Die arabische Halbinsel ist häufig in den Schlagzeilen, aber wann haben Sie zuletzt vom Oman gehört? Der Oman, in etwa so groß wie Italien, besteht zu 95 Prozent aus Wüste. Nur ein kleiner Teil des Landes ist besiedelt. Von den rund vier Millionen Einwohnern sind die Hälfte asiatische „Gastarbeiter“. Etwa zwei Drittel der Omanis sind ibaditische Muslime. Der Ibadismus ist eine Rechtsschule, der weltweit etwa zwei Prozent aller Muslime angehören.
Die Rechtsschule des Ibadismus zeichnet sich vor allem durch ihr liberales Verhalten gegenüber anderen Religionen aus, die seit dem massenhaften Zuzug von „Gastarbeitern“ zahlreich vertreten sind. Vom indischen Hindupriester bis zum amerikanischen Evangelikalen bezeugen alle ihre Zufriedenheit mit der Religionspolitik des Oman. Die Religionsfreiheit endet allerdings im öffentlichen Raum. Dort sind Glaubensbekundungen oder Missionseinsätze strikt untersagt – auch für Muslime.
„Der Oman ist die Schweiz des mittleren Ostens“, ist eine geläufige Aussage. Besonders stolz ist man auf die neutrale und vermittelnde Haltung des Landes. Der Krieg im Jemen und in Syrien erfolgt ohne Beteiligung des Oman. Im Gegenteil, es wurden bereits zahlreiche Runden für die Aufnahme von Friedensgesprächen angestoßen. Der Grund ist schon mit einem Blick auf den Globus zu erkennen: Der Oman muss sich zwischen zwei Machtblöcken behaupten. In der Straße von Hormus liegt der schiitische Iran nur 55 Kilometer entfernt. Im Norden teilt er sich hunderte Kilometer Grenze mit dem wahabistischen Saudi-Arabien. Beide versuchen ihren Einfluss im Oman geltend zu machen – Saudi-Arabien insbesondere durch Propagandaschriften und Prediger. Deshalb wird versucht, zwischen den Machtblöcken zu lavieren und auszugleichen. Der Oman unterhält mit allen arabischen Staaten diplomatische Beziehungen – und als einziges durchgehend auch mit Israel.
Die Wirtschaft beruht, nicht überraschend, auf Öl und zunehmend auf Gas. Auch der Oman hat seinen kometenhaften Aufstieg der Entdeckung von Öl zu verdanken. Allerdings war bereits von Anfang klar, dass die Ölvorkommen nur bis 2020 ausreichen werden. Es wurden zwar neue Ölfelder entdeckt, aber das baldige Versiegen zögert sich damit nur wenig hinaus. Zudem ist das omanische Öl weder von der Qualität des saudischen Öls, noch ist es so günstig zu fördern. Durchaus vorausblickend wurde sich deshalb bemüht, die Wirtschaft zu diversifizieren.
Insbesondere in die Infrastruktur und den Bildungsbereich wird massiv investiert. Im Gespräch mit Professoren der Sultan-Qabus-Universität, mit 30 Jahren die älteste des Landes, zeigen sich jedoch deutliche Grenzen. Noch vor 40 Jahren gab es weder Schulpflicht noch Hochschulen. Dadurch fehle eine Lese- und Lerntradition. Studierende brechen das Studium ab, sobald sie eine gute Stelle in einem Staatskonzern „vermittelt“ bekommen. Die Studienzahlen sind mit 50 Prozent quotiert, allerdings ist dies eine Schutzquote für Männer. Würde das Vergabesystem nach Schulnoten konsequent umgesetzt, läge der Männeranteil bei unter 20 Prozent der Studienanfänger.
Um Arbeitsplätze mussten sich Absolventen bis vor kurzem keinerlei Gedanken machen. Erst mit dem Fallen des Ölpreises gibt es Druck auf dem Arbeitsmarkt – genauer gesagt, auf dem omanischen Arbeitsmarkt. Denn fast jegliche physische Arbeit wird von Asiaten, vor allem Indern, geleistet – auf Baustellen, im Restaurant, Supermarkt oder als Hausmädchen. Einen Mindestlohn gibt es genau so wenig wie eine Arbeitszeitbegrenzung. Seit wenigen Jahren dürfen Arbeiter „nur“ noch bis maximal 50 Grad Außentemperatur arbeiten. Seitdem unterscheiden sich auch die omanischen Wettermeldungen im Hochsommer konsequent von denen der BBC.
Den schlimmsten Missbrauch gibt es aber nach wie vor im Bereich der Haushaltshilfe. Obwohl es seit einigen Jahren verboten ist, den Hausmädchen den Pass abzunehmen, berichtet ein indischer Priester von dieser häufigen Praxis. Nach 20 Jahren müssen die „Gastarbeiter“ den Oman wieder verlassen. Eine Integration ist nicht erwünscht. Dies ist auch im Umgang mit Asiaten überall zu spüren. Hier gibt es Menschen zweiter Klasse, auf die man zwar angewiesen ist, aber mit denen man niemals nach dem Feierabend einen Kaffee trinken würde – Alkohol ist in der Öffentlichkeit natürlich nicht erlaubt.
Regiert wird das Sultanat seit 46 Jahren von Sultan Qabus ibn (Sohn des) Said, der 1970 seinem Vater die Macht entriss und das Land modernisierte, den Bürgerkrieg beendete, die Kommunisten in Dhofar bekämpfen ließ, Hochschulen baute, die Schulpflicht einführte, die Ölförderung nationalisierte und das Land in die UN führte.
Der Sultan ist zeitglich Premier-, Finanz-, Außen-, und Innenminister. Außerdem ist er Befehlshaber der Streitkräfte und der Polizei. Seit 1996 gibt es erstmals eine Verfassung, kurz darauf wurde ein beratendes Parlament zugelassen. Parteien sind verboten und nur staatstreue Gewerkschaften erlaubt.
Wie es mit der zaghaften Liberalisierung weitergeht, ist unklar. Der Sultan laboriert seit Jahren an Krebs und befindet sich die meiste Zeit über in Garmisch-Partenkirchen zur Behandlung. Seit über zwei Jahren hat er keine neuen Botschafter akkreditiert. Nach seinem Tod, so hat er es in der Verfassung verankert, muss der Familienclan innerhalb von drei Tagen einen Nachfolger bestimmen. Womit die seit 1741 herrschende Erbmonarchie ihre Fortsetzung finden würde.