Britannien kündigt Lieferung panzerbrechender Uranmunition in die Ukraine an. Ärzteorganisation IPPNW warnt vor gesundheitlichen Folgen für viele Generationen

Leukämie, Lungenkrebs und Missbildungen

Der Stellvertreterkrieg gegen Russland auf ukrainischem Boden wird immer rücksichtsloser und droht zu schweren gesundheitlichen Belastungen für Generationen zu führen. Das NATO-Mitglied Britannien will an die Ukraine zusammen mit 28 Challenger-2-Kampfpanzern auch panzerbrechende Munition mit einem Kern aus abgereichertem Uran liefern. Die Ankündigung dazu erfolgte just, als Chinas Staatschef Xi Jinping bei seinem Besuch in Moskau mit Russlands Präsident Möglichkeiten einer Verhandlungslösung auslotete und ist als direkter Sabotageversuch dieser Vermittlungsinitiative zu sehen. Laut „FAZ“ könnten zudem von den USA Geschosse mit Depleted Uranium (DU) für die Bradley-Schützenpanzer und die später folgenden Abrams-Kampfpanzer kommen. Als Reaktion darauf kündigte mittlerweile Russland die Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus an und will seinerseits den Einsatz von Uranmunition in der Ukraine prüfen. Eine fatale und brandgefährliche Entwicklung für die Zivilbevölkerung in der Ukraine wie für die Truppen im Einsatzgebiet.

Die Ampel-Regierung und Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock schweigen bisher zum britischen Uranvorstoß. Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter verharmlost in der „ARD“ unwidersprochen die DU-Munition als sozusagen ungefährliches Schwermetall. Die Linke-Außenpolitikerin und Abrüstungsexpertin Sevim Dagdelen nennt die Lieferung dagegen „verbrecherisch“. Der Einsatz dieser panzerbrechenden Geschosse führe „wie im Fall der NATO-Aggression im ehemaligen Jugo­slawien und des US-Angriffskrieges im Irak zur Verseuchung der Einsatzgebiete mit den bekannten gesundheitlichen Folgeschäden für die Bevölkerung, darunter Krebserkrankungen und Missbildungen bei Neugeborenen“, warnt die Abgeordnete. „Die Bundesregierung muss beim NATO-Partner Großbritannien auf einen Lieferstopp von Uranmunition in die Ukraine drängen.“

Im Gegensatz zu Kiesewetter warnt die ärztliche Friedensorganisation IPPNW, Uranmunition schädige das Leben auf zweifache Weise: „Als Schwermetall ist es ein chemisches Zellgift, als Alphastrahler verursacht es radioaktive Schäden. Beide Wirkungen potenzieren sich. Der Einsatz dieser Munition führt zu toxischen und radiologischen Langzeitschäden. Italien hat im Jahr 2009 den kausalen Zusammenhang von DU-Munition und bestimmten Krebserkrankungen anerkannt und 30 Millionen Euro als Wiedergutmachungsfonds für kranke Soldaten bereitgestellt.“ Munition mit abgereichertem Uran sei von der NATO gegen Jugoslawien 1999 sowie von den USA und Britannien in den Irak-Kriegen 1991 und 2003 eingesetzt worden. Es kam zu einem Anstieg von Missbildungen bei Neugeborenen sowie erhöhten Krebsraten bei Kindern und Erwachsenen. „Die Ukraine sollte nicht zulassen, dass Soldaten und Zivilbevölkerung im eigenen Land durch den Einsatz von DU-Munition langfristigen Gesundheits- und Umweltschäden ausgesetzt werden“, mahnt die IPPNW-Vorsitzende Dr. med. Angelika Claußen. Die gesundheitlichen Schädigungen durch Uranmunition für Zivilbevölkerung, Soldaten und Umwelt sind laut IPPNW so gravierend, dass sie international geächtet werden muss. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) stuft abgereichertes Uran als hochgiftiges und radioaktives Schwermetall ein.

Abgereichertes Uran ist eigentlich ein Abfallprodukt, das in der Herstellung kaum Kosten verursacht. Es ist etwa 60 Prozent weniger radioaktiv als natürliches Uran und entsteht bei der Anreicherung von Uran für den Einsatz in Atomkraftwerken oder bei der Herstellung von Atomwaffen. DU-Geschosse haben eine besondere Schlagkraft, um etwa Stahlbeton und schwere Panzerungen zu durchschlagen. Beim Auftreffen verändert es nicht seine Form, Panzer werden allein durch die gewaltige kinetische Energie zerstört.

Treffen Geschosse mit einem DU-Hartkern ihr Ziel, verbrennt das abgereicherte Uran explosionsartig zu winzigsten Partikeln – „Deadly Dust“. Einmal eingeatmet, kann dieser „Todesstaub“ in alle Organe des Körpers gelangen. Die Partikel sind 100 Mal kleiner als rote Blutkörperchen und können so auch die Mutter-Kind-Schranke überwinden – eine Erklärung für schwerste Missbildungen bei Neugeborenen, wie sie vor allem aus dem Irak bekannt sind, wo die USA hunderte Tonnen DU-Munition verschossen und Boden, Luft und Wasser verseucht haben. IPPNW verweist auf eine umfassende Studie aus Basra, die einen signifikanten Anstieg angeborener Anomalien bei Kindern fand: 7,76 pro 1.000 Geburten im Jahr 1998 statt 3,04 pro 1.000 Geburten im Jahr 1990. „Neben angeborenen Herzfehlern und Chromosomenveränderungen wurden auch schwere Missbildungen wie Anenzephalie (fehlendes Gehirn), Zyklopie (Einäugigkeit) oder Gastroschisis (fehlender Bauchdeckenschluss) sowie Spina bifida (offener Rücken), fehlende Extremitäten, Fischhaut, Gaumenspalten und Gedeihstörungen beobachtet“, so IPPNW. Eine Studie der Universität von Basra habe bei Kindern eine Verdopplung der Leukämierate und eine Verdreifachung der Rate aller Kinderkrebserkrankungen zwischen 1990 und 1999 gefunden. Im Rahmen einer Feldstudie wurden zahlreiche Orte mit erhöhten Strahlenwerten gefunden – vor allem in der Nähe der Panzerfriedhöfe.

Es zeugt von rassistischer Ignoranz und imperialer Arroganz, vor diesem Kriegsleid die Augen zu verschließen oder es durch verharmlosendes Geschwätz gar in Abrede zu stellen und nun die Ukraine in das nächste Hochrisikogebiet voller „Todesstaub“ zu verwandeln – höhere Raten an Leukämie, Lungenkrebs und missgebildeten Kindern inklusive.

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"Leukämie, Lungenkrebs und Missbildungen", UZ vom 31. März 2023



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