Warum sich Union am Ende doch noch retten konnte

Letzte Station Köpenick

Kolumne von Ulrich Peters

Die Bundesliga-Saison ist gelaufen und für Union ist es gerade nochmal gut gegangen: Klassenerhalt in buchstäblich letzter Minute, das war nichts für schwache Nerven. Aber nun kann ich mich ja entspannt zurücklehnen und ein wenig Bilanz ziehen.

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Dass in jeder Saison Unerwartetes passiert, liegt in der Natur der Sache. Kaum jemand hätte zum Beispiel gedacht, dass die Bayern von Leverkusen und Stuttgart in die Schranken gewiesen werden, dass die Newcomer aus Heidenheim so souverän die Klasse halten oder die zeitweise klinisch toten Mainzer nochmal reanimiert werden – allerdings nur dank eines Trainers, gegen den jeder Duracell-Hase abschmiert, was schon recht anstrengend ist.

Unions Krisensaison war ebenfalls nicht zwingend zu erwarten, obwohl ich vor Jahresfrist an dieser Stelle vermerkt hatte, der Verein stehe mit Blick auf den Spagat zwischen Champions-League und Liga „vor einer herkulischen Aufgabe“: Madrid oder Hoffenheim – Hauptsache gewinnen! Hat dann bekanntlich nicht so geklappt. Stattdessen wurden zwei Trainer verschlissen, ein zwischenzeitlich beruhigender Vorsprung auf die Abstiegsränge verspielt und am Ende 33 Punkte gesammelt, die gut und gern zum Abstieg hätten qualifizieren können.

Nach der unnötigen Niederlage bei den fußballerisch limitierten Kölnern war meine Zuversicht auf ein Happy End ziemlich dahin. Dennoch kam die Rettung im Herzschlag-Finale gegen Freiburg und ich frage mich, ob sich unser Desaster von Müngersdorf im Nachhinein nicht als Segen erwiesen hat. Im Angesicht des drohenden Abstiegs war nämlich der ganze Verein gewissermaßen auf den Punkt bereit.

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Zittern bis zum Schlusspfiff: Eisern- Union-Fans (Foto: Señor Dan / Wikimedia / CC BY-SA 3.0 Deed / Bearb.: UZ)

Christian Streich, dessen Karriere als SC-Trainer mit dem Gastspiel in Köpenick endete, wurde vom Union-Anhang als „Fußballgott“ geadelt – eine Ehrung, die wirklich nicht normal ist und den Respekt für außergewöhnliche Menschen & Leistungen zum Ausdruck brachte. Allein das war schon mächtig Union-like, aber es kam noch besser: Stadionsprecher Christian Arbeit verlas vor Spielbeginn nicht nur, wie üblich, die Namen der Spieler und des Trainers, sondern würdigte auch die Ko-Trainer sowie die Vorsänger und Trommler der Ultras. Die Botschaft war klar: Nur gemeinsam können wir’s schaffen! Und wer weiß, vielleicht war er es ja, der die letzten Zweifler & Zauderer zu mobilisieren vermochte. Ich kann nur sagen, dass es im ganzen Stadion flirrte und knisterte, dass alles und jeder von einer ungeheuren Energie erfasst war, die, als das Spiel dann endlich angepfiffen wurde, sich wechselseitig zwischen den Spielern und dem Publikum hin und her übertrug. Es wurde gezittert und gebangt, gesungen und geschrien, bis das erlösende Tor in der Nachspielzeit das Stadion in ein Tollhaus verwandelte. Ein derart emotionales Spiel hatte ich schon lange nicht mehr erlebt.

Es waren eher andere Qualitäten als die individuelle Klasse der Spieler, die am Ende über Wohl und Wehe der Vereine entschieden, so dass sich die tektonischen Verschiebungen in den Profiligen fortsetzen. Während alte Granden wie Kaiserslautern und Schalke froh sind, wenigstens nicht in die Niederungen der 3. Liga abzugleiten, begrüßt die Bundesliga mit Holstein Kiel den nächsten Novizen. Außerdem kommt es hier erstmalig zu Duellen zwischen Union und St. Pauli, während die einstigen Stadtgrößen Hertha und HSV ihre Kräfte im Unterhaus messen. Nur in München scheinen die alten Machtverhältnisse fortzubestehen, aber die klägliche und bislang erfolglose Trainersuche des Klassenprimus‘ kündigt auch im Süden der Republik gewisse Erschütterungen an. Die sollen mich aber heute nicht interessieren. Eisern Union!

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"Letzte Station Köpenick", UZ vom 31. Mai 2024



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