren diese Politik, auch wenn sie sich bewusst sind, dass Krieg und Sanktionen die Hauptursachen des gegenwärtigen Elends sind. Die syrische Regierung, insbesondere die für die Wirtschaft verantwortlichen Funktionäre, führen den Krieg auf Kosten der syrischen Werktätigen und Armen. Gleichzeitig schonen sie die Bourgeoisie. Die syrischen Kommunisten meinen: Diese Wirtschaftspolitik schwächt die Standhaftigkeit des Volkes. Sie fordern, dass die staatliche Produktion ausgeweitet und die Lage der Werktätigen verbessert wird.