Was nach Corona in die Kinos kommt: „Working Man“

Letzte Schicht

Eric A. Gordon, People‘s World, Übersetzung und Bearbeitung: Lars Mörking

Der Spielfilm „Working Man“, geschrieben und inszeniert von Robert Jury, ist ein ruhiger, langsamer Film. An dessen Anfang treffen wir die letzte Belegschaft in der letzten Fabrik in einer trostlosen Stadt des „Rust Belt“, einer Industrieregion, die keine mehr ist. Auch ihr letzter Arbeitstag ist gekommen, und als „New Liberty Plastics“ seine Tore schließt, ist es der pflichtbewusste, ernste und gefühllose Allery Parkes (gespielt von Peter Gerety), der als Letzter seinen letzten Gehaltsscheck abholt und geht.

Parkes ist unfähig, sich damit abzufinden, einfach nur zu Hause zu sitzen und nichts zu tun. Er kann das unbehagliche Schweigen, das er mit seiner fürsorglichen Frau Iola (Talia Shire) teilt, nicht ertragen. Und so betritt er heimlich wieder die Fabrik – für ihn ein Zufluchtsort –, obwohl der Strom abgeschaltet ist und er dort nur sinnlose Wartungsarbeiten durchführt. Seine Nachbarn und seine inzwischen arbeitslosen Kollegen fragen sich, ob er verrückt geworden ist, weil sie sehen, wie er Tag für Tag mit seiner schäbigen Lunchbox wie hypnotisiert zur „Arbeit“ geht und in der stillgelegten Fabrik schuftet.

Einer seiner Kollegen, sein schwarzer Nachbar Walter Brewer (Billy Brown), sieht in Allerys stillem Widerstand etwas Heldenhaftes. Er erkennt die Depression dieses älteren Arbeiters und seine unsichtbaren Dämonen und will helfen, sie zu vertreiben. Gemeinsam, aber vor allem auf Walts Veranlassung hin, initiieren sie eine von der Gemeinschaft unterstützte Fabrikbesetzung, die an die Sitzstreiks in den 1930er Jahren erinnert. Sie wollen die letzten Aufträge erfüllen, die im Zuge der überstürzten Firmenübernahme liegen geblieben waren. Warum sie das tun? Ein Arbeiter fasst es im Film im Namen seiner Klasse mit den Worten zusammen: „Man braucht Arbeit, um das Gefühl zu haben, etwas wert zu sein.“

„Ich bin im ländlichen Mittleren Westen Amerikas aufgewachsen, deshalb hat ‚Working Man‘ viel gemeinsam mit den Orten und den Menschen, die ich kenne“, sagt Robert Jury über sein erstes produziertes Drehbuch, das gleichzeitig sein Regiedebüt ist. „Der Film spiegelt aber auch wider, was derzeit einem Großteil der US-Arbeiterklasse und der Arbeiterklasse im Rest der Welt passiert und bereits passiert ist.“

Eine gute, solide sozialistisch-realistische ästhetische Theorie würde zumindest einige Hoffnungsschimmer setzen, die individuelle und kollektive Klassenzusammenarbeit beinhaltet. Aber Hoffnung für die Klasse als Ganzes ist hier Mangelware. Werden die Aufträge abgeschlossen und erfüllt? Werden die Arbeiter für ihre Arbeit bezahlt, die Fabrik gerettet?

Diese Fragen werden auf ihre eigene Weise beantwortet, aber wie der Titel des Films andeutet, geht es hier letztlich um einen Mann, Allery Parkes, und seine inneren Kämpfe. Er muss seinen eigenen Schmerz überwinden und erfährt nach einer langen, harten Zeit sogar Anerkennung für sein unerwartet offenbartes Führungspotential. Und auch für die anderen Arbeiter wird der „letzte Widerstand“ zu einer Geschichte, die sie an ihre Kinder und Enkel weitergeben werden. Doch letztendlich erreicht die Wiederbesetzung der Plastikfabrik unter dem Motto „niemals aufgeben“ nichts, um den Konzern-Moloch aufzuhalten.


„Working Man“ ist auf Englisch seit dem 5. Mai bei diversen Streaming-Diensten verfügbar.

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"Letzte Schicht", UZ vom 29. Mai 2020



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